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Teure Solarförderung? Wie der SPIEGEL Christoph Schmidt vom RWI und letztlich der Atomlobby eine „kuschelige“ PR-Plattform bietet

Monsanto&Co. [1], Big Pharma [2], Mobilfunkkonzerne [3], Steuerheuchler wie CDU-Ministerpräsident Ole von Beust [4], die Kanzlerin Angela Merkel [5] usw. – [6]die Liste der Machtcliquen, denen der SPIEGEL gerne eine Art PR-Plattform bietet (das heißt, es werden Aussagen ungeprüft an das Millionenpublikum weitergetragen), ist lang. Und nun kommt auch noch die Atomlobby hinzu.

Da darf der so genannte Wirtschaftsweise Christoph Schmidt auf SPIEGEL Online frei heraus „warnen“, dass „die Regierung einen riesigen Fehler begeht, indem sie Solarstrom mit riesigen Beträgen fördert“. Die Sonnenenergie, so Schmidt weiter, sei die teuerste aller Techniken, um CO2 zu vermeiden: Inzwischen bedrohe sie Jobs und belaste die Kaufkraft der Bürger.

Schmidts Aussagen waren SPIEGEL Online so wichtig, dass die Meldung auf der Website lange Zeit als großer Aufmacherartikel gefahren wurde.

Christoph Schmid, dessen Aussagen SPIEGEL Online hoch hält, ist Präsident des RWI, das mit der Atomwirtschaft verbandelt ist
Sicher, man kann sich ja kritisch mit der Solarförderung auseinandersetzen, aber muss es so einseitig, faktenfern und lobbygetrieben sein, wie es SPIEGEL Online hier tut? Und wieso bekommt nicht mal jemand, der der Atom- bzw. Großenergielobby kritisch gegenübersteht, ein derartig „kuscheliges“ PR-Forum vom Nachrichtenmagazin geboten? Es ist schon auffällig, wie sehr der SPIEGEL immer wieder den Machtcliquen ein Forum bietet – und was für welchen!

So ist Schmidt Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI). Das RWI bezeichnet sich selbst als eines der „sechs führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute“. Und da man unabhängig arbeiten will, hat man eine „Gesellschaft der Freunde und Förderer des RWI Essen“ gegründet. Diese verfolgt, so wirbt sie, „ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Zuwendungen an die Gesellschaft sind daher steuerlich abzugsfähig.“

Doch wie unabhängig ist das RWI wirklich? So war der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Atomkraftwerksbetreibers RWE AG, Dr. Dietmar Kuhnt, viele Jahre Präsident dieser Fördergesellschaft [7]. Mitte 2008 wurde Dr. Rolf Pohlig, Finanzvorstand der RWE AG, zum stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrats des RWI Essen und zum Präsidenten der Gesellschaft der Freunde und Förderer des RWI Essen gewählt [8]. Mancher findet das zumindest bemerkenswert, gerade weil das RWI selber Atomkraftwerksbetreiber ist und auch immer wieder mit atomkraftfreundlichen Mitteilungen glänzt.

SPIEGEL Online verschweigt: Energiepolitik der Bundesregierungen kommt den Steuerzahler extrem teuer zu stehen
Doch damit nicht genug, sind die Aussagen von Schmidt bei näherer Betrachtung doch ziemlicher Schmarn. In Wahrheit nämlich wird die Kaufkraft der Bürger, um die sich Schmidt auf SPIEGEL Online solche Sorgen machen darf, vor allem dadurch geschmälert, dass die Stromkonzerne – dank der konzernfreundlichen Politik der Bundesregierungen – unverschämt hohe Gewinne einfahren.

Allein die RWE AG hat 2008 – trotz Wirtschaftskrise – einen Nettogewinn von knapp 3,4 Mrd. € eingefahren [9]. Bei den anderen Energieriesen Vattenfall, E.ON und EnBW, die als Oligopol den deutschen Markt beherrschen [10], sieht es vergleichbar rosig aus. Ein dicker Batzen dieser Milliardengewinne gehört also eigentlich uns Steuerzahlern. Denn die Gewinne würden ja nicht bei RWE&Co. in dem exorbitanten Ausmaß landen, wenn die von den Steuerzahlern finanzierten Politiker eine Energiepolitik betrieben hätten, die im Sinne der Steuerzahler und nicht der Großkonzerne ist.

An dieser Situation wird sich aber wohl leider so schnell nichts ändern. Denn mit diesen Milliardenprofiten in der Tasche mästen die Energieriesen dann u.a. ihre „Pappenheimer“ aus Politik und Wissenschaft (wie diesen Christoph Schmidt), damit diese ihnen auch weiterhin dicke Gewinne bescheren und sie daran auch weiterhin partizipieren können.

Und der SPIEGEL agiert dann als williger Helfer dieses Schmierenstücks.

