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Der SPIEGEL und das Thema Impfen: noch kein hinreichend neutraler Zugang

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Masernsterbefälle waren stark zurückgegangen - und dann wurde die Impfung eingeführt; Q: Dr. med. G. Buchwald/Stat. Bundesamt

Der SPIEGEL-Online-Artikel „Allgemeinärzte beklagen Impf-Irrsinn“ [2] ist insgesamt natürlich positiv zu sehen, da überhaupt einmal kritische Stimmen zum Thema Impfen zu Wort kommen, ohne dass diese diffamiert werden (kritische Seiten wie impfkritik.de [3] z.B. haben es hierzulande nach wie vor sehr schwer, wenn es darum geht, das hoch emotional besetzte Thema Impfen nüchtern und an den Fakten orientiert zu diskutieren).

Beim SPIEGEL ist dies ein relativ neues Phänomen (siehe zum Beispiel SPIEGELblog-Bericht über die Gebärmutterhalskrebsimpfung [4]). Dennoch fehlt dem Nachrichtenmagazin offenbar immer noch die nötige kritische Distanz, um sich den Fakten in konsequent neutraler Weise annähern zu können. Folgende Passagen in dem SPIEGEL-Online-Beitrag sind kritikwürdig:

Keuchhusten war fast weg - und dann wurde geimpft [5]

Keuchhusten war fast weg - und dann wurde geimpft

SPIEGEL Online: „Die Impfungen waren in der Vergangenheit häufig so effektiv“,  so Friedrich Hoffman, Vorsitzender der ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts (RKI).

Dazu SPIEGELblog: Der Satz bildet den Schluss des Artikels, doch es gäbe genügend Gründe, die Behauptung, Impfungen seien  „häufig so effektiv“, nicht unkommentiert an so prominenter Stelle stehen zu lassen. So waren viele Krankheiten, gegen die geimpft wird, bereits drastisch zurückgegangen, bevor die Impfungen eingeführt wurden (siehe Grafiken zu Masern, Keuchhusten und Diptherie als Beispiele).

Diphtherie und Impfungen in Dt. (1920 bis 1995) [6]

Diphtherie und Impfungen in Dt. (1920 bis 1995)

Nähe zur Pharmaindustrie ist ein Riesenproblem
SPIEGEL Online: „STIKO-Vorsitzender Friedrich Hofmann weist den Vorwurf zurück, dass die von ihm geführte Impfkommission zu sehr den Interessen der Industrie dient. ‚Wenn damit die Durchführung von Impfstoff-Zulassungsstudien gemeint sein sollte, dann frage ich mich, wer denn sonst solche Untersuchungen vornehmen sollte.’“

Dazu SPIEGELblog: Es gibt genügend unabhängige Wissenschaftler, die den Sachverstand zur Beurteilung der Zulassungsstudien mitbringen und sich mit den Regeln evidenzbasierter Medizin auskennen. Man muss kein „Impfexerte“ sein, um das Design einer Zulassungsstudie analysieren und beurteilen zu können. Wichtig ist vor allem, dass die beurteilenden Experten keine Interessenkonflikte aufweisen, was bei der STIKO aber offenbar leider nicht gegeben ist (siehe z.B. taz-Artikel rechts in der Link-Liste).

SPIEGEL Online: „Fred Zepp, Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin an der Uni Mainz und Organisator der Nationalen Impfkonferenz, hält eine gewisse Nähe zur Pharmaherstellern zudem für unproblematisch.“

Dazu SPIEGELblog: Die Nähe zur Pharmaindustrie stellt generell in der Medizinforschung ein großes Problem dar, wie auch eine aktuelle Studie, veröffentlicht im British Medical Journal [7], offenbart. So hat auch der langjährige STIKO-Vorsitzende Professor Heinz-Josef Schmitt im Juni 2006 einen mit 10.000 € dotierten Preis „zur Förderung des Impfgedankens“ vom Impfstoffhersteller Sanofi Pasteur MSD erhalten. Die Firma produziert den Gebärmutterhalskrebsimpfstoff Gardasil, dessen Zulassung im Oktober 2006 erfolgte und den die STIKO bereits im März 2007 als Regelimpfung für junge Mädchen empfahl. Den Todesstoß für die Glaubwürdigkeit der STIKO gab Schmitt [8], als er anschließend die Kommission vorzeitig verließ und seither beim Impfstoffhersteller Novartis Vaccines in Lohn und Brot steht.

SPIEGEL Online: „Manche Eltern schicken ihre Kinder zur Abhärtung auf Masern-Partys.“

Dazu SPIEGELlbog: Die Behörden konnten bisher in keinem einzigen Fall eine Masern-Party dokumentieren.

SPIEGEL Online: „Die Deutschen gelten als Impfmuffel – und zwar zu Recht. Eine Untersuchung des renommierten Fachmagazins Lancet brachte Anfang des Jahres ein blamables Ergebnis: Im Ranking der Masernfälle landete Deutschland auf Platz 26, in der Nähe von Usbekistan, Sambia und dem Tschad.“

Dazu SPIEGELblog: Die Statistiken sind völlig unzuverlässig, da (1) zumindest in unseren Breiten kaum noch jemand Masern korrekt diagnostizieren kann, (2) weil das Wissen um den Impfstatus die Diagnose beeinflusst („kann keine Masern sein, Kind ist ja geimpft“) und (3) weil es für die Eichung von Labortests keine gültigen Standards gibt.

SPIEGEL Online: „Doch warum sind die Deutschen solche Impfmuffel?“

Dazu SPIEGELblog: Dass die Deutschen „Impfmufell“ seien, ist nicht haltbar. Laut Statistiken des RKI sind die Durchimpfungsraten in den vergangenen Jahren gestiegen.