Archiv für August 2009

SPIEGEL-Titel „Netz ohne Gesetz“: auf den Pfaden von Familienministerin von der Leyen

Dienstag, 11. August 2009

Die aktuelle SPIEGEL-Titelstory „Netz ohne Gesetz: Warum das Internet neue Regeln braucht“ (siehe Screenshot) ist mal wieder ein Ausweis dafür, wie staatstragend das Magazin immer wieder daherkommt. Sicher, auch das Internet könnte an der einen oder anderen Stelle neue Regeln benötigen. Doch es ist die mit Verbalinjurien unterlegte globle Attacke auf die Freiheit des Internet, die die SPIEGEL-Story so entgleisen lässt in Richtung Familienministerin von der Leyen.

Schwarzweißmalerei und Verbalinjurien
Schon im Vorspann wird klar gestellt: Da ist auf der einen Seite der Gute – der Rechtsstaat – und auf der anderen Seite das böse Internet, das als „Refugium der Diebe, Rufmörder, Kinderschänder“ gebrandmarkt wird. Sätze, die arg an Überwachungsminister Schäuble erinnern.

Davon abgesehen fragt man sich: Wo sind Titelgeschichten wie „Merkel, Schäuble & Co.: Warum Überwachungsfanatiker neue Regeln brauchen“ oder „Korrumpiertes Gesundheitssystem: Warum die alles beherrschende Pharmabranche neue Regeln braucht“?

MMnews.de des Fernsehjournalisten Michael Mross hat zum aktuellen SPIEGEL-Titel einen knackigen Kommentar verfasst, der selber verbal zum Teil ins Eingemachte geht, im Ganzen aber mit seiner Kritik ins Schwarze trifftt:

„Der SPIEGEL titelt seine neuen Ausgabe leyenhaft: ‚Warum das Internet neue Regeln braucht‘. Braucht das Netz neue Gesetze? Oder soll mit neuen Gesetzen nicht nur das Netz kontrolliert werden?

Hinter der SPIEGEL-Story steckt nicht der Kampf gegen das Chaos, sondern gegen das Web
Was ist das Internet? Der SPIEGEL stellt gleich zu Beginn seiner Titelstory erst mal in Fettdruck klar: ‚Ein Refugium der Diebe, Rufmörder, Kinderschänder – welche sich weitgehend der Kontrolle des Rechtsstaates enziehen‘.

Es folgt auf 13 Seiten eine globale Attacke auf die Freiheit des Internet. Stil und Beschreibung erinnern an Göbbels. Das Internet ist laut SPIEGEL ‚ein digitales Reich, an dessen Oberfläche bunte Blumen blühen – im Wurzelwerk darunter wuchert ein Pilzgeflecht aus Intrigen, Täuschung und Terror‘. Weiter heißt es: ‚Die Grauzonen werden vom organisierten Verbrechen genutzt‘, in der selbst der Kannibale von Rotenburg sein Opfer fand.

Im Prinzip leistet das Wochenzirkular damit dem Vorschub, was auch Familienministerin von der Leyen schon andeutete: Zu viel Freiheit ist auch nicht gut. Wo kämen wir da hin? Das Internet darf kein ‚rechtsfreier‘ Raum sein. Denn dann, so von der Leyen, könnte ja jeder Kinderpornograph puplizieren. ‚Sonst droht das großartige Internet ein rechtsfreier Chaosraum zu werden, in dem man hemmungslos mobben, beleidigen und betrügen kann‘, warnte von der Leyen.

Das Internet ist bei weitem kein rechtsfreier Raum, wie die SPIEGEL-Story suggeriert
Das Internet als Chaos und rechtsfreier Raum, das ist auch die Botschaft des SPIEGEL. Doch dahinter steckt nicht der Kampf gegen das Chaos, sondern der Kampf gegen das Internet. Und dahinter steckt die Tatsache, dass das Internet  die größte Bedrohung der Printmedien ist. (mehr …)

Neue Gesetze im Kampf gegen Steueroasen: Der SPIEGEL als „Büchsenspanner“ für den BDI

