Bei Ehec schürt der SPIEGEL die Panik, was das Zeug hält – beim Thema „Krebs durch Handys?“ hingegen beschwichtigt man nur zu gerne, ganz im Sinne der Industrie

  01. Juni 2011, von T. Engelbrecht
Quelle: SPIEGEL Online

Es ist schon bemerkenswert: Während der SPIEGEL beim Thema Ehec mal wieder ganz vorne auf der Panikwelle mitsurft und dabei jedes noch so unbewiesene Detail seinem Millionenpublikum als großes Faktum verkauft, ist man beim Thema Handys und Krebs vor allem darum bemüht zu beschwichtigen – ganz im Sinne der Mobilfunkindustrie.

Am 26. Mai schreibt SPON noch: „Spanische Gurken als Ehec-Quelle identifiziert“
Erinnern wir uns: Erst am 26. Mai brachte SPIEGEL Online die Schlagzeile „Spanische Gurken als Ehec-Quelle identifiziert“. Doch das hat sich ja nun als falsch herausgestellt (siehe z.B. SPON-Artikel vom 31. Mai „Darmkeime auf spanischen Gurken lösten Ehec-Seuche nicht aus“) Abermals zeigt sich hier, das es um die Recherchequalität beim „Sturmgeschütz der Demokratie“ nicht zum Besten bestellt ist und dass man nur zu gerne blind auf die Aussagen des von der Industrie durchdrungenen Robert Koch Institut vertraut. Die Schweinegrippepanikmache der Medien – und allen voran des SPIEGEL – lässt grüßen, wie auch das ZDF-Magazin Frontal 21 gestern Abend anmerkte

Was wiederum das Thema „Krebs durch Handys?“ angeht, so ist der SPIEGEL in der Regel auf industriefreundlichem bzw. faktenfernem Kurs (SPIEGELblog berichtete mehrfach, z.B. in dem Beitrag „Der SPIEGEL über Handystrahlung und Krebs: Berichterstattung im Stile einer PR-Abteilung der Mobilfunkindustrie“). So zu erkennen auch heute in dem Beitrag „WHO sieht möglichen Zusammenhang zwischen Handys und Krebs“ (siehe auch Screenshot).

„Der SPIEGEL-Beitrag zur WHO-Analyse grenzt an Realitätsverweigerung“
So wird in diesem Artikel sogleich wieder beschwichtigt, indem man schreibt: „einen Beweis, dass die Strahlung den Krebs verursacht, gibt es allerdings weiterhin nicht… Experten konnten bisher keinen Anstieg der Zahl von Hirntumoren in der Bevölkerung entdecken.“

Das Problem daran: „Dieser SPIEGEL-Beitrag ist wie ein schlechter Witz und grenzt an Realitätsverweigerung“, so der Medizinprofessor Wilhelm Mosgöller. „Denn wenn der SPIEGEL sagt, es gibt in der Epidemiologie nichts, was auf einen Zusammenhang von Handynutzung und Krebs schließen lässt, dann möglicherweise deshalb, weil es nach 15 Jahren nicht geben kann, was 40 Jahre braucht, um sich zu manifestieren.“

Im Übrigen, so Mosgöller, sei das Votum der WHO primär ein Auftrag für die Wissenschafter. „Aber jeder kann sein Risiko mimimieren, indem er beim Handykauf auf niedrige ‚SAR‘ achtet, sich für lange Gespräche einen Ohrkopf nimmt, sich kurz hält, und nicht ’non stop‘ telefoniert, sondern Pausen einlegt,“ ergänzt der Medizinprofessor.

Darüber hinaus behauptet der SPIEGEL in diesem Artikel erneut, die Interphone-Großstudie, die in 13 Staaten durchgeführt worden war und auf die sich die WHO-Experten maßgeblich beziehen, hätte keine Hinweise auf Krebsgefahr durch Handys erbracht.

Doch das ist so nicht korrekt.

So konstatiert selbst Elisabeth Cardis, die Koordinatorin der Interphone-Studie, noch mal ausdrücklich in einem Artikel, der in der diesjährigen März-Ausgabe des Fachmagazins Occupational and Environmental Medicine abgedruckt ist, dass bei Langzeitnutzern des Mobiltelefons insgesamt ein Anstieg von Hirntumoren zu sehen ist und dass deshalb Vorsorgemaßnahmen sinnvoll erscheinen.

SPIEGEL Online verschweigt abermals die um die Designfehler korrigierten Werte der Interphone-Studie zu Handys und Gehirnkrebs
Zu bedenken ist außerdem, dass die Interphone-Studie entscheidende Designfehler aufweist, die der SPON-Beitrag so genau nicht benennt. So erwähnt SPON nicht, dass es keine echte Kontrollgruppe von Personen ohne Gehirntumor gab, die keiner Mobilfunkstrahlung ausgesetzt waren.

