Archiv für Januar 2009

Mit Rüttgers, Friedman und Seebacher-Brandt auf dem Schoß lässt sich halt nur einseitig dampfplaudern

Freitag, 30. Januar 2009

„Wer den SPIEGEL aufmerksam liest, weiß, dass Deutschland… so ein Land wie England werden soll, das einst von Margaret Thatcher ohne soziale Sentimentalitäten auf Vordermann gebracht wurde. Das wäre dann ein Land, in dem die Gewerkschaften nichts mehr zu melden haben, die Bahn aber auch nicht besser funktioniert und die Menschen monatelang auf medizinische Versorgung warten. Ein Land, das aber – von Hamburg, Brandstwiete 19, aus gesehen – irgendwie moderner und besser wirkt.“
Oliver Gehrs, „Der SPIEGEL-Komplex“, S. 25

Unjournalistisch kommt der SPIEGEL auch immer dann daher, wenn er sich mit dem politischen Establishment gemein macht und alles daran setzt, in seinen Beiträgen Kritik am Status quo abzuqualifizieren. So geschehen etwa in einem Stück über die Sendung Anne Will zur Hessenwahl. In diesem Fall setzt sich der SPIEGEL-Autor Reinhard Mohr vor allem den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) auf den Schoß und „attackiert“ mit ihm als Sprachrohr die Linkspartei als „politikunfähig“.

SPIEGEL macht sich mit Politik-Establishment gemein
Zwar kommt in dem Beitrag anschließend Sahra Wagenknecht von der Linkspartei zu Wort, doch wird sie in abfälliger Weise in den Text eingebaut. Heißt es doch, Wagenknecht hätte „mehrfach zu ihrer eingeübten Suada über den ‚entfesselten Kapitalismus‘ angehoben“. „Eingeübte Suada“ heißt in diesem Zusammenhang so viel wie einstudiertes Politikergequatsche – was man ja vielleicht sogar schreiben kann, wenn man bedenkt, dass die Linke in Berlin, wo sie mitregiert, ja ziemlich weit davon entfernt ist, irgend etwas an den herrschenden Verhältnissen im Sinne des Bürgers zu verändern. Problematisch ist jedoch, dass dieses diffamierende Etikett nur Sahra Wagenknecht angeheftet wird, nicht aber dem CDU-Oberschwafler Rüttgers, genau so wenig wie den anderen Gästen der Sendung, den Dampfplauderern Michel Friedman und Brigitte Seebacher-Brandt.

Und diese Einseitigkeit setzt sich in Reinhard Mohrs Beitrag fort. So wird gleich darauf nur noch auf der Linkspartei herumgehackt. Zunächst schmäht der SPIEGEL – in diesem Fall ganz eigenständig – Oscar Lafontaine als „geradezu prophetischen Weltwirtschaftsexperten“ ab – und unterschlägt dabei mal so eben die Tatsache, dass sie gesamte Wirtschafts- und Politikerelite ganz besonders in der jüngsten Vergangenheit auf höchst fahrlässige Weise an der Realität vorbeiorakelt hat, als es darum ging, etwas Gehaltvolles zu den jeweiligen Konjunkturaussichten zu sagen.

An der tumben Kapitalismusanbetung von Seebacher-Brandt stört sich der SPIEGEL überhaupt nicht
Anschließend holt sich der SPIEGEL-Autor dann auch noch Seebacher-Brandt auf den Schoß, die sich in der Sendung wohlgemerkt mit würdelosen Hetztiraden gegen alles, was linker ist als die CSU, sowie mit einer tumben USA- und Kapitalismusanbetung hervortat. Was den SPIEGEL aber nicht daran hindert, sie in dem Artikel als seriöse Zeugin dafür aufzufahren, dass die Streitigkeiten in der Linkspartei nichts anderes als „Linke Folklore“ seien.

Unterstützung erhielt sie, wie wir dann vom Autor Mohr weiter erfahren, von Michel Friedman, der zum Besten geben darf: „[Die Linke] ist eine Selbstfindungs- und Therapiegruppe.“ Dass dies mindestens ebenso auf Friedmans CDU, die die Ost-CDU aus der DDR LDPD übernommen hat und auch nationalkonservative Strömungen beherbergt, zutrifft, unterschlägt das Nachrichtenmagazin dabei geflissentlich.

