SPIEGEL-Eigenwerbung „Die Konferenz, vor der Politiker zittern“ gleicht schlechtem Slapstick

Das Hamburger Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL wartet mit einer neuen Markenkampagne auf: „Meist gelesen. Meist zitiert. Meist gefürchtet“ oder „Die Konferenz, vor der Politiker zittern“ steht u.a. auf den Werbemotiven. Die Kampagne ist aber einfach nur ein schlechter Witz. Denn welcher Politiker muss wirklich vor dem Nachrichtenmagazin zittern? Wo, bitte schön, ist der mächtige Politiker, den der SPIEGEL in den vergangenen Jahren zu Fall gebracht hat – so wie es einst die Washington-Post-Reporter Bob Woodward und Carl Bernsteinetwa bei Nixon mitvollbracht haben?
Gerne hofiert der SPIEGEL die hohe Politik…
Und damit nicht genug. Der SPIEGEL hat gerade in den vergangenen Jahren für Politiker wie Angela Merkel regelrecht Hofberichterstattung betrieben (SPIEGELblog berichtete mehrfach). In diesem Zsh. würde eher ein Werbespruch passen wie „Die Konferenz, die Politiker nicht wirklich fürchten müssen“.
Einen Artikel, der praktisch aus der Feder der CDU stammen könnte, findet sich z.B. auch ganz aktuell (29. Mai) auf SPIEGEL Online. Allein die Headline klingt wie aus dem CDU-Schlaraffenland: „US-Studie: Europa bewundert die Deutschen“. Dasselbe gilt für das große Foto, das zwischen Headline und Lauftext thront und eine lächelnde Kanzlerin Merkel zeigt – und mit der Bildunterschrift garniert ist: „Kanzlerin Angela Merkel: Zustimmung für ihre Krisenpolitik.“
Und damit nicht genug. Auch heißt es gleich zu Beginn des Vorspanns, die US-Studie hätte ergeben, dass Deutschland „kaum bestechlich“ sei. Klingt wie im Märchen – und ein solches ist diese These auch. So berichtet etwa der Tagesspiegel ganz aktuell und exklusiv, dass „sich Kanzlerin Angela Merkel und andere Kabinettsmitglieder bei Dutzenden Reisen seit 2009 von hochrangigen Vertretern der Rüstungsindustrie begleiten lassen“. Und der Wirtschaftkriminalist Uwe Dolata kommt aufgrund seiner Recherchen gar zu dem Schluss, dass Deutschland im Grunde keine Demokratie mehr sei, sondern fast schon eine Lobbykratie.
… und gerne auch klebt das Nachrichtenmagazin an den Lippen von Branchen wie der Pharmaindustrie
Dass die Berichterstattung des SPIEGEL die Machteliten nicht zum zittern bringt, zeigt sich z.B. auch an die Berichterstattung des Nachrichtenmagazins über die Schweinegrippe und EHEC (SPIEGELblog berichtete). Bei EHEC klebte der SPIEGEL nämlich genau so an den Lippen der Medizinelite aus Politik und Industrie, wie zuvor bereits bei SARS, Vogelgrippe etc. Dabei hatte der SPIEGEL nach seiner irrwitzigen medialen Schweinegrippe-Panikmache sogar Besserung gelobt (siehe SPIEGELblog-Beitrag “Haltlose Schweinegrippe-Panikmache: Der SPIEGEL gibt sich geläutert – und macht dann doch wieder blindlings Werbung für das Medizinestablishment”). Doch das war ganz offenbar nur ein Lippenbekenntnis.
Denn wie zuvor etwa bei der Schweinegrippe, als das Nachrichtenmagazin u.a. einen Titel brachte mit der Schlagzeile “Das Welt-Virus” (dessen irrsinniger Tenor war, der Schweinegrippe-Erreger könne zum Horrorvirus mutieren – SPIEGELblog berichtete), so trug auch die Titelgeschichte zu EHEC die aberwitzige Headline “EHEC: die Geburt einer neuen Seuche”. Aberwitzig u.a. deshalb, weil es ja weder bei EHEC von bei der so genannten Schweinegrippe (und auch nicht bei SARS und bei der so genannten Vogelgrippe) zu einer Seuche kam!
