Der SPIEGEL über Lafontaine: endgültig auf BUNTE-Niveau angekommen

  17. November 2009, von T. Engelbrecht

Investigative Geschichten, die den korrupten Machtcliquen das Fürchten lehren könnten, gibt es schon lange nicht mehr vom SPIEGEL. Von „Sturmgeschütz der Demokratie“ also weit und breit nichts zu sehen. Aber das macht ja auch nichts, sagt man sich offenbar beim SPIEGEL – es lässt sich ja auch mit Hofberichterstattung und schlüpfrigen Geschichten a la BUNTE Auflage machen. Das scheint Priorität beim SPIEGEL zu haben.

Anders ist es nicht zu erklären, dass sich der SPIEGEL zum Beispiel über die Vergangenheit der Kanzlerin als FDJ-Funktionärin für Agitation und Propaganda und „Kampfreserve der SED“ schlicht ausschweigt (im SPIEGEL 46/2009 darf SPIEGEL-Autor und Ex-SED-Mitglied Alexander Osang sogar die Lüge verbreiten, Angela Merkel sei vor dem Start ihrer Polit-Karriere im Westen eine „unpolitische deutsche Physikerin“ gewesen), während man im aktuellen SPIEGEL (Seiten 32 bis 34) in Boulevardmanier einen Bericht über Lafontaine bringt. Inhalt: Für den Rückzug Oskar Lafontaines vom Fraktionsvorsitz der Linken soll es nicht nur politische Gründe gegeben haben. Vielmehr, so der SPIEGEL, soll eine private Beziehung zwischen Lafontaine und der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hier eine Rolle gespielt haben (siehe Screenshot).

SPIEGEL: investigativer Journalismus sieht anders aus
Für diese Story bezieht sich der SPIEGEL sogar tatsächlich auf die BUNTE. Harte Fakten kann der SPIEGEL hingegen nicht vorbringen. So schreibt man: „Lafontaine und Wagenknecht, so heißt es, seien sich in der Vergangenheit nicht nur inhaltlich nahegekommen. Von einer Affäre ist die Rede, von einer Beziehung mit konkreten Folgen für die Politik“. That’s it. Dünner als dünn, was der SPIEGEL da präsentiert. Dazu die LINKE: „Alles erstunken und erlogen.“

Und selbst wenn Wagenknecht und Lafontaine gevögelt hätten, was das Zeug hält. So what? Ist doch ihre Sache… Klar, der SPIEGEL behauptet, man müsse das thematisieren, weil „hier das Private höchst Politische Folgen hat“ – die Folge nämlich, dass Lafontaine für die Öffentlichkeit überraschend als Fraktionsvorsitzender zurückgetreten ist. Doch um  eine Verbindung zwischen diesen beiden Gegebenheiten herzustellen, sollte man doch ein bisschen mehr parat haben als pure Gerüchte.

Erschwerend kommt hinzu, worauf Tom Strohschneider auf freitag.de aufmerksam macht: „Was das Magazin nun unter Berufung auf den Bundesgeschäftsführer der Linken vorab vermeldet und mit dem Hinweis veredelt, es handele sich um ‚Informationen des SPIEGEL‚, hatte Dietmar Bartsch[, Bundesgeschäftführer der LINKEN,] schon vor mehr als zwei Wochen im Neuen Deutschland erklärt: ‚Oskar Lafontaine hat 2005 intern gesagt, er stehe zunächst für eine Legislatur zur Verfügung, alle anderen Entscheidungen werden danach getroffen. Und er hat in kleiner Runde frühzeitig angekündigt, die Belastung – Fraktionschef an der Saar, Partei- und Fraktionschef in Berlin – so nicht fortführen zu wollen. Das wichtigste Parteiamt, den Vorsitz, will er behalten.“

Kritik an den korrupten Machtcliquen sieht jedenfalls anders aus als das, was der SPIEGEL an Hofberichterstattung und Boulevardklatsch absondert! Zum Beispiel so wie der Artikel „Das Imperium des Bösen“ von Paul Craig Roberts, erschienen am 12. November auf www.hintergrund.de. Darin geht es darum, wie „die US-Administration jetzt total unter dem Einfluss organisierter Interessengruppen steht“ – mit der Folge, dass unser aktueller Friedensnobelpreisträger Obama mit rund 700 Mrd. US-$ den höchsten Militärhaushalt der US-Geschichte genehmigt hat. Eine Geldverschwendung sondergleichen. Darüber liest man kein Sterbenswörtchen beim SPIEGEL.