Dienstag, 04. August 2009

„Sie erinnern sich sicherlich noch“, heißt es aktuell auf nachdenkseiten.de. „Gerade ein Jahr ist es her, dass die Steuerhinterziehungsaffäre des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Post Schlagzeilen machte und als eine CD mit Kundendaten der Liechtensteiner LTG-Bank Ermittlungen gegen einige hundert sog. ‚Leistungsträgern‘ auslöste, die im Verdacht stehen, Steuern in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro hinterzogen zu haben. Damals war die Empörung groß und alle – auch der SPIEGEL– forderten, dass energischer gegen Steuerhinterzieher vorgegangen werden müsse. Das scheint alles schon wieder vergessen.

Die Unternehmensverbände, unterstützt von Medien wie dem SPIEGEL, betreiben das übliche Spiel: abwarten bis sich die Situation wieder beruhigt hat und dann jeden gesetzgeberischen Versuch, Steuerhinterziehung zu bekämpfen, massiv bekämpfen. Auch das Argument ist immer das gleiche: Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten des Standorts Deutschlands – Steuerhinterziehung als Standortvorteil also. Es ist ein Trauerspiel, dass sich der SPIEGEL wieder einmal als Büchsenspanner hergibt.“

So gibt SPIEGEL Online in seinem Beitrag „Deutsche Firmen drängen in die Schweiz“ (siehe Screenshot) den PR-Positionen der deutschen Wirtschaftsverbände, die gegen die neue Gesetze „Sturm laufen“, reichlich Raum – von Verständnis für die Steuerbehörden keine Spur mehr. In dem Artikel heißt es:

„Das deutsche Steuersystem wird bald um ein Gesetz reicher sein, denn der Deutsche Bundestag hat den Fiskus Anfang Juli bevollmächtigt, Steuerpflichtige, die Geschäftsbeziehungen zu nicht kooperierenden ‚Steueroasen‘ unterhalten und darüber nicht Auskunft geben, mit Sanktionen zu belegen. Das ‚Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung‘ verlangt von solchen Firmen und Privatpersonen umfangreiche Auskunfts- und Nachweispflichten. Wer nicht mit den Steuerbehörden kooperiert, muss unter anderem damit rechnen, dass der Steuerabzug von Aufwendungen aberkannt wird, die in solchen Ländern anfallen…

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) reagierte verärgert auf die Vorlage. Zwar sei es grundsätzlich begrüßenswert, die Steuerhinterziehung weiter zu erschweren, räumte der BDI in einer gemeinsamen Stellungnahme mit anderen Wirtschaftsverbänden ein. Doch das geplante Gesetz schieße ‚weit über das Ziel hinaus‘. Der Vorschlag könne zu gravierenden Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten des Standorts Deutschlands führen.“

SPIEGEL Online mischt thematisch auch noch alles durcheinander
Absurd mutet auch an, dass der SPIEGEL-Online-Artikel alles durcheinandermischt. Auf der einen Seite wird lang und breit der BDI zitiert, der knallhart die Interessen der Großkonzerne vertritt – und gleich im Anschluss kommt ein Mittelständler zu Wort, der die Probleme für die kleinen Firmen darlegt und sich dabei über das komplizierte deutsche Steuerrecht beschwert. Absurd deshalb, weil die Probleme, die die neuen Steuerregelungen bzw. überhaupt das deutsche Steuersystem kleinen Unternehmen bereiten, die Großkonzerne in der Regel nicht annähernd so stark betreffen. Wieso also wird hier ein Mittelständler bemüht, um das Gebrüll des BDI zu stützen? Zumal ja die mittelständischen Unternehmen massiv unter der Übermacht der Großkonzerne, die die Politik fest im Griff haben und zum Beispiel in der EU rund 97(!) Prozent der staatlichen Subventionen einstreichen, leiden.

Zudem ist es abstrus, in einem Beitrag über Gesetze zur Eindämmung der Steuerhinterziehung die Probleme des in der Tat überkomplizierten deutschen Steuerrrechts hineinzumischen. Dass die neuen Gesetze das deutsche Steuerrecht noch komplizierter machen, mag ja sein – doch das ist noch lange kein hinreichender Grund, in einem Artikel unter Berufung auf den BDI gegen diese neuen Gesetze zu wettern. Eine der wichtigsten Regeln im Journalismus ist: Fokus finden und beim Thema bleiben!

