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Der SPIEGEL und Hugo Chávez: einseitiger Haudraufjournalismus

(Mit Dank an Johannes Mensing)

Das politische Weltbild des SPIEGEL ist im Grunde schwarz-weiß: [1]Da sind auf der einen Seite die strahlenden Guten – allen voran Angela Merkel und Barack Obama – und auf der anderen Seite die Superbösen, darunter Hugo Chávez. Wer zum Beispiel die im politischen Diskurs völlig legitime Forderung aufstellt, Merkel und Obama sollten zurücktreten – so wie es Studenten der Bochumer Ruhr-Universität während des Bildungsstreiks getan haben – wird von SPIEGEL Online mal so eben als jemand bezeichnet, der einen Clown gefrühstückt haben muss [2]. Dies offenbart erneut, dass der SPIEGEL, das selbsternannte „Sturmgeschütz der Demokratie“ [3], längst kein wirkliches journalistisches Schießpulver mehr hat.

Offenbar wird dies auch im Umgang des SPIEGEL mit den offiziell antikapitalistisch auftretenden Regierungen in Bolivien, Venezuela oder Ecuador. Entweder wir so gut wie gar nicht über sie berichtet – und wenn sie dann mal Thema sind, werden sie heruntergebürstet, was das Zeug hält. Sicher, es gibt genügend Gründe, die Politik dieser Länder zu kritisieren, doch es ist die mit Faktenarmut gepaarte Einseitigkeit der Berichterstattung im SPIEGEL, die aufstößt. So heißt es in einem aktuellen Aufmacher bei SPIEGEL Online („Revolution auf Sparflamme: Venezuela will Ölpreis in die Höhe treiben“ [1], siehe Screenshot), „das ideologische Korsett“ von Chávez‘ „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ hätte „Arbeitern und Verbrauchern bisher nichts gebracht.“ Doch das ist offenbar falsch – nicht zuletzt auch im Hinblick auf die oligarchischen Vorgängerregierungen in Venezuela, die völlig versagt haben und nichts anderes waren als korrupt.

Für SPIEGEL Online hat Hugo Chávez auf allen Ebenen versagt – doch das ist falsch
Zum Beispiel liest sich das Ganze bei einer Studie des Center for Economic and Policy Research (CEPR) aus Washington, das sich selber als „independent, nonpartisan think tank that was established to promote democratic debate on the most important economic and social issues that affect people’s lives“ beschreibt und das u.a. die Nobelpreisträger für Wirtschaftwissenschaften Robert Solow and Joseph Stiglitz zu seinen Beratern zählt, ganz anders – bei allen Problemen, die Venezuela umtreibt und die Chavez‘ Politik verursacht. In der im Februar veröffentlichten Studie des CEPR „The Chávez Administration at 10 Years: The Economy and Social Indicators“ [4] heißt es u.a.:

# During the current economic expansion, the poverty rate [in Venezuela] has been cut by more than half, from 54 percent of households in the first half of 2003 to 26 percent at the end of 2008. Extreme poverty has fallen even more, by 72 percent. These poverty rates measure only cash income, and do not take into account increased access to health care or education.

# Over the entire decade, the percentage of households in poverty has been reduced by 39 percent, and extreme poverty by more than half.

Der SPIEGEL frönt einem albernen Feindbilddenken
Und während der SPIEGEL-Online-Artikel mit den Worten schließt, „helfen könnte der [venezolanischen] Regierung nur noch ein deutlich steigender Ölpreis“, schlussfolgern die Autoren der CEPR-Studie: „[Venezuela] is unlikely to run into balance of payments problems even if oil prices remain depressed for much longer than analysts and oil futures markets are anticipating.“

Die Sache ist mal wieder viel diffizilier, als der SPIEGEL uns weismachen will. Das alberne Feindbilddenken, das uns nicht nur die Politiker, sondern tragischerweise auch Medien wie der SPIEGEL einimpfen wollen, ist wohl die älteste Kriegstaktik der Menschheitsgeschichte, die leider immer wieder zieht und die Massen in Furcht versetzt und so von den wesentlichen Dingen ablenkt. Wohl keine Machtelite ist ohne Feindbilder ausgekommen. Bis zum Fall der Berliner Mauer waren es aus westlicher Sicht die bösen Russen. Da die nun nicht mehr da waren, brauchte man ein neues Feindbild, und da bastelte man sich Terroristen und erkor Leute wie Hugo Chávez zu „Teufeln“. Und genau wie die westlichen Machtcliquen „Teufel“ wie Chávez brauchen, um ihre Machspielchen zu spielen, braucht Hugo Chávez das Feindbild vom imperialistischen Gringo, um sich vor seinem Publikum als Gutmensch darstellen zu können.

Chávez, Ölgiganten, US-Politiker – letztlich alles eine Soße?
Und während uns die Politiker und auch die Medien dieses Kaspertheater vorführen, können die wahren korrupten Machthabenden unbeobachtet im Hintergrund ihre Schauerspielchen weitertreiben. Dazu gehören im Übrigen auch Ölfirmen aus den USA und anderen Ländern, die in Venezuela und damit auch mit angeblichen Klassenfeind Chávez zusammen ein megafettes Geschäft machen. Die US-Ölgiganten sind zudem seit Jahrzehnten eng mit der Politikerelite in den USA verbandelt, vor allem mit der Bush-Familie (aber auch mit Obama [5]). Und diese Bush-Familie hat wiederum engste Verbindungen mit der Bin-Laden-Familie [6]

Handelt es sich hier letztlich etwa um eine große fette Ölsuppe, die allen direkt Beteiligten einfach nur lecker schmeckt? Dies wäre mal eine Recherche wert, die dem SPIEGEL gut zu Gesicht stehen würde!