Teure Solarförderung? Wie der SPIEGEL Christoph Schmidt vom RWI und letztlich der Atomlobby eine „kuschelige“ PR-Plattform bietet

Monsanto&Co., Big Pharma, Mobilfunkkonzerne, Steuerheuchler wie CDU-Ministerpräsident Ole von Beust, die Kanzlerin Angela Merkel usw. – die Liste der Machtcliquen, denen der SPIEGEL gerne eine Art PR-Plattform bietet (das heißt, es werden Aussagen ungeprüft an das Millionenpublikum weitergetragen), ist lang. Und nun kommt auch noch die Atomlobby hinzu.
Da darf der so genannte Wirtschaftsweise Christoph Schmidt auf SPIEGEL Online frei heraus „warnen“, dass „die Regierung einen riesigen Fehler begeht, indem sie Solarstrom mit riesigen Beträgen fördert“. Die Sonnenenergie, so Schmidt weiter, sei die teuerste aller Techniken, um CO2 zu vermeiden: Inzwischen bedrohe sie Jobs und belaste die Kaufkraft der Bürger.
Schmidts Aussagen waren SPIEGEL Online so wichtig, dass die Meldung auf der Website lange Zeit als großer Aufmacherartikel gefahren wurde.
Christoph Schmid, dessen Aussagen SPIEGEL Online hoch hält, ist Präsident des RWI, das mit der Atomwirtschaft verbandelt ist
Sicher, man kann sich ja kritisch mit der Solarförderung auseinandersetzen, aber muss es so einseitig, faktenfern und lobbygetrieben sein, wie es SPIEGEL Online hier tut? Und wieso bekommt nicht mal jemand, der der Atom- bzw. Großenergielobby kritisch gegenübersteht, ein derartig „kuscheliges“ PR-Forum vom Nachrichtenmagazin geboten? Es ist schon auffällig, wie sehr der SPIEGEL immer wieder den Machtcliquen ein Forum bietet – und was für welchen!
So ist Schmidt Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI). Das RWI bezeichnet sich selbst als eines der „sechs führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute“. Und da man unabhängig arbeiten will, hat man eine „Gesellschaft der Freunde und Förderer des RWI Essen“ gegründet. Diese verfolgt, so wirbt sie, „ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Zuwendungen an die Gesellschaft sind daher steuerlich abzugsfähig.“
Doch wie unabhängig ist das RWI wirklich? So war der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Atomkraftwerksbetreibers RWE AG, Dr. Dietmar Kuhnt, viele Jahre Präsident dieser Fördergesellschaft. Mitte 2008 wurde Dr. Rolf Pohlig, Finanzvorstand der RWE AG, zum stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrats des RWI Essen und zum Präsidenten der Gesellschaft der Freunde und Förderer des RWI Essen gewählt. Mancher findet das zumindest bemerkenswert, gerade weil das RWI selber Atomkraftwerksbetreiber ist und auch immer wieder mit atomkraftfreundlichen Mitteilungen glänzt.
SPIEGEL Online verschweigt: Energiepolitik der Bundesregierungen kommt den Steuerzahler extrem teuer zu stehen
Doch damit nicht genug, sind die Aussagen von Schmidt bei näherer Betrachtung doch ziemlicher Schmarn. In Wahrheit nämlich wird die Kaufkraft der Bürger, um die sich Schmidt auf SPIEGEL Online solche Sorgen machen darf, vor allem dadurch geschmälert, dass die Stromkonzerne – dank der konzernfreundlichen Politik der Bundesregierungen – unverschämt hohe Gewinne einfahren.
Allein die RWE AG hat 2008 – trotz Wirtschaftskrise – einen Nettogewinn von knapp 3,4 Mrd. € eingefahren. Bei den anderen Energieriesen Vattenfall, E.ON und EnBW, die als Oligopol den deutschen Markt beherrschen, sieht es vergleichbar rosig aus. Ein dicker Batzen dieser Milliardengewinne gehört also eigentlich uns Steuerzahlern. Denn die Gewinne würden ja nicht bei RWE&Co. in dem exorbitanten Ausmaß landen, wenn die von den Steuerzahlern finanzierten Politiker eine Energiepolitik betrieben hätten, die im Sinne der Steuerzahler und nicht der Großkonzerne ist.
