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100 Tage Obama: Wie SPIEGEL Online die PR des Smiley-Präsidenten einfach weiterträgt – und überfällige Kritik unter den Tisch fallen lässt

Was ist der Unterschied zwischen dem SPIEGEL und einem Medium, [1]das die Jubelarien der Mächtigen dieser Welt konsequent kritisch begleitet? Wer dies wissen will, braucht nur auf die Berichterstattung über Barack Obama zu schauen. Bereits vor einigen Wochen berichtete SPIEGELblog darüber [2]. Mythenbildung statt Aufklärung, so lautete damals unsere Kritik am SPIEGEL.

Jetzt scheint es nicht anders: 100 Tage hat der US-Präsident nun auf dem Buckel. Und während Marc Pitzke von SPIEGEL Online dazu keine bessere Headline einfällt als „100 Tage Obama: Revolution im Eiltempo“ [3] (eine Schlagzeile, die das Weiße Haus nicht schöner hätte formulieren können), so heißt es zum Beispiel bei der amerikanischen Online-Zeitung Huffington Post: „Obama’s First 100 Days: The Good, The Bad, and the Geithner“ [1] (siehe Screenshot).

Kritische Ausführungen von SPIEGEL Online zu Finanzminister und Wall-Street-Marionette Timothy Geithner oder zu Obamas Fortsetzung von Bushs Afghanistan-Politik? Fehlanzeige!
Während SPIEGEL Online in seinem Artikel ellenlang darüber auslässt, was für ein faszinierender PR-Mensch Obama doch ist und nur am Ende des Beitrags ein Hauch von Kritik bringt, nennt Arianna Huffington die Dinge beim Namen. Zu Finanzminister Timothy Geithner etwa, der in massive Interessenkonflikte mit den Wall-Street-Bossen verstrickt ist (SPIEGELblog berichtete [4]), schreibt sie:

„At Treasury [= Finanzministerium], the range of opinion goes all the way from Goldman to Sachs. Several hundred billion dollars later, the banks still aren’t lending, the zombies are still on their feet, preferred shareholders are still being catered to, the knowledge of where our money has gone is spotty at best, and oversight and transparency remain unfulfilled promises. The Obama White House’s vision for the rescue remains startlingly myopic… The biggest black mark on Obama’s first 100 days is his head-scratching reliance on the bank-centric beliefs of Larry Summers and Tim Geithner.“

Bei SPIEGEL Online hingegen heißt es zu Geithner nur kurz und knapp und verharmlosend: „Auch Obamas Personal ist nicht so beliebt wie der Chef selbst. Finanzminister Timothy Geithner hat sich vom anfänglichen Straucheln zwar erholt. Trotzdem bleibt er ein unsicherer Kandidat – ebenso wie Adlatus Larry Summers, Personifizierung des Pessimismus.“

Auch nennt Arianna Huffington bei Afghanistan die Dinge beim Namen: „Obama has committed 21,000 more troops to Afghanistan but as many, including Obama himself [5], have noted, there is no exclusively military solution to Afghanistan. What’s more, unlike with Guantanamo, Obama has adopted Bush’s policies regarding the enemy prisoners being held at Bagram Air Force Base in Afghanistan.“

SPIEGEL Online hingegen erwähnt nicht einmal die Bagram Air Force Base. Und zu Afghanistan heißt es erneut kurz und verharmlosend: „Außenpolitisch ist Obama zwar weltweit populär. Doch Afghanistan und der Nahe Osten sind unvermindert Krisenherde, und auch Pakistan bricht langsam weg.“