Und wen, bitte schön, haben wir mit Michel Friedman da überhaupt sitzen: (mehr …)

Der SPIEGEL und die Linkspartei: Fakten stören beim Verriss

Freitag, 30. Januar 2009

Die Linke wird von vielen Medien ignoriert oder verleumdet. Eine wichtige Rolle spielt dabei der SPIEGEL.

In einem sind sich neoliberale Parteien und die meisten Redaktionen einig: Die Linkspartei muss klein gehalten werden. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung etwa hatte vor der Hessenwahl ungeniert verkündet, Die Linke schneiden zu wollen. Die Fotoagenturen schlossen sich dem am Wahlabend an: Von den Wahlfeten aller Parteien wurden Fotos angeboten – nicht jedoch von der Linkspartei.

Die Ausgrenzung setzt sich in TV-Nachrichten fort. Dort kommen von der Opposition häufig nur Grüne und FDP zu Wort. Über Die Linke wird in der Regel nur berichtet, wenn es Abträgliches gibt – etwa wenn SPD-Parteichef Franz Müntefering behauptet, sie betreibe eine „nationale und soziale Politik“. Begründet wird das zwar nicht – aber die Assoziation zum „Nationalsozialismus“ steht erst einmal im Raum.

Der SPIEGEL: meinungsstark und faktenschwach
Das angebliche „Sturmgeschütz der Demokratie“, der SPIEGEL, spielt dabei häufig die Rolle des Stichwortgebers. Erst kürzlich phantasierte seine Redaktion genüßlich über eine „Austrittswelle“ aus der hessischen Linkspartei – dass den 45 Abgängen im vergangenen Jahr 750 Neueintritte gegenüberstanden, erfuhr der Leser ursprünglich nicht (Anm.: der Beitrag auf SPIEGEL Online war zunächst nur eine kurze Notiz, die später möglicherweise durch eine Langfassung überschrieben
wurde; doch auch bei der erfährt der Leser erst ganz am Ende von den Neueintritten – was die Überschrift „Neue Austrittswelle erfasst Hessens Linkspartei“ und überhaupt den gesamten Tenor des Artikels konterkariert). So ziemlich alle Medien plapperten es nach – immerhin gilt der SPIEGEL vielen Journalisten als „Leitmedium“.

In seiner aktuellen Ausgabe liefert der SPIEGEL ein weiteres Beispiel für manipulative Berichterstattung. „Komplizen des Terrors“ (siehe Ausriss) ist ein Bericht über die Linksfraktion betitelt, in dem der Autor Markus Deggerich meinungsstark aber faktenschwach versucht, Teilen der Fraktion wegen ihrer Ablehnung der israelischen Kriegspolitik Antisemitismus anzuhängen. Dabei macht sich Deggerich nicht einmal die Mühe, zwischen „Antisemitismus“ und „Antizionismus“ zu unterscheiden. Die unterschwellige Botschaft lautet: Wer gegen Israels Kriegspolitik ist, will ein neues Auschwitz.

Der SPIEGEL: Probleme nicht nur bei der Recherche, sondern auch mit der Sehkraft
Fakten können bei einem solchen Verriss nur stören. Da wird der Abgeordnete Wolfgang Gehrcke flugs zum außenpolitischen Sprecher ernannt. Falsch – er ist Obmann seiner Fraktion im außenpolitischen Ausschuss. Seiner Kollegin Ulla Jelpke wird ein israelkritisches Zitat aus einer Bundestagsrede untergeschoben – sie hat dort jedoch nie zu diesem Thema geredet. (mehr …)

Der SPIEGEL fabuliert über die Bettmoral unserer Vorfahren

Donnerstag, 29. Januar 2009

Matthias Schulz!

Als Autor einer SPIEGEL-Titelgeschichte über die Germanen [siehe Bild] haben Sie das unglaubwürdigste Vorurteil über dieses Volk, das es leider gar nicht gegeben hat, noch einmal kolportiert und den Römern die Verwilderung der Geschlechtsmoral im Teutoburger Wald zur Last gelegt:

„Hinzu kamen die lockere Sitten der Eindringlinge. Huren und Marketenderinnen folgten dem Militär. Für die Germanen bedeutete das Verwirrung. Sie lebten bis zum 20. Lebensjahr enthaltsam. Eheliche Treue galt als höchstes Gut.“

Wenn Sie uns nun bitte die Moorleiche eines einzigen Germanen vorzeigen könnten, der bis zum 20. Lebensjahr nachweislich enthaltsam gelebt hätte, würden wir Ihnen diesen kühnen Griff in die Frühgeschichte verzeihen. Oder waren Sie damals persönlich anwesend unter den Bettdecken der Cheruskerfürstenpaare und ihrer Leibeigenen, als die eheliche Treue noch als höchstes Gut gegolten hatte?

