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Der SPIEGEL behauptet: „Die Erderwärmung ist seit 10 JAHREN ins Stocken geraten“ – doch das ist so nicht haltbar

Im SPIEGEL der ablaufenden Woche (Nr. 47 vom 16. Nov.) lesen wir auf [1]Seite 134: „Die Erderwärmung ist ins Stocken geraten: Seit ZEHN JAHREN steigt die globale Durchschnittstemperatur nicht weiter an“ [1] (siehe auch Screenshot). Doch das ist so nicht haltbar. Kritisiert – oder besser: diffamiert – wird in dem Beitrag vor allem der Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, der von SPIEGEL-Autor Gerald Traufetter als uneinsichtiger Trotzkopf hingestellt wird (siehe auch den SPIEGELblog-Bericht über Traufetters Artikel über Aquafarmen [2]). Doch anstatt zu diffamieren, hätte Traufetter lieber mal konsequent beim eigenen Thema – dem Zeitraum der vergangenen ZEHN JAHRE – bleiben sollen.

Der SPIEGEL argumentiert unseriös, weil er nur im Vorspann von den „vergangenen 10 Jahren“ spricht – im Artikel selber dagegen nur von „den letzten Jahren“ und „den letzten 5 Jahren“
Rahmstorf: „Wer meine Ausfühungen und den SPIEGEL-Artikel aufmerksam liest, der wird feststellen: Die These des SPIEGEL-Artikels beruht allein auf einer Verwirrung über die unterschiedlichen Zeiträume.“ Tatsächlich spricht Traufetter nämlich nur im Vorspann von „zehn Jahren“, im Lauftext hingegen nur noch von „den letzten Jahren“ und dann explizit von „den vergangenen fünf Jahren“.

Tatsächlich stimmt Rahmstorf mit renommierten und auch von Traufetter hochgehaltenen Forschern wie Mojib Latif vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften darin überein, „dass die Temperaturen durch die Treibhausgase nicht von einem Rekord zum anderen eilen, sondern natürlichen Schwankungen unterliegen“. Doch die Behauptung des SPIEGEL-Artikels, „seit ZEHN JAHREN steigt die globale Durchschnittstemperatur nicht weiter an“, ist, wie gesagt, so nicht haltbar. „Denn für die vergangenen zehn Jahre gilt dies nur dann, wenn man die Arktis ausklammert – also nicht global“, so Rahmstorf. „Dieser Analyse widerspricht in dem SPIEGEL-Beitrag niemand, und ich stehe damit auch nicht alleine da, wie behauptet wird, sondern dies wird von den meisten Kollegen geteilt – wie unter anderem die in wenigen Tagen erscheinende Copenhagen Diagnosis [3] zeigt.“ Die Copenhagen Diagnosis ist ein von 26 führenden Klimatologen erarbeitetes Update zur Klimawissenschaft.

„Der SPIEGEL-Artikel konstruiert also einen Scheinwiderspruch“, so Rahmstorf, „weil er, wie gesagt, im Artikel selber nicht mehr von den letzten zehn Jahren, sondern von ‚den letzten Jahren‘ und dann explizit von ‚den vergangenen fünf Jahren‘ spricht, in denen der globale Trend in der Tat negativ ist. Das zeige ich auch in einem meiner eigenen Beiträge. Nur – über fünf Jahre ist dies nichts Ungewöhnliches, sondern im Laufe der letzten 30 Jahre immer wieder einmal vorgekommen, ohne dass dies zu großen Diskussionen oder einer nachhaltigen Pause in der globalen Erwärmung geführt hat.“

SPIEGEL-Autor Traufetter diffamiert Rahmstorf – anstatt einfach mal nachzurechnen
Der SPIEGEL-Artikel erwähnt zudem noch eine Prognose von Latif und Koautoren (Keenlyside et al., Nature 2008 [4]). Diese bezieht sich spezifisch auf den Mittelwert über den Zeitraum 2000 bis 2010, der laut Keenlyside et al. kühler werden soll als der Mittelwert 1994 bis 2004… Hier geht es also gar nicht um den im Vorspann des SPIEGEL-Beitrags zum zentralen Thema erkorenen Trend der vergangenen zehn Jahre und auch nicht um einen Trend der vergangenen fünf Jahre, sondern um die Frage: Werden die Jahre 2000 bis 2010 im Mittel kühler als die Jahre 1994 bis 2004?

„Wenn dies so wäre, so wäre dies in der Tat sehr ungewöhnlich und stünde im Widerspruch zu den Klimamodellen, die so etwas nicht zeigen“, so Rahmstorf. Bislang, so Rahmstorf weiter, sehe der Zwischenstand aber hier so aus – und zwar auf Basis der HadCRUT3-Daten, also denen mit dem Loch in der Arktis, weil dies der von Keenlyside et al. verwendete Datensatz sei:

Mittelwert 1994 bis 2004: 0,36 ºC.

Mittelwert 2000 bis einschließlich Oktober 2009: 0,43 ºC.

Damit die von Keenlyside et al. prognostizierte Abkühlung noch eintritt, müssten die verbleibenden 12 Monate im Mittel minus 0,19 ºC oder kälter sein – also satte 0,6 Grad kälter als der Mittelwert seit 2000. „Ein solcher Temperatursturz ist in den 160 Jahren der HadCRUT3-Zeitreihe noch niemals aufgetreten“, so Rahmstorf. Um die von Latifs Team prognostizierte Abkühlung für äußerst unwahrscheinlich zu halten, muss man daher kein „düsterer Prophet“ sein, wie Traufetter den Forscher Rahmstorf – durchaus diffamierend – nennt, und auch kein „Pokerspieler“, wie er Rahmstorf ebenfalls abkanzelt. „Man muss einfach nur rechnen können,“ so Rahmstorf.

Die komplette Antwort von Stefan Rahmstorf auf den SPIEGEL-Artikel: „Klimapause, die Zweite“ [5].