Wenn man sich also diese neue Werbekampagne des SPIEGEL mit dem Spruch „Die Konferenz, vor der Politiker zittern“ genauer anschaut, so liegt hier die Vermutung nahe, dass sie schlicht dem Umstand geschuldet, dass das Blatt innerhalb der vergangenen zwei Jahre bei seiner verkauften Auflage fast 100.000 eingebüßt hat. Doch anstatt auf verklärende Werbephrasen zu setzen, sollte der SPIEGEL lieber auf redaktioneller Ebene endlich mal alles daran setzen, den Politikern wirklich das Fürchten zu lehren.
PS: Das einzige, das an dem Werbeplakat zum fürchten ist, ist die Anmutung des Fotos. Allein der riesige verschwommene Hinterkopf, der ganz vorne einen Großteil des Bildes verdeckt, ist einfach nur unansehnlich. Ansonsten wird da eine Runde von Sakko mit Hemd und Wollpullover tragenden Männern gezeigt, deren Chef Mascolo ziemlich unsympathisch dreinschaut – und der ganz hinten ein einziges Fräulein beiwohnen darf…

27. Mai 2012 um 11:52
Der Spiegel muss es ja wirklich ganz schön nötig haben, wenn er eine PR Agentur vom Schlage Jung von Matt beauftragen muss, um so eine Botschaft rauszuhauen: „Alle Fakten, alle Hintergründe“. Schön wär´s, aber leider ist das Gegenteil von dieser Aussage wahr …
30. Mai 2012 um 17:03
Die Kampagne ist wirklich ein Witz. Der Spiegel ist nur noch ein marktliberaler Dampfer, der jeden Schmu mitmacht. Passend zu der Pharma-Geschichte erzählt ein Autor im neuen Heft, wie schön es in deutschen Altenheimen zugeht und schwärmt: „Hier will ich auch mal sterben.“ Der Spiegel hat sich modernisiert. Anders könnten die vermutlich nicht überleben, aber auch so werden die Zeiten immer härter für die Branche, wie die Auflage zeigt.
Aus meiner Sicht kommt noch hinzu: Ein bißchen rechts ist schick, auch beim Spiegel. Die ständigen Hochglanzbilder vom „weißen Mann“, demgegenüber das abwertende Bild vom Rest der Welt. Die Verharmlosung der Rolle der Behörden bei den NSU-Morden. Die dauerpräsenten Ehrenmordgeschichten, die dem Leser immer genau erklären, wie es bei bestimmten Migranten zugeht. Die Nähe zur rechtspopulistischen Szene, die verkauft sich gut, usw. usw.
03. Juni 2012 um 13:51
[…] in einem politischen Magazin, das gerade wieder von sich behauptet, gefürchtet zu werden: “meist gelesen, meist zitiert, meist gefürchtet” – behaupten die von sich selbst. Ob nicht die Bildzeitung häufiger zitiert wird? […]
07. Juni 2012 um 21:22
„Der Wettbewerb um die Gunst der Konsumenten zwingt die privatwirtschaftlichen Medien, alles zu unterlassen, was die Instinkte und Vorurteile der Leser, Hörer und Seher stören könnte. Ja, um gar kein Risiko zu laufen, müssen sie immer noch ein Stück tiefer ansetzen. Axel Springer sieht das schon ganz richtig: Wer in diesem Busineß Erfolg haben will, darf nicht belehren, aufklären, fragen – er muß unterhalten, bestätigen, verdummen.“ (Hermann L. Gremliza vor dreißig Jahren).
Über das Spektakuläre an »Spiegel online«
Von Stefan Gärtner (2011)
http://www.titanic-magazin.de/stefan-gaertner-leitmedium.html
01. Juli 2012 um 17:51
Augstein müsste sich im Grab umdrehen. Was ist aus seinem Spiegel geworden.
Was für eine miese Journaille arbeitet jetzt beim Spiegel.
Wenn man da an Erich Böhme denkt. Was war das für ein toller und engagierter Journalist!!
Mein Spiegelabo habe ich übrigens vor ca. 2 Jahren gekündigt mit dem Hinweis, das mich das Gefühl beschleicht die Artikel über die Kanzlerette seien wohl direkt vom Kanzleramt diktiert worden. Für solchen Schund gebe ich auch jetzt kein Geld mehr aus.
17. August 2012 um 16:52
Die Konferenz, vor der Kollegen zittern, oder auch nicht:
http://www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2012/08/458541/neue-lage-wie-der-spiegel-aus-einem-kritiker-einen-gejagten-macht/
DER SPIEGEL klaute Zitate von den Deutsch Türkischen Nachrichten (DTN), stritt auf Nachfrage alles ab, log herum, und ging dann zum Gegenangriff über.