Um eine etwas nähere Auskunft über die Bettgeschichten der Germanen bittet
Titanic

(aus: Briefe an die Leser, Titanic 2/2009)

Erst wird NYT-Kolumnist Friedman als „apokalyptischer Harlekin“ abqualifiziert – und dann als kompetenter Gesprächspartner hofiert

Montag, 26. Januar 2009

Wer vergangene Woche den SPIEGEL aufgeschlagen hat, findet dort das dreiseitige Interview „Zeit für Radikalität“ mit dem New-York-Times-Kolumnisten Thomas Friedman. Friedman wird darin nicht nur als dreifacher Pulitzer-Preis-Träger, sondern auch – man höre und staune – als Experte für Nahost-, Energie- und Außenpolitik präsentiert. Als kompetenter kann man einen Gesprächspartner kaum herausstellen (siehe Screenshot). So weit so gut.

Doch wer kein Kurzzeitgedächtnis hat, reibt sich die Augen. Hatte doch die TV-Moderatorin Thea Dorn erst am 5. Januar im SPIEGEL selbigen Thomas Friedman in völlig überzogener Manier als „atemberaubend unverantwortlichen Wirtschaftsfeuilletonisten“, der den „apokalyptischen Harlekin gibt“, abqualifiziert (SPIEGELblog berichtete).

Kein Ausweis für Qualitätsjournalismus
Diese Diskrepanz ist wahrlich kein Ausweis für Qualitätsjournalismus, liegt sie doch jenseits der tolerierbaren Meinungsvielfalt innerhalb eines Mediums. Zumal Friedman in dem Interview sinngemäß seine Besorgnis über mögliche Folgen der Finanzkrise wiederholen darf – eine Besorgnis, die Dorn dazu verleitete, ihn in ihrer Riege der „Apokalyptiker“, die offenbar vom „Freudschen Todestrieb“ geleitet seien, an erste Stelle zu stellen. Friedman im Interview: „Noch so eine Dekade – und wir [= die USA] sind Dritte Welt“, woraufhin sich die Interviewer des SPIEGEL sogar mit Friedman gemein machen und sagen: „Die Wirtschaftskrise trifft Amerika und den Rest der Welt hart.“

Essay von Dorn wird durch Friedman-Inteview in seiner Glaubwürdigkeit erschüttert
Was also sollen wir daraus schließen? Etwa, dass wir Thea Dorn folgen und auch die Interviewer – die SPIEGEL-Redakteure Gabor Steingart und Klaus Brinkbäumer – als „atemberaubend unverantwortliche“, ja „apokalyptische Harlekins“ bezeichnen sollen? Oder dass der SPIEGEL mit dem Interview wieder etwas gerade rücken wollte? Oder finden wir hier das, was Hans Magnus Enzensberger bereits 1957 am SPIEGEL kritisierte: „Wer dem Blatt…  eine Basis von Überzeugungen zubilligen möchte, sieht sich fortwährend düpiert“ (Quelle: Oliver Gehrs, „Der SPIEGEL-Komplex“, S. 11)?

Nun, fest steht, dass der Essay von Thea Dorn durch das Interview in seiner Glaubwürdigkeit erschüttert wird, denn in dem Interview kommt alles andere als zum Ausdruck, dass Friedman ein „apokalyptischer Harlekin“ ist.

Berechtigte Zweifel an wirksamer Qualitätskontrolle durch NYT, SPIEGEL & Co
Dieser Umstand lässt wiederum an den Worten Friedmans zweifeln, (mehr …)

SPIEGEL Online offenbart in Sachen Guantánamo ein Rechtsverständnis, das an das der Bush-Regierung erinnert

Samstag, 24. Januar 2009

In eine seiner ersten Amtshandlungen hat Barack Obama die Schließung von Guantánamo angeordnet. Ein mehr als überfälliger Schritt, denn bei den Militärtribunalen handelt es zweifelsohne nicht um rechtsstaatliche Verfahren. So hat nicht nur Morris Davis, Ex-Chefankläger im US-Lager Guantánamo, der US-Regierung vorgeworfen, die Prozesse manipuliert zu haben, auch wurde die Unrechtmäßigkeit der Tribunale vom Supreme Court, dem höchsten Gericht der USA, festgestellt.