Diese Designfehler realisierten auch die Autoren bei der Auswertung. Entsprechend korrigierten sie die Ergebnisse – und es ergab sich ein alarmierendes Bild, das SPON ebenfalls verschweigt:

Nun war die Häufigkeit, an einem Hirngewebetumor zu erkranken, nach mehr als zehn Jahren Handynutzung um das Doppelte erhöht. Die Tabelle mit den korrigierten Werten war ursprünglich auch Teil der Interphone-Publikation, doch dann wurde sie entfernt – offenbar auf Drängen industrienaher Forscher innerhalb des Teams. Die Beiräte des Fachmagazins forderten jedoch deren Veröffentlichung. In einem Kompromiss fügt man die korrigierte Tabelle als „Appendix 2“ an die Online-Ausgabe an – im Hauptdokument wird sie jedoch nicht erwähnt, und sie muss separat heruntergeladen werden.

 

6 Kommentare zu “Bei Ehec schürt der SPIEGEL die Panik, was das Zeug hält – beim Thema „Krebs durch Handys?“ hingegen beschwichtigt man nur zu gerne, ganz im Sinne der Industrie”

  1. Frank sagt:

    „Doch das hat sich ja nun als falsch herausgestellt.“
    —> 404 – Nicht gefunden
    Der „Gurken-Link“ fehlt offensichtlich.

    Mehr Infos über die „Seuche“ hätte ich mir gewünscht, aber wir sind hier ja nicht bei „Wünsch Dir was!“…und die Infos zur Handystrahlung sind auch interessant.
    Danke

  2. Earthling sagt:

    […]
    Der Wettbewerb zwingt zur Erschließung neuer Märkte. Das Ziel muss die Umwandlung aller Gesunden in Kranke sein, also in Menschen, die sich möglichst lebenslangsowohl chemisch-physikalisch als auch psychisch für von Experten therapeutisch, rehabilitativ und präventiv manipulierungsbedürftig halten, um „gesund leben“ zu können.Das gelingt im Bereich der körperlichen Erkrankungen schon recht gut, im Bereich der psychischen Störungen aber noch besser, zumal es keinen Mangel an Theorien gibt, nachdenen fast alle Menschen nicht gesund sind.
    […]

    Gesundheitssystem: In derFortschrittsfalle
    Deutsches Ärzteblatt 99,
    Ausgabe 38 vom 20.09.2002, SeiteA-2462 / B-2104 / C-1970
    THEMEN DER ZEIT

    Quelle:
    http://deutsches-ärzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&id=32976

  3. Gregor sagt:

    ndr – zapp – 01.06.2011 23:05 Uhr

    EHEC: Faktenarmer Katastrophenhype

    Es gibt ein Bild des EHEC Erregers. Jedenfalls wurde das den Journalisten so gesagt. Nachprüfen können sie das nicht. Also wird dieses Bild überall in den Medien verbreitet. Ähnlich war es mit der Gurke. Schon nach kurzer Zeit galt sie als Quelle der Epidemie. Auch das können Journalisten nicht nachprüfen. Aber es muss ja berichtet werden. Also schaffte es die Gurke in Nachrichtensendungen, auf Zeitungstitel, in Fotostrecken. Überall wurde sie verurteilt, die Gurke. Und nun stellt sich heraus – zu Unrecht. Vielleicht, denn wissen kann das ja noch niemand.

    http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/medien_politik_wirtschaft/ehec431.html

  4. Earthling sagt:

    Wenn ich mir meinen Kommentar so durchlese…

    Man kann doch keinen Blogeintrag posten der gegen Mobilfunk ist und als Werbung kommt die Frage:
    „Leiden sie an einem Hirntumor?“, darüber ist eine Blackberry-Werbung geschaltet…
    Kopfschüttel…
    Erst wenn ihr alles verkauft habt, dann werdet ihr wohl wach werden…

    Ich gehe jetzt meinen Gehirntumor behandeln…
    Werbefreie Grüsse

  5. Gregor sagt:

    Neues aus dem EHEC-Hauptquartier 😉

    http://www.youtube.com/watch?v=k53LK1jkZ1E

  6. Thomas Schreier sagt:

    Die ganz besonders hohe „Qualität“ des SPIEGEL zeigt sich im Kommentar „DIE-ANGST-MACHER“.*
    Das geistlose Elaborat des JÖRG BLECH liest sich nicht nur wie eine Werbeeinschaltung der MOBILFUNK-INDUSTRIE, sondern unterschlägt (!) auch eine aktuelle, durchaus wissenschaftliche (…) Veröffentlichung**, die Zusammenfassung lautet (Zitat):
    „Die Autoren schlussfolgerten, dass das Risiko für bösartige Hirntumore mit der Latenzzeit und den kumulativen Nutzungsstunden von Mobiltelefonen und schnurlosen Telefonen anstieg und [Bem. TS: mit dem 4,9-fachen (!)] am höchsten bei Personen mit der ersten Nutzung vor dem Erreichen des Alters von 20 Jahren war.“
    Das SPIEGEL-Elaborat ist für die Desinformationskampagne des PROPAGANDA- UND LOBBYING-VEREIN der Österreichischen MOBILFUNK-INDUSTRIE („FORUM MOBILKOMMUNIKATION – FMK“) so ideal, das sogar darauf hingewiesen*** wird!

    * http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-78832422.html
    ** http://www.emf-portal.org/viewer.php?aid=19022&l=g
    *** http://www.fmk.at/Forschung/News/2011/Die-Angst-Macher

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