An dieser Situation wird sich aber wohl leider so schnell nichts ändern. Denn mit diesen Milliardenprofiten in der Tasche mästen die Energieriesen dann u.a. ihre „Pappenheimer“ aus Politik und Wissenschaft (wie diesen Christoph Schmidt), damit diese ihnen auch weiterhin dicke Gewinne bescheren und sie daran auch weiterhin partizipieren können.
Und der SPIEGEL agiert dann als williger Helfer dieses Schmierenstücks.
SPIEGEL Online verschweigt auch: Atomstrom ist für den Steuerzahler teurer als Solarstrom
Dabei darf Schmidt auf SPIEGEL Online auch vorrechnen, dass sich die Nettokosten für alle von 2000 bis 2008 installierten Anlagen über die Laufzeit von 20 Jahren auf rund 35 Mrd. € summiert hätten. Das klingt zunächst gewaltig. Doch die Zahl relativiert sich, wenn man sich überlegt, dass man den vier Energieriesen pro Jahr jeweils nur 1 Mrd. € von ihren milliardenschweren Nettogewinnen abzwacken und den Steuerzahlern „zurückgeben“ müsste – und schon käme man für den von Schmidt erwähnten Zeitraum von acht Jahren auf 32 Mrd. €, also praktisch auf genau so viel.
Und was kosten uns Steuerzahler nicht andere Energieträger wie die Atomenergie? Diese Frage wird in dem Artikel überhaupt nicht gestellt. Dabei hat Greenpeace in einer Studie ausgerechnet, dass der deutsche Staat die Atomenergie zusätzlich zu den Stromkosten seit 1950 mit mindestens 165 Mrd. € gefördert hat. „Das entspricht einer Subventionierung des Atomstroms von 3,9 Cent pro Kilowattstunde (kWh) Strom“, so Greenpeace. „Hinzu kommen zukünftige Kosten für die Gesellschaft von 92,5 Mrd. €, die heute bereits absehbar sind.“
Doch damit nicht genug. Die Zuwendungen für die Atomkraft, so Greenpeace, lägen noch weitaus höher, wenn die Betreiber der AKW zudem für eine vollständige Haftpflichtversicherung im Fall eines nuklearen Unfalls aufkommen müssten. Würden bei Atomkraftwerken also die gleichen Haftungsregeln wie in anderen Wirtschaftsbereichen gelten, wäre Atomstrom um bis zu 2,70 €(!) – also 270 Cent – pro Kilowattstunde teurer und damit weder bezahlbar noch wettbewerbsfähig – und vor allem um ein zigfaches teuerer als Solarstrom.
Steuermilliarden für Asse und gefährlicher Uranabbau – nur zwei von 100 Gründen gegen Atomstrom
Vergessen wir dabei nicht, dass allein die Schließung des lecken Atommüllagers Asse mehrere Milliarden Euro verschlingen wird – an Steuergeldern wohlgemerkt, weil die Bundesregierung die Atomindustrie vollständig von den Kosten der Asse-Sanierung freizustellen gedenkt.
Und wie steht es um die Folgen des Uranabbaus, der für den Betrieb von Atomkraftwerken notwendig ist? Hierfür müssen sogar Menschen mit ihrer Gesundheit und sogar ihrem Leben bezahlen -, um einen weiteren von „100 guten Gründen gegen Atomkraft“ zu nennen.
Volkswirtschaftlich ist die Solarenergie nicht zuletzt auch deshalb ein Gewinn, da Rohstoffimporte gesenkt werden bzw. Landschaftsabgrabung (Braunkohle) damit vermieden werden. Zudem bleibt Wertschöpfung im Lande, und vor allem kleinere Betriebe profitieren davon (nebst „kleinen Kraftwerksbetreibern“). Und diese kleinen und mittleren Betriebe sind ja der Jobbmotor. Dies gilt besonders auch für den Solarbereich.