Die Menschen, die in Guantánamo einsitzen, können also im Grunde nicht einmal guten Gewissens als Verdächtige bezeichnet werden. So hat auch eine an der Rechtsfakultät der Seton Hall University erarbeitete Studie ermittelt, dass die meisten Häftlinge in Guantánamo schlicht unschuldig sind, wie etwa auch die ehemalige Bill-Clinton-Beraterin Naomi Wolf in ihrem Buch „Wie zerstört man eine Demokratie“ schreibt.

„Harte Beweise“? Wie das, wenn die Tribunale nicht rechtsstaatlich waren?
SPIEGEL Online
hingegen kommt in seinem Artikel „Steinmeier und Schäuble wollen Guantanamo-Streit beenden“ zu einer Rechtsauffassung, die irgendwie an die der Bush-Regierung erinnert. So heißt es in dem Beitrag, in dem es um die Auseinandersetzung geht zwischen den beiden Ministern über die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen, die nicht in ihre Heimatländer zurück können:

„Neben rund 40 Personen, gegen die wie im Fall des 9/11-Drahtziehers Chalid Scheich Mohammed harte Beweise für terroristische Aktivitäten vorliegen und die vermutlich vor Militärgerichte in den USA und vor normale US-Richter gestellt werden, gibt es mehr als 100 Insassen, deren Unschuld mehr oder minder bewiesen ist.“

Insgesamt also, behauptet SPIEGEL Online, lägen gegen rund 40 Guantánamo-Insassen „harte Beweise“ für terroristische Aktivitäten vor. Doch wie sollen die vorliegen können, wenn, wie gesagt, die Militärtribunale nicht rechtsstaatlich waren? Sollte darüber, wie „hart“ die Beweise wirklich sind, nicht besser erst einmal ein ordentliches Gericht entscheiden? Bestenfalls könnte man berichten, dass die Militärankläger meinten, genug harte Beweise zu haben, um die aus ihrer Sicht Verdächtigen anklagen zu können. Und ob eine solche Anklage überhaupt Aussicht auf Erfolg hat bzw. aufgrund der vorliegenden „Beweise“ überhaupt zugelassen wird, das muss sich erst noch zeigen.

Schlussfolgerung von SPIEGEL Online weder juristisch noch journalistisch sauber
Dies gilt streng genommen auch für Chalid Scheich Mohammed, von dem SPIEGEL Online ja meint, er sei der „Drahtzieher“ der Anschläge vom 11. September 2001. Zwar hat er vor dem Militärtribunal in Guantánamo so ziemlich alles gestanden, was die Bush-Regierung Al-Quaida seit langem vorwirft. Doch wohl kein rechtsstaatliches Gericht der Welt würde ein solches Geständnis anerkennen.

So geht nicht nur Hans-Christian Ströbele von den Grünen davon aus, dass die Aussagen von Scheich Mohammed unter Folter zustande gekommen sind. „Er hätte wohl auch gestanden, der Satan persönlich zu sein“, sagte Ströbele der Süddeutschen Zeitung. (mehr …)

Der SPIEGEL: Schoßhund im Elfenbeinturm?

Freitag, 23. Januar 2009

(Mit Dank an Mosez G. für einen wichtigen Hinweis)

Investigativer Wissenschaftsjournalismus als Kontrollinstanz des Forschungsbetriebes – als „Wachhund im Elfenbeinturm“ – spielt in der Fachliteratur und Praxis bisher nur eine geringe Rolle, wie auch eine Untersuchung der Universität Dortmund zeigt. Dies ist äußerst prekär, denn das Wissenschaftssystem gewinnt zunehmend an Gesellschaftseinfluss. Zudem ist es nicht nur in den USA mittlerweile außerordentlich schwierig geworden, einen leitenden Medizinforscher zu finden, der in keiner finanziellen Abhängigkeit zur Pharmaindustrie steht. Von diesem Phänomen der ungenügenden Kontrolle des Wissenschaftsbetriebes ist offenbar auch der SPIEGEL nicht ausgenommen – ein Phänomen, das dadurch gekennzeichnet ist, dass die Inhalte von bedeutenden Fachmagazinen wie Nature oder auch die Aussagen von Medizinautoritäten kritiklos bzw. ungeprüft übernommen werden.