 

6 Kommentare zu “Der SPIEGEL über Lafontaine: endgültig auf BUNTE-Niveau angekommen”

  1. Sylvia Henners sagt:

    Wie billig ist das denn?

    Das ganze Schmierentheater erinnert an den versiebten PDS-Wahlkampf. Unter der Regie des damaligen Bundeswahlkampfleiters Dietmar Bartsch ist die PDS mit Pauken und Trompeten aus dem Bundestag geflogen. Einzig zwei Abgeordneten gelang es per Direktstimme einen warmen Stuhl im Bundestag zu ergattern. Der Wahlkampfreinfall war eine Meisterleistung des Herrn Bartsch. Der war im Anschluss aber nicht doof. Um sein Versagen zu übertünchen, intrigiert er nach Kräften gegen seine Parteivorsitzende Zimmer, schiebt ihr die Schuld für die Wahlniederlage zu und erdreistet sich als der bessere Vorsitzende in Stellung zu bringen. Alles selbstverständlich hinten rum und immer fein über die Medien – Spiegel-online, Welt, …. Erinnert sei hier auch an die von ihm inszenierte „Wachbuchaffäre“, die ihn als armes Opfer stilisieren sollte. Was ja auch mit tatkäftiger Hilfe der Medien gelang.

    So wie heute im Jahre 2009. Da werden unter seiner Verantwortlichkeit als Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter 2009 Wahlanalysen und Wahlaussichten für Landtagswahlen erstellt, die fern jeglicher Realität sind, den Landesverbänden aber als Beweis auf den Tisch geknallt werden, dass sie unfähig, unprofessionell, politikunfähig ect. sind. Und wenn diese Analysen vor Ort von den Landesverbänden dann zerlegt werden, na dann gibts eben Schelte via Bildzeitung. Zu der hat Herr Bartsch eh ein ganz besonderes Verhältnis. Sein Landesverband fährt eines der schlechtesten Ergebnisse bei der Bundestagswahl ein, die Schelte bekommen andere.

    Aus der ihm unterstellten Bundesgeschäftsstelle, parteiintern nur noch höhnisch „die Behörde“ oder „das Amt“ genannt, gelangen immer wieder sog. „anonyme Zitate“ an die Medien, mit der Absicht missliebige Parteigenossen zu diskreditieren. Dass der Herr Bundesgeschäftsführer sich persönlich bei Landesverbänden, Parteigenossen oder Landesvorständen meldet ist in der Vergangenheit so gut wie nie geschehen. Die dürfen immer als den Medien erfahren, wass „im Amt“ oder vom Bundesgeschäftsführer von ihnen gehalten wird. Und die Medien, die spielen dieses Spiel natürlich gerne mit.
    Und so demontiert Herr Bartsch nun via Journallie seinen Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine nach Kräften, wie er 2002 schon seine Parteivorsitzende Gabi Zimmer. In der „Parteibehörde“ am Rosa-Luxemburg-Platz lässt er schon seit Sommer 2009 verlauten, dass er der besser Parteivorsitzende ist. Auf dem Wahlparteitag im Juni 2009 wurde die Rede von Oskar Lafontaine während er sie auf der Bühne hielt, von Genossen aus der Führung gegengelesen. Ein bis dahin noch nie gesehener Vorgang, dass eine Partei die Worte ihres Parteivorsitzenden noch während seiner Rede überprüft.

    Und die Demontage geht nach Kräften weiter.
    Dass der Parteivorsitzende ein aussereheliches Liebesleben u.a. mit Frau Wagenknecht haben soll, ist vielen Menschen inner- und ausserhalb der Partei seit langem bekannt. Alle haben sich gesagt, „Na und – Ist deren Sache“ und „Im Bundestag ist das ganz normal.“ Nun aber, wo Herr Bartsch seine Stunde kommen sieht, wird diese Affäre aus seiner Bundesgeschäftsstelle heraus an die Bunte gegeben, garniert mit angeblichen Details, und die Lawine die Dietmar Bartsch den Weg frei machen soll beginnt zu rollen. Der Spiegel kann sich jetzt ganz süffisant in epischer Breite und geheuchelter Empörung auf die Geschichte stürzen, offizielle O-Töne von Herrn Bartsch einfangen und die Informationen, die es vorher nur „unter 3“ gab drucken.
    Ob die Herren beim Spiegel genauso süffisant über das aussereheliche Liebesleben des Herrn Bartsch mit einer Kollegin aus ihrem Metier schreiben würden? Bestimmt. Wenn es den Umsatz steigert.

