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Angeblich wirksamer HIV-Impfstoff: Wie SPIEGEL Online Big Pharma mal wieder auf den Leim ging

(Mit Dank an Georg)

Typisch auch für den SPIEGEL: Man nimmt einfach eine Pressemitteilung von Forschern und gibt diese ungeprüft an die Leserschaft weiter. [1]So geschehen etwa auf SPIEGEL Online am 24. September bei der Meldung: „Neue Kombi-Impfung kann vor HIV schützen“ [1] (siehe ersten Screenshot). Das klingt fantastisch, und im Vorspann schreibt SPIEGEL-Online-Autorin Heike Le Ker, die im Oktober 2008 bereits den Gebärmutterhalskrebsimpfstoff fälschlicherweise als „hochwirksam“ hochgejubelt hatte (SPIEGELblog berichtete [2]), weiter:

„Durchbruch bei der Suche nach effektiver Immunisierung gegen HIV? Thailändische Forscher haben beim bisher größten Impfstofftest immerhin eine geringe Schutzfunktion festgestellt. Ihre Strategie: Sie kombinierten zwei alte, wenig wirksame Arzneien.“

[3]Klingt alles super, doch jetzt stellt sich heraus, wie etwa die Süddeutsche [4] und auch das Wall Street Journal [5]berichten, dass die Studienergebnisse, auf die sich Heike Le Ker für ihre Jubelstory berief, eine PR-Luftblase oder gar Mogelpackung waren. So „haben Wissenschaftler, die nicht an der Studie beteiligt waren, inzwischen Einblick in die Daten bekommen“, so die Süddeutsche. „Sie kritisieren nun, der Impfschutz liege allenfalls bei 26 Prozent, wenn man die Daten statistisch korrekt auswerte. Damit läge das Ergebnis unterhalb der in Medizinstudien üblichen Signifikanzschwelle. Dass sich die geimpften Versuchsteilnehmer weniger häufig infiziert hatten, könnte mithin reiner Zufall sein.“

Kurzum: Was SPIEGEL Online mit siner Headline am 24. September suggierte, nämlich dass „eine neue Kombi-Impfung vor HIV schützen kann“, ist selbst aus Sicht der etablierten Medizin wissenschaftlich nicht haltbar.

Pikant ist dabei vor allem auch, dass die Studiendaten, die Heike Le Ker zu ihrer Jubelstory veranlasste, auf einer Pressekonferenz verkündet wurden, ohne dass andere Forscher die Daten vorab begutachten konnten – und dennoch hat Heike Le Ker ihre Jubelstory ungeprüft an ein Millionenpublikum weitergereicht. Dass in der etablierten Forschung massiv manipuliert und geschummelt wird, scheint der Autorin immer noch nicht bewusst zu sein (siehe dazu meinen Artikel „Warum Journalisten auch den angesehenen Wissenschaftszeitschriften nicht blindlings vertrauen sollten“ für die Medienfachzeitschrift message [6]).

Und nicht einmal konnte sich SPIEGEL Online bis dato dazu durchringen, so wie die Süddeutsche oder das Wall Street Journal, über die Kritik an den Veröffentlichungen Ende September zu berichten. Nach dem Motto: Jubeln tun wir gerne für Big Pharma, doch Kritik verschweigen wir.

Luc Montagnier: „Aus Profitgründen fokussiert man sich auf Medikamente und Impfstoffe – dabei sollte man sich lieber um den Aufbau der Immunsysteme kümmern“
PS: Selbst Luc Montagnier, der vergangenes Jahr für seine angebliche Entdeckung von HIV den Nobelpreis erhielt [7], kritisiert aktuell in einem Interview mit Brent Leung, Macher der mehrfach preisgekrönten Dokumentation „House of Numbers: The HIV/AIDS Story is Being Rewritten“ [8], dass sich Big Pharma und die Politik aus Profitgründen viel zu sehr auf die Suche nach Medikamenten und Impfstoffen fokussiert (siehe zweiten Screenshot). Stattdessen, so Montagnier, solle man sich lieber um den Aufbau des Immunsystems der Betroffenen kümmern – doch dies werde total beseite geschoben. Der SPIEGEL bildet hier keine Ausnahme.

Die Doku „House of Numbers“ wird am 5. November in Hamburg beim Radar Filmfestival [9] zu sehen sein.