Ullas Dienstwagen und Merkels Learjet: Die Verlogenheit der Medien

Sonntag, 02. August 2009
Die Dienstwagen-Affäre von Ulla Schmidt war auch bei SPIEGEL Online Dauerthema - wenn sich hingegen Kanzlerin Merkel auf Staatskosten privat durch die Gegend kutschieren und gar fliegen lässt, so ist dies für den SPIEGEL komischwerweise kein Aufreger.

Die Dienstwagen-Affäre von Ulla Schmidt war auch bei SPIEGEL Online Dauerthema - wenn sich hingegen Kanzlerin Merkel auf Staatskosten privat durch die Gegend kutschieren und gar fliegen lässt, so ist dies für den SPIEGEL komischwerweise kein Aufreger.

Der Blog Politprofiler hat am 28. Juli einen interessanten Beitrag gebracht zur so genannten Dienstwagen-Affäre von Ulla Schmidt. Darin heißt es:

Bayern Aktuell berichtet z. B., dass es gang und gäbe sei, dass Politiker ihre Dienstwagen für private Unternehmungen benutzen. Die ‚Schreibende Gilde‘ unserer freien Medien beschäftigt sich aber nicht mit der Tatsache, dass ‚ALLE‘ es genauso wie Ulla Schmidt machen – NEIN – sie beißen sich in der SPD fest. Das ist kein freier Journalismus mehr, das politisch motivierte Stimmungsmache unter Verschleierung von Wahrheiten.

Unsere Journalisten und vor allem die Redakteure, die die Themen für die Printausgaben auswählen, sollten sich überlegen, welcher freiwilligen Zensur sich sich bereits unterworfen haben. Das gleiche gilt auch die Fernsehanstalten. Besonders für die ‚öffentlich Rechtlichen‘, die gerade wegen ihrer politischen Neutralität auf die GEZ-Gebühren pochen und bis zum Exzess einklagen.

Kanzlerin Merkel promotet auf Staatskosten ihr Buch – und kein Medium regt sich darüber auf
In der SPIEGEL-Printausgabe vom 11. Mai war ein ausführlicher Bericht über die Fahrt unser Bundeskanzlerin, Angela Merkel, zu Ihrer Ferienwohnung [in Hohenwalde] mit Dienstwagen und Chauffeur zu lesen.[1] Damals lag es den führenden deutschen Medien fern, es als Dienstwagenaffäre aufzubauschen. Einer Kanzlerin aus der CDU spuckt schließlich keiner in die Suppe – da wurde lieber auf einen Fehler der SPD gewartet, bis diese Affäre einseitig ausgeschlachtet werden konnte…

Einseitiger kann die Berichterstattung [der Medien] nicht mehr werden. Vor einigen Tagen war Angela Merkel zur Vorstellung ihres neuen Buches auf Sylt, was wohl als private Angelegenheit angesehen werden kann. Aber nein, sie ließ sich nicht mit dem Dienstwagen chauffieren, sondern sie benutzt gleich mal den Learjet für den kurzen 90-minütigen Abstecher nach Sylt.

Hier ein Bericht über den Kanzler-Jet: ‚… eine Bundeskanzlerin schwebt im A310 VIP ein. Vielleicht wird sie kurz vor der Landung noch einmal in den Spiegel des mit Kirschholzimitat vertäfelten Badezimmers schauen, den Lidstrich nachziehen. Willkommen bei Merkel-Lines!'“

Auch der SPIEGEL nahm an diesem Learjet-Ausflug der Kanzlerin auf Staatskosten keinen Anstoß.

Siehe dazu auch den Beitrag „Merkels Learjet und Ullas Dienstwagen“ des Blogs Kritik und Kunst.

[1] Hier handelt es sich um den Artikel „Die deutsche Queen“ (siehe dazu auch den SPIEGELblog-Bericht „Alexander Osang: Hofberichterstattung für Angela Merkel“).