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SPIEGEL-Titel über „Angela M.“: Die Kanzlerin verweigert sich nicht, wie das Magazin behauptet, „AUS FURCHT VOR DEM WÄHLER“ einer Debatte über die Zukunft des Landes – sondern AUS RÜCKSICHT VOR DER GROSSINDUSTRIE!

„[Die] gewissermaßen klassische und zum Glück inzwischen keineswegs mehr unkritische Vorstellung, die wir von ‚Lobbyismus‘ haben, … besagt: Lobbyisten wirken von außen in das Parlament, in die Regierung, in die Verwaltung und in die Parteien hinein. Und in der Tat: Diese Art Lobbyismus besteht nach wie vor und expandiert unvermindert weiter. Weitaus wichtiger ist jedoch eine neue Form des Lobbyismus, die noch gar nicht als solche bezeichnet wird: Diese Lobby sitzt längst im Staat, und vielfach wird sie von ihm sogar bezahlt.“
Werner Rügemer, „Die unterwanderte Demokratie: Der Marsch der Lobbyisten durch die Institutionen“ [1], Blätter für deutsche und internationale Politik, 8/2013, Seite 67-76

[2]

SPIEGEL-Titel vom 9. Sept. 2013: „Die neue Selbstgefälligkeit der Angela M.“

Der neue SPIEGEL-Titel „Die neue Selbstgefälligkeit der Angela M.“ (siehe auch Bild links) erscheint für den unbedarften Betrachter auf den ersten Blick kritisch. Doch bei näherer Betrachtung geht die Titeltgeschichte am eigentlichen Thema vorbei. So wird darin folgende völlig verklärende zentrale These aufgestellt [Hervorhebung durch SPIEGELblog):

„Die Kanzlerin verweigert sich im Wahlkamp einer Debatte über die Zukunft des Landes – AUS FURCHT VOR DEM WÄHLER.“

Und auf S. 28, also in der Titelgeschichte selber, heißt es dazu:

„Sollte Merkels Kanzlerschaft am Ende scheitern, DANN SCHEITER SIE AN DER FUCHT VOR DEM WÄHLER. Jeder große Kanzler hat sich irgendwann entschlossen, Entscheidungen zu treffen, die erst einmal nicht den Applaus der Bürger fanden. Bei Merkel steht das noch aus.“

Das ist natürlich Quatsch mit Soße.

Denn Angela Merkel braucht im Grunde gar keine Angst vor dem Wähler zu haben. Denn es ist ja so: Überall fließen die (Steuer)Gelder zum Hauptteil in Richtung Großkonzerne, sei es nun im Bankensenktor, in der Landwirtschaft, im Medizin-/Pharmabereich oder sonstwo. Wenn hier die Geldströme seitens der Regierung umgelenkt würden in Richtung Gemeinwohl, so bräuchte die Kanzlerin nicht nur keine Angst zu haben vor dem Wähler, sondern sie würde vielmehr die Herzen von unzähligen Wählern im Sturm gewinnen. Doch das geschieht eben nicht, weil die Lobbyisten der Finanz-, Agro-, Pharma- und sonstwas-Industrien die Politik inklusive Kanzlerin fest im Griff haben…

Das belegt auch der eingangs mit einem Zitat aufgeführte Werner Rügemer mit seinem Artikel „Die unterwanderte Demokratie: Der Marsch der Lobbyisten durch die Institutionen“ [1] (Blätter für deutsche und internationale Politik, 8/2013, Seite 67-76). Demnach „vertreten nicht nur Banken, [sondern] auch Bau-, Pharma- und andere Konzerne die Interessen ihrer Unternehmen und Branchen unter staatlicher Tarnkappe “ und halten damit de facto das Regierungszepter in ihren Händen.

Folglich verweigert sich die Kanzlerin Angela Merkel in Wahrheit nicht, wie es der SPIEGEL mit seiner aktuellen Titelgeschichte seinem Millionenpublikum weismachen will, AUS FURCHT VOR DEM WÄHLER einer ernsthaften Debatte über die Zukunft des Landes, sondern AUS RÜCKSICHT VOR DER GROSSINDUSTRIE, deren Vasallin sie letztlich ist. Denn es ist eben die brutale, omnipräsente Lobbyarbeit allen voran von den Großkonzernen, die die Regierungsvertreter inklusive Kanzlerin zu Marionetten degradiert und so echte Lösungen im Sinne des Gemeinwohls (= der Bürger) verhindert.

Vor diesem Hintergrund erscheint auch nachvollziehbar, was hintergrund.de erst kürzlich schrieb, nämlich dass „die systematische Verarmung seit Langem [durch die Bundesregierung] geplant und politisch gewollt ist“ [3]. Mit anderen Worten: Die Politik dient primär den Interessen von Großkonzerne, wodurch sich konsequenterweise ergibt, dass die Allgemeinheit verarmt. Denn wo es Gewinner gibt, gibt es in der Regel auch Verlierer.