Wenn jetzt also Schmidt daherkommt und auf SPIEGEL Online behaupten darf, das Photovoltaik-Business brächte „für den deutschen Arbeitsmarkt keinerlei Vorteile“, so ist auch diese Aussage so brisant, dass sie dringend hätte überprüft werden müssen. Doch genau diese Überprüfung nimmt das Nachrichtenmagazin nicht vor – von Journalismus, der hinterfragt und faktisch einsortiert, hier also keine Spur.
Statt dessen fügt man nur noch Schmidts Hinweis hinzu, durch die Subventionierung der Solarbranche würden „auch Arbeitsplätze verloren gingen, zum Beispiel im konventionellen Kraftwerksbau“. Doch dies ist nicht nur eine Binsenweisheit, sondern ja gerade auch gewollt – jedenfalls von den Menschen, die der Auffassung sind, Kohle und Atom sollten in nicht allzu ferner Zukunft nicht mehr unsere Hauptenergieträger sein. Schmidt und SPIEGEL Online gehören offenbar nicht dazu.
Bei aller möglichen Kritik an der Solarförderung – einfach nur plattmachen, wie es Christoph Schmidt letztlich bei SPIEGEL Online tun darf, wird der Realität nicht gerecht.
Es ist im Übrigen nicht das erste mal, dass SPIEGEL Online derart pauschal gegen den Solarstrom wettert. Wie faktenfern dies im Oktober vonstatten gegangen ist, hat Greenpeace auf seiner Website aufgezeigt.

06. Dezember 2009 um 12:27
MIt Interviews holt man Meinungen und Einschätzungen verschiedener Seiten ein. Ich empfinde ihren Blog als paranoid.
06. Dezember 2009 um 12:40
@ Simon
Der Spiegel-Online-Beitrag ist kein Interview, sondern ein Artikel. Oder ist Ihnen der Unterschied nicht klar? Doch selbst wenn man den Artikel als Interview einstuft – gerade in einem Interview hätte man kritische Fragen stellen müssen, wenn man seinen Job als Journalist ernst nimmt. Das ist das Einmaleins im Journalismus.
Einfach nur das weiterreichen, was ein – letztlich mit der Atomlobby verbandelter – Wirtschaftsforscher so von sich gibt, ist doch ziemlich dünne.
Und dass der Spiegel „Meinungen und Einschätzungen von verschiedenen Seiten“ einholt, davon kann nun wirklich nicht die Rede sein. Dies findet weder in dem besagten Spiegel-Online-Beitrag statt noch generell. Oder wo ist der Artikel bzw. das Interview mit einem Experten, der den Sprechblassen von Christoph Schmidt kritisch gegenübersteht?
06. Dezember 2009 um 22:30
@Simon: Erst lesen, dann kommentieren.
07. Dezember 2009 um 07:26
Die versteckten Kosten der Atomenergie bekomme ich in meiner Region ständig zu sehen. Die Wismut beseitigt hier seit 20 Jahren alte Halden und Industrieanlagen aus der Uranabbauzeit, baut Kläranlagen die Arsen usw. zurückhalten. Die Halde Crossen bei Zwickau ist jetzt fast beseitigt, was über die ganze Zeit noch einmal Giftstaub aufgewirbelt hat.
Das ganze Muldental ist verseucht (gelegentlich Überschwemmungen). Betroffen auch eine Wiese mit Apfelbäumen bei Niederwinkel, die leider nicht vom Biobauern genutzt werden darf (mind. 20 km von der ehemaligen Aufbereitung in Crossen entfernt).