Aussagen von Medizinautoritäten werden ungeprüft weitergegeben – selbst bei fehlendem Kausalnachweis
Themenfelder wie Mobilfunk, Gentechnologie oder auch Amalgam wurden in diesem Zusammenhang auf SPIEGELblog bereits erörtert. Ein weiteres Beispiel ist das Phänomen „Third Hand Smoke“ – der Gestank von „kaltem“ Tabakrauch, der sich etwa in Haaren, Kleidern und Teppichen festgesetzt hat. Berichte darüber, dass von Third Hand Smoke ernste Gesundheitsgefahren ausgehen, haben Anfang des Jahres die Runde durch die Medien gemacht, und auch SPIEGEL Online griff das Thema bereitwillig auf. Dabei wurde an die Leser die Botschaft weitergegeben, dass „die riechenden Reste tatsächlich ein riesiges Problem sind“, weshalb „US-Forscher nun warnen: Der sogenannte Third Hand Smoke ist ihnen zufolge eine Gefahr, die bisher völlig unterschätzt wird“. Das grundlegende Problem an der Sache ist nur, dass kein Kausalzusammenhang belegt werden konnte.

Sicher, im Zigarettenqualm sind Hunderte äußerst giftige Substanzen enthalten – und es gibt wohl kaum jemanden, der nicht angewidert, wenn ihm kalter Tabakgestank in die Nase steigt. Und auch ist es sicher so, dass Kinder generell viel mehr Staub einatmen als Erwachsene, weil sie häufiger am Boden herumkrabbeln. Und in diesem Staub, so die Argumentation, seien im Zweifelsfall auch die Third-Hand-Smoke-Giftstoffe enthalten. Und da Kinder ein geringeres Körpergewicht als Erwachsene haben, seien sie einer bis zu zwanzigfach erhöhten Dosis ausgesetzt.

Doch es gibt keine Untersuchung, die klar belegt, dass so niedrige Giftstoffexpositionen von Rauch, der Teppichen oder Gardinen anhaftet, „tatsächlich zu einem vermehrten Auftreten von Krankheiten bei Kindern führt“, worauf etwa auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in einem medienkritischen Beitrag am 18. Januar aufmerksam macht. (mehr …)

SPIEGEL Online zeigt Bekennervideo mit „subliminaler Botschaft“

Donnerstag, 22. Januar 2009

„Will jemand mit subliminalen Botschaften, die deutsche Bevölkerung auf ein neues Sicherheitspaket psychologisch vorbereiten?“, fragt die Internet-Seite Alles Schall und Rauch. So zeigt SPIEGEL Online am 19. Januar unter der Überschrift „BKA-Warnung: Deutscher al-Qaida-Islamist droht Bundeswehr“ ein Bekennervideo, in dem ein vollständig vermummter, angeblich deutschstämmiger „Islamist“, Drohungen gegen die Bundesrepublik Deutschland ausstößt. Bei näherem Hinsehen fällt in Minute 00:53 auf, dass folgende „subliminal message“, also eine für das Bewusstsein kaum wahrnehmbare Mitteilung ans Unterbewusstsein, in das Video eingefügt wurde: „neues Sicherheitspaket“.

Es erscheinen also für den Bruchteil einer Sekunde die Worte „neues Sicherheitspaket“ – exakt in dem Moment des Abfeuerns der Panzerfaust. Am Ende des Videos wird die Einblendung nochmals wiederholt (Minute 02:21).

Ob jemand damit wirklich beeinflusst werden soll, ist natürlich nicht sicher, ein schlechter Witz ist es allemal. Unter http://a.imagehost.org/view/0853/SpiOn kann man ihn sich noch mal verlangsamt ansehen (siehe auch Screenshot). (mehr …)

SPIEGEL Online verknüpft Obamas „Kampf gegen die Krise“ mit Kriegsbild

Donnerstag, 22. Januar 2009

Gestern hatte SPIEGEL Online die Amtseinführung von Barack Obama euphorisch gefeiert: „Die Vereinigten Staaten vibrieren wieder. Der neue Präsident hat seine Landsleute wachgeküsst.“ Etwas später macht SPIEGEL Online dann auf mit der Schlagzeile „Nr. 44 zieht in den Kampf gegen die Krise“. Direkt darunter wurde das Bild von drei schwer bewaffneten Soldaten positioniert, Bildunterschrift „Soldaten in Afghanistan: Jetzt fängt die Arbeit an“ (siehe Screenshot). Eine heikle Verknüpfung, nicht nur, weil vorab so euphorisch über Obama berichtet wurde – was es sehr schwierig macht, die Verknüpfung als Kritik zu interpretieren.