SPIEGEL Online verschweigt auch: Atomstrom ist für den Steuerzahler teurer als Solarstrom
Dabei darf Schmidt auf SPIEGEL Online auch vorrechnen, dass sich die Nettokosten für alle von 2000 bis 2008 installierten Anlagen über die Laufzeit von 20 Jahren auf rund 35 Mrd. € summiert hätten. Das klingt zunächst gewaltig. Doch die Zahl relativiert sich, wenn man sich überlegt, dass man den vier Energieriesen pro Jahr jeweils nur 1 Mrd. € von ihren milliardenschweren Nettogewinnen abzwacken und den Steuerzahlern „zurückgeben“ müsste – und schon käme man für den von Schmidt erwähnten Zeitraum von acht Jahren auf 32 Mrd. €, also praktisch auf genau so viel.

Und was kosten uns Steuerzahler nicht andere Energieträger wie die Atomenergie? Diese Frage wird in dem Artikel überhaupt nicht gestellt. Dabei hat Greenpeace in einer Studie ausgerechnet, dass der deutsche Staat die Atomenergie zusätzlich zu den Stromkosten seit 1950 mit mindestens 165 Mrd. € gefördert hat [11]. „Das entspricht einer Subventionierung des Atomstroms von 3,9 Cent pro Kilowattstunde (kWh) Strom“, so Greenpeace. „Hinzu kommen zukünftige Kosten für die Gesellschaft von 92,5 Mrd. €, die heute bereits absehbar sind.“

Doch damit nicht genug. Die Zuwendungen für die Atomkraft, so Greenpeace, lägen noch weitaus höher, wenn die Betreiber der AKW zudem für eine vollständige Haftpflichtversicherung im Fall eines nuklearen Unfalls aufkommen müssten. Würden bei Atomkraftwerken also die gleichen Haftungsregeln wie in anderen Wirtschaftsbereichen gelten, wäre Atomstrom um bis zu 2,70 €(!) – also 270 Cent – pro Kilowattstunde teurer und damit weder bezahlbar noch wettbewerbsfähig – und vor allem um ein zigfaches teuerer als Solarstrom.

Steuermilliarden für Asse und gefährlicher Uranabbau – nur zwei von 100 Gründen gegen Atomstrom
Vergessen wir dabei nicht, dass allein die Schließung des lecken Atommüllagers Asse mehrere Milliarden Euro verschlingen wird [12] – an Steuergeldern wohlgemerkt, weil die Bundesregierung die Atomindustrie vollständig von den Kosten der Asse-Sanierung freizustellen gedenkt [13].

Und wie steht es um die Folgen des Uranabbaus, der für den Betrieb von Atomkraftwerken notwendig ist? Hierfür müssen sogar Menschen mit ihrer Gesundheit  und sogar ihrem Leben bezahlen [14] -, um einen weiteren von „100 guten Gründen gegen Atomkraft“ [15] zu nennen.

Volkswirtschaftlich ist die Solarenergie nicht zuletzt auch deshalb ein Gewinn, da Rohstoffimporte gesenkt werden bzw. Landschaftsabgrabung (Braunkohle) damit vermieden werden. Zudem bleibt Wertschöpfung im Lande, und vor allem kleinere Betriebe profitieren davon (nebst „kleinen Kraftwerksbetreibern“). Und diese kleinen und mittleren Betriebe sind ja der Jobbmotor. Dies gilt besonders auch für den Solarbereich. [16]

Wenn jetzt also Schmidt daherkommt und auf SPIEGEL Online behaupten darf, das Photovoltaik-Business brächte „für den deutschen Arbeitsmarkt keinerlei Vorteile“, so ist auch diese Aussage so brisant, dass sie dringend hätte überprüft werden müssen. Doch genau diese Überprüfung nimmt das Nachrichtenmagazin nicht vor – von Journalismus, der hinterfragt und faktisch einsortiert, hier also keine Spur.

Statt dessen fügt man nur noch Schmidts Hinweis hinzu, durch die Subventionierung der Solarbranche würden „auch Arbeitsplätze verloren gingen, zum Beispiel im konventionellen Kraftwerksbau“. Doch dies ist nicht nur eine Binsenweisheit, sondern ja gerade auch gewollt – jedenfalls von den Menschen, die der Auffassung sind, Kohle und Atom sollten in nicht allzu ferner Zukunft nicht mehr unsere Hauptenergieträger sein. Schmidt und SPIEGEL Online gehören offenbar nicht dazu.

Bei aller möglichen Kritik an der Solarförderung – einfach nur plattmachen, wie es Christoph Schmidt letztlich bei SPIEGEL Online tun darf, wird der Realität nicht gerecht.

Es ist im Übrigen nicht das erste mal, dass SPIEGEL Online derart pauschal gegen den Solarstrom wettert. Wie faktenfern dies im Oktober vonstatten gegangen ist, hat Greenpeace auf seiner Website aufgezeigt. [17]