In der DDR-Zeit kam mein Physiklehrer eines Tages in die Klasse und erzählte von einem eindrucksvollen Besuch in einer Atomanlage. Wie sauber es dort zugeht. Er hatte einen schweren Behälter mit einem Isotop für das Physiklabor mitbekommen. Dank etwas Aufklärung durch Westfernsehen dachte ich nur für mich: „Du Vollidiot! Dreckige Kommunistensau! Den Supergau wünsche ich euch!“
07. Dezember 2009 um 07:42
Immer wieder der Streit zwischen Solar und Atom. Solar ist gut und richtig. Atomkraftwerke werden derzeit in Tschechien wieder neu gebaut. Richtig ist es, auch in dieser Technologie Weltmarktführer zu sein und als erste Nation ein funktionierendes Endlager zu bauen. Der Bedarf ist zwingend.
07. Dezember 2009 um 11:58
@RK
Richtig!
Ein funktionierendes Endlager für den Atom-Müll muss (endlich) her !
Die Grundlagen für den herbeigesehnten und praktisch nicht aufzuhaltenden Erfolg als Weltmarktführer in Sachen ordentliche und sichere Lagerung von Atommüll haben wir Deutschen ja durch unsere erstklassige „Forschung“ in der Asse II gelegt 😉
22. Dezember 2009 um 18:00
@RK
Weltmarktführer in der Entwicklung des Sektors Erneuerbarer Energien zu sein erscheint mir sinnvoller, als in eine Form der Energiegewinnung zu investieren, die uns abhängig von Importländern des spaltbaren Materials machen.
16. Mai 2010 um 17:09
Es ist die Rede von Leuten die „mit der Atomlobby verbandelt sind“. Und das wohl deswegen, weil sie Kernkraftwerke für notwendig halten. Wenn jemand saubere Luft für wichtig hält, oder sauberes Wasser, oder qualifizierte Arbeitsplätze oder gute Ausbildung der Kinder – zu welcher Lobby gehört er dann? Warum muss man jeden Menschen in ein Raster stecken, das der eigenen Denke entspricht? Warum muss man immer in das Geschrei der Meinungsmacher mit einstimmen?
17. Juli 2010 um 15:40
Eigentlich sollte jeder verantwortungsvoll entscheidende Politiker wissen, dass die Endlagerung atomaren Mülls ein Problem für alle Generationen nach unserer ein gewaltiges Problem darstellt. Aber dennoch wird der Atom-Lobby nachgegeben und über Laufzeit-Verlängerungen nachgedacht, bzw. beabsichtigt und vollkommen kontraproduktiv die Förderung der solaren Energiegewinnung gekürzt. Ältere Atomkraftwerke bergen noch ein ganz anderes, möglicherweise katastrophales, Problem. Aufgrund der komplexen Bauweise sind nämlich die periodisch zu prüfenden Schweissnähte am Reaktor-Druckbehälter lediglich abschnittsweise, also keinesfalls vollständig prüfbar. Die Prüfperiode für Atomkraftwerke beträgt derzeit 4 Jahre! Jedes Auto muss alle 2 Jahre zum TÜV, jedes Passagier-Flugzeug muss in kürzeren Zyklen einer technischen Prüfung unterzogen werden. Es scheint fast so, als wenn einmal Tschernobyl nicht gereicht hätte. Zu allem Überfluss wird die Prüfung von Atomkraftwerken durch den TÜV SÜD AG vorgenommen. Wen wundert es, dass der Hauptaktionär dieser AG der TÜV e.V. ist und dessen Vereinsmitglieder wiederum die führenden Energieversorgungs-Unternnehmen in Deutschland sind. Hier wechseln also die Prüfgebühren lediglich von der einen Tasche in die andere Tasche ein und der derselben Industrie. Gegen diese Macht und Kapital kommt anscheinend nicht einmal der energischste Politiker an. Es erscheint wie der Kampf von Don Quichotes Kampf mit den Windmühlen. Es wundert nur, dass die verantwortlichen Entscheider im Fall eines atomaren GAU nicht einfach vor der Strahlung flüchten können. Investiert doch die Milliarden besser in die vollkommen umweltfreundliche Solarenergie, Geothermie und Windkraft, anstatt in veraltete Atomkraftwerke und ungeeignete Endlager.