Kampf gegen die Krise also durch Krieg? Welche Arbeit fängt an? Soll hier etwa medial Propaganda betrieben werden, wie die Linke Zeitung schreibt? Formal sind alle Interpretationen möglich – selbst die, dass die „Arbeit“ darin besteht, den Krieg in Afghanistan zu beenden. Jedoch hat Obama, Präsident Nr. 44, mehr als einmal erklärt, dass er die Truppen in Afghanistan noch aufstocken will, dass er entschlossen ist, den Sieg zu erringen.

Die smarte Nr. 44 zieht also „in den Kampf gegen die Krise“ mit Waffengewalt und Krieg. Vormittags „kämpfte“ Obama darum, der US-Wirtschaft 825 Milliarden Dollar zukommen zu lassen und nachmittags schmiedete er Kriegspläne mit seiner Generalität. (mehr …)

Nina Fedoroff, Clinton-Beraterin mit Nähe zur Gentech-Industrie, kann im SPIEGEL-Online-Interview problemlos ihre Botschaften loswerden

Dienstag, 20. Januar 2009

„Nichts ist schwieriger zu überwinden als die Probleme, von denen wir dachten, wir hätten sie bereits überwunden.“
Alexis de Tocqueville

Zu diesen Problemen gehört die blinde Technik- und Fortschrittsgläubigkeit, die vor allem in den 50-er Jahren des 20. Jahrhunderts in den Köpfen der Menschen herumspukte und sich damals unter anderem in einer totalen Atomenergie-Euphorie, die die Risiken ausblendete, manifestierte. Auch bescherte sie der Welt die so genannte „grüne Revolution“, die sich durch eine intensive und auf Monokulturen ausgerichtete Landwirtschaft, durch modernste Agrartechnik und einen massiven Einsatz von Pestiziden und synthetischen Düngemitteln auszeichnete – und das große Versprechen, mit all der Technik und den Giften dem Hunger den Garaus zu machen. Doch auch wenn sie kurzfristige Erfolge und Ertragssteigerungen brachte, so waren diese nicht nur mit einem gigantischen Rohstoffeinsatz erkauft, auch wurden Böden langfristig vernutzt, vergiftet, ausgelaugt und neue Wüsten sowie soziale Ungleichheit geschaffen.

Technikeuphorie des SPIEGEL frappierend
Vor allem aber wurde das große Versprechen nicht gehalten, nämlich den Hunger auszumerzen; denn dieser ist auf der Welt immer noch tragische Realität. Doch der Technikgläubigkeit der Agro-Konzerne tut dies keinen Abbruch, behaupten sie nun mit Nachdruck, gentechnisch veränderte Lebensmittel seien die Lösung für das Hunger- und auch Klimaproblem. Dass die Agro-Konzerne dies so fortschrittsgläubig vortragen, verwundert unterdessen nicht wirklich. Dass aber Medien wie der SPIEGEL, die sich nach eigenem Bekunden dem investigativen Journalismus verschrieben haben, ebenfalls in diese Gentechnikeuphorie verfallen, verwundert in Anbetracht der Erfahrungen aus der Vergangenheit und der Faktenlage doch sehr.

Fedoroffs Nähe zur Gentech-Industrie ist für den SPIEGEL kein Thema
Dass diese „Designerpflanzen“ aus dem Genlabor die Lösung für die Nahrungsmittelkrise seien, diese Botschaft transportiert SPIEGEL Online auch mit seinem Interview mit Dr. Nina Fedoroff, das heute online gestellt wurde (siehe Screenshot). Fedoroff wird nicht nur Obamas Außenministerin, Hillary Clinton, in Wissenschaftsfragen beraten. Auch ist sie ein Überbleibsel aus der Bush-Regierung, die wohlgemerkt engste Verbindungen zu Monsanto, dem mächtigsten Gentech-Konzern der Welt, gepflegt hat. Von Fedoroff etwas anderes als Werbebotschaften für die Gentech-Industrie zu erwarten, wäre also ziemlich naiv. Zumal Fedoroff bei Political Friendster explizit als Pflanzenbiologin für genetisch veränderte Organismen bezeichnet wird und sie auch seit Jahren zur Forschung in diesem Bereich beiträgt. Zudem war sie bis 2007 als Beraterin der Biotech-Firma Evogene tätig – wobei Evogene auch eng mit Monsanto zusammenarbeitet.

