Der SPIEGEL denunziert die Gewerkschaft ver.di auf Basis von Falschaussagen – und unterzeichnet dann eine Unterlassungserklärung

  28. Januar 2010, von T. Engelbrecht

(Mit Dank an Hanna W.)

Der selbstbekundete Anspruch des SPIEGEL lautet: “Der SPIEGEL steht für investigativen Journalismus und zeichnet sich durch gründliche und gute Recherche aus.” Doch die Wirklichkeit sieht mitunter anders aus.

Die Behauptung des SPIEGEL, "viele Ver.di-Angestellte müssen Lohneinbußen hinnehmen", ist offenbar falsch (Ausgabe 1/2010, 4. Jan. 2010, S. 34)
Die Behauptung des SPIEGEL in Ausgabe 1/2010, „viele ver.di-Angestellte müssen.. Lohneinbußen hinnehmen“, ist offenbar falsch.

So brachte das Nachrichtenmagazin auf S. 32 seiner ersten Ausgabe 2010 den Beitrag „Gewerkschaften: Anspruch und Wirklichkeit“ (siehe Ausriss). Darin wird behauptet, die Dienstleistungsgewerkschaft „ver.di fordert fünf Prozent mehr Lohn für den Öffentlichen Dienst. Viele ver.di-Angestellte müssen dagegen Lohneinbußen hinnehmen.“ Dies klingt nach einer regelrechten Skandalstory, die auch von systemkritischen Plattformen wie Syndikalismus.tk aufgegriffen wurde. Das Problem daran: Die Aussage des SPIEGEL, viele ver.di-Angestellte müssten Lohneinbußen hinnehmen, stimmt offenbar nicht. Dasselbe gilt für zwei weitere un damit insgesamt drei Passagen in einem Artikel, der wohlgemerkt gerade einmal eine Seite umfasst.

ver.di ging folglich gegen diese drei faktisch nicht haltbaren und denunzierenden Aussagen in dem Artikel vor – mit der Konsequenz, dass der SPIEGEL nun diesbezüglich eine Unterlassungerklärung unterzeichnet hat, wie die Pressestelle von ver.di SPIEGELblog mitteilte.

Der besagte SPIEGEL-Artikel ist auch online nicht mehr verfügbar, und selbst aus dem Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 1/2010, das auf der Website des Nachrichtenmagazins einsehbar ist, wurde der Beitrag entfernt.

Wie SPIEGELblog zudem mitgeteilt wurde, steht dem SPIEGEL eine Klage auf Richtigstellung ins Haus.

Pikant an der Geschichte ist auch noch, dass der SPIEGEL die Gewerkschaft im eigenen Haus im Nacken hat, und zwar wegen unangemessener Bezahlung und Arbeitsbedingungen bei seinem Call-Center Quality Service (QS), das schon mal für Furore gesorgt hat (SPIEGELblog berichtete). Ver.di hat dazu gestern eine Pressemitteilung herausgegeben. Darin heißt es:

„Der Verhandlungsführer und ver.di-Fachbereichsleiter Martin Dieckmann hat die Geschäftsführung von QS umgehend zu Verhandlungen aufgefordert. ‚Wir wollen faire Gehälter, und dabei haben wir nicht nur im Auge, dass QS ein wachsendes Unternehmen, sondern auch ein erfolgreiches Tochterunternehmen des SPIEGEL-Verlages ist.'“

Im Übrigen hatte der SPIEGEL erst kürzlich – kurz vor der Bundestagswahl 2009 – eine Unterlassungserklärung unterzeichnet, und zwar im Zusammenhang mit denunzierenden Auslassungen über einen Mitarbeiter des LINKEN-Abgeordneten Diether Dehm.

 

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