  2. Sylvia Henners sagt:

    Ergänzung:
    Was sich der SPIEGEL mal wieder alles süffisant zusammengereimt hat, bekommt mit der Meldung, dass Oskar Lafontaine an Krebs erkrankt ist und am 19.11. operiert werden muss, einen ganz eigenen Geschmack. Viel pseudoinvestigatives Geschreibsel um Halbwahrheiten um den Rücktritt von Lafontaine als Fraktionsvorsitzender. Aber die Herren Deggerich und Berg sind ja angeblich DIE profunden Kenner der Materie „Linkspartei“. Aber den Krebs hat sich Oskar Lafontaine ganz bestimmt auch nur aus Gehässigkeit dem Spiegel gegenüber eingefangen.
    Zu solchen Artikeln fällt mir nur ein Lied mit dem Titel „Einfach mal die Fresse halten“ ein.

  3. Readers Edition » “Lafontaines großer Bluff” sagt:

    […] Ergänzung ist ja das Spiegel-Blog immer ganz gut.” Dort schreibt T. Engelbrecht: “Der SPIEGEL über Lafontaine: endgültig auf BUNTE Niveau angekommen“.  Während die einen zweifeln – gerade auch mit Blick auf das Medium, in dem diese […]

  4. Johphil sagt:

    http://www.spiegelfechter.com/wordpress/1171/wenn-der-spiegel-mit-dem-oskar-und-der-sahra-%E2%80%A6

  5. Zwei umstrittene “Rote” sagt:

    […] Kandidatur zum Bundestag wird von Spiegel als Wählertäuschung kritisiert, der Spiegel dafür wiederum auf “Bunte-Niveau” degradiert. Wir sind da etwas anderer Meinung, den das angebliche Verhältnis von Sarah Wagenknecht und Oskar […]

  6. SPIEGELblog sagt:

    @ Zwei umstrittene „Rote“

    Ihr schreibt: „Lafontaines Kandidatur zum Bundestag wird vom Spiegel als Wählertäuschung kritisiert, der Spiegel dafür wiederum auf ‚Bunte-Niveau‘ degradiert. Wir sind da etwas anderer Meinung, denn das angebliche Verhältnis von Sarah Wagenknecht und Oskar Lafontaine ist in keinster Weise Aufmacher oder Kernthese des Spiegels.“

    Es geht auch nicht darum, dass das angebliche Verhältnis von Sarah Wagenknecht und Oskar Lafontaine Aufmacher oder Kernthese des Spiegel ist. Doch das Thema des Artikels – Lafontaines Wählertäuschung – ist eng mit der Behauptung, Lafontaine und Wagenknecht hätten eine Affäre gehabt, weshalb Lafontaine „nach Hause“ ins Saarland zu seiner Frau müsse, verknüpft.

    Davon abgesehen ergibt sich nun mit der Krebskrankheit von Lafontaine ein völlig anderer Grund für dessen Rückzug. Von daher könnte man den Spiegel-Beitrag erst recht als peinlich bezeichnen. Mit der eilig eingeschobenen Pressemeldung über Lafontaines lange geplante Krens-OP erhält der Schmierenjournalismus von Spiegel (Bunte, FAZ und taz) einen besonders abstoßenden Beigeschmack, wie auch spiegelfechter.com schreibt, siehe http://www.spiegelfechter.com/wordpress/1171/wenn-der-spiegel-mit-dem-oskar-und-der-sahra-%E2%80%A6. „Ist es etwa verdächtig, dass ein Krebskranker sich beruflich ein wenig zurücknimmt? Dass er nicht auf jeder Sitzung anwesend war? Dass er sich erst nach der Operation Gedanken über die berufliche Zukunft machen will? Manchmal steckt im Privaten zwar in der Tat etwas Politisches – nur selten hingegen steckt im seichten Sumpf des Schmierenjournalismus etwas Wahres und fast nie etwas Politisches.“

    Davon abgesehen kam dem Spiegel, als z.B. Edmund Stoiber als Kanzlerkandidat in den Ring stieg und nach seiner Niederlage mit eingezogenem Schwanz nach München zurückeilte, nicht in den Sinn, ihn als Wahlbetrüger zu verunglimpfen. Warum soll Oskar Lafontaine, der immerhin noch das Amt des Parteivorsitzenden innehat, eigentlich ein Wahlbetrüger sein, wenn er freiwillig auf das Amt des Fraktionsvorsitzenden verzichtet?

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