Umso kritischer hätte SPIEGEL Online Fedoroff begegnen müssen. Doch weder wird in dem Interview auf mögliche Interessenkonflikte bei Fedoroff aufmerksam gemacht, noch werden mögliche Gefahren von Gentech-Pflanzen oder Alternativen zur Lösung von Hunger und sozialer Ungerechtigkeit wie die diversifizierte Ökolandwirtschaft angesprochen. (mehr …)

SPIEGEL Online lässt beim Thema Gaza-Krieg Sensibilität und Ausgewogenheit vermissen

Montag, 19. Januar 2009

Die Wahrheit geht in Kriegen bekanntermaßen als erstes unter – und auch die Medien können sie gerade heutzutage oft nur schwer an die Oberfläche holen. Um so mehr sind hier Ausgewogenheit und Sensibilität (insbesonders in Bezug auf die Wortwahl) gefragt – zwei Dinge, die die Nahost-Berichterstattung von SPIEGEL Online zuweilen vermissen lässt, etwa in dem Artikel „Psychotricks demoralisieren den Gegner“ vom 15. Januar, in dem es um Propagandastrategien von Israelis und der Hamas geht (siehe Screenshot).

Um dies nachvollziehen zu können, lohnt es, die Kriegshistorie der vergangenen Monate noch einmal kurz Revue passieren zu lassen:

Im Juni 2008 war zwischen Israelis und der Hamas eine Waffenruhe vereinbart worden, von der jedoch in erster Linie die israelischen Anwohner im Grenzgebiet profitierten. Dagegen hofften die Menschen im Gazastreifen vergeblich auf eine Öffnung der Grenzen oder, wie es der ARD-Korrespondent Clemens Verenkotte formulierte, „auf ein Ende des eingesperrten Daseins in einem Freiluft-Gefängnis“. Als Anfang November 2008 die israelische Armee – in der Nacht der amerikanischen Präsidentschaftswahlen – mit der Tötung von mehreren Hamas-Milizionären im Gazastreifen gegen die Waffenruhe verstieß, nahm die Hamas ihren Raketenbeschuss wieder auf. „Einen Monat lang ließ Israels Regierung dann nichts mehr in den Gazastreifen hinein – ohne dass die internationale Gemeinschaft gegen diese völkerrechtswidrige Kollektivbestrafung auch nur einmal die Stimme erhoben hätte“, so Verenkotte.

Zahl der Raktenangriffe auf Israel gehen während des Waffenstillstands (Mitte Juni - Okt. 2008) drastisch zurück; Quelle: http://alles-schallundrauch.blogspot.com

SPIEGEL Online gibt Falschmeldung der Israelis weiter
Auch SPIEGEL Online scheint sich nicht für diese „völkerrechtswidrige Kollektivbestrafung“ durch die Israelis interessiert zu haben. Jedenfalls findet man auf SPIEGEL Online darüber nichts, wenn man für den Zeitraum November 2008 nach dem Begriff „Gaza“ sucht. Lediglich erhält man als Suchtreffer eine kurze Meldung vom 5. November, in der SPIEGEL Online darüber berichtet, dass vier Palästinenser durch einen israelischen Luftangriff ums Leben gekommen seien, wobei nicht nur ziemlich einseitig die Position der israelischen Regierung dargelegt wird, die ihre „Militäraktion mit dem fortwährenden Beschuss militanter Palästinenser rechtfertigte“ – auch ist die von SPIEGEL Online widergegebene Rechtfertigung offenbar eine Lüge.

So bestätigte Mark Regev, Sprecher für die israelische Regierung, in einem TV-Interview, dass während des Waffenstillstandes in den etwas mehr als vier Monaten davor keine Raketen der Hamas auf Israel abgefeuert worden waren und dass in dieser Zeit auch kein Israeli durch Raketen getötet worden war (siehe Screenshot). Die ganz wenigen Raketen, die noch kamen, waren nicht von der Hamas, sondern von Einzeltätern, wie Israel selber bestätigte. (mehr …)