SPIEGEL-Dampfplauderer Reinhard Mohr: erneut ein Slibowitz zu viel

  01. Juli 2009, von T. Engelbrecht

Die „Linke“ und die Diktatur in Iran: Warum Reinhard Mohr – der Franz Josef Wagner des SPIEGEL – wieder einmal ein grotesk-verzerrtes Wirklichkeitsverständnis offenbart.

(1000 Dank an Arnim Rupp)

Wenn SPIEGEL-Kulturredakteur Reinhard Mohr in die Tasten haut, so kommt dabei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Quatsch mit Soße raus. Da jubelt er Wirtschaftsminister zu Guttenberg zum Politstar hoch, nur weil der „golden Boy“ AC/DC von ADAC unterscheiden kann (SPIEGELblog berichtete). Und auch in seinem letzten Beitrag für SPIEGEL Online „Deutsche Linke und Iran: Ein Slibowitz auf Ahmadinedschad“ (siehe Screenshot) hat der Franz Josef Wagner des SPIEGEL offenbar mehr als einen Slibowitz zu viel getrunken und offenbart ein grotesk-verzerrtes Wirklichkeitsverständnis, das eindimensionaler nicht sein könnte.

Anstatt seine Thesen faktisch zu untermauern, ergießt sich Mohr in üblen Hetzereien
Mohrs Vorwurf: Die Linke sei, was die Kritik am iranischen Terrorregime angeht, von der ‚Schweigegrippe‘ befallen und würde ausschließlich mit dem beschuldigenden Finger auf den Westen zeigen. Doch anstatt diese These faktisch sauber zu untermauern, ergießt sich Mohr in üblen Hetzereien. Dabei übersieht Mohr nicht nur, dass der SPIEGEL selber die staatstragende Rolle westlicher Politiker und Großkonzerne für das diktatorische iranische Regime praktisch ausblendet (SPIEGELblog berichtete); bevor Mohr anderen verblendete Einseitigkeit vorwirft, hätte er sich also zunächst besser an die eigene Nase gefasst. Darüber hinaus verzerrt Mohr die Wirklichkeit auf groteske Weise, wenn er den Linken (wer auch immer das ist, Kampfbegriff!) pauschal eine Ahmadinedschad-Bewunderung vorhält (was nicht heißt, dass es sicher die eine oder andere verquere Meinung im „linken“ Lager zu Ahmadinedschad gibt). Marcus Klöckner hat Mohrs Wirrungen in seinem Beitrag „Iran und die Fakten eines Leitmediums“ für Telepolis dezidiert analysiert.

Telepolis: „Mohr macht sich zum willfährigen Helfer eines von diversen geopolitischen Interessen durchsetzten Spannungsfeldes im Iran“
„Zusammengefasst geht Mohrs Artikel von einer massiven Wahlmanipulation im Iran aus und kritisiert gegenteilige Lesarten, die, so sieht es der Artikel, vor allem aus dem linken und rechten politischen Spektrum kommen“, so Klöckner. „Das Problem: Anstatt dass der Artikel sachlich die Gründe für und gegen eine Wahlmanipulation zusammenstellt und im Sinne eines Informationsmediums für die Leser aufbereitet, bietet er ideologisch gefärbte, eindimensionale Argumentations- und Interpretationsmuster und wird dadurch zu einem willfährigen Helfer eines von diversen Interessen durchsetzten politischen Spannungsfeldes bezüglich der Iran-Frage.“

So führt Mohr bereits im Vorspann (Lead) seines Artikels aus:

„Iranische Oppositionelle als ‚Discomiezen‘ und ‚Strichjungen des Finanzkapitals‘ – was sich anhört wie Mullah-Propaganda, stammt aus den Webforen der deutschen Linken. In ihrer Bewunderung für das islamistische Regime sind sie sich mit ihrem schärfsten Gegner einig: den Neonazis.“

Dazu Klöckner: „Bereits zu Beginn des Artikels entsteht [also] durch Zitate, die aus dem Zusammenhang gerissen werden, sowie inhaltlich falsche Aussagen ein journalistisches Zerrbild, das nicht dem Standard eines Leitmediums gerecht werden kann.

Der Reihe nach. Auf seinem Blog schreibt der linke Autor und Journalist Jürgen Elsässer unter der Überschrift ‚Glückwunsch Ahmadinedschad!‘ einen Kommentar zur Wahl im Iran. Liest man den ganzen Kommentar, wird deutlich, dass Elsässer sich in einem Ton voll beißender politischer Ironie zur Wahl äußert. Um die ‚Glückwünsche‘ zu verstehen, muss man wissen, dass Elsässer in seinen Büchern und Schriften immer wieder bestimmte, in den Mainstreammedien vorherrschende Lesarten zu geopolitischen Sachverhalten analysiert und gegen den Strich dekonstruiert. Elsässer, so ist anzunehmen, hat schlicht erkannt, dass Ahmadinedschad eine Hürde für maßgebende Kräfte im geostrategischen Schach ist und deren imperialistische Bestrebungen im Iran daher scheitern. Der Glückwunsch ist eher als Seitenhieb in Richtung machtelitäre Geostrategen zu lesen anstatt ihn als realitätsferne Bewunderung der Verhältnisse im Iran zu interpretieren.

Mohr schreibt puren Dünnsinn, wenn er poltert, alle „Linken“ würden sich in „Bewunderung“ für Ahmadinedschad ergießen
Doch weiter. Im zweiten Satz [von Mohrs SPIEGEL-Online-Artikel] heißt es, dass die deutsche Linke (wer auch immer das ist), die Regierung in Iran bewundere. In dieser Aussage stecken mehrere Unzulänglichkeiten: Aus einer kritischen Aussage Elsässers zu den iranischen Oppositionellen wird zunächst auf die Linke (Vereinfachung) geschlossen, um dann zu unterstellen, die Linke würde die iranische Regierung bewundern (wer vermutet, dass die Wahl im Iran nicht manipuliert wurde, bewundert also die iranische Regierung) . Und schließlich unterstellt der Artikel auch noch, die Linke sei sich mit den Neonazis (Vorsicht: Signalwort) in der Bewunderung (die nicht vorhanden ist) einig.

Während Neonazis Sympathien für Ahmadinedschad aufgrund dessen anti-israelischer Haltung haben, warnen verschiedenen Personen aus dem linken Spektrum vor einer Dämonisierung des iranischen Präsidenten, weil sie erkennen, dass es bei der Iran-Frage um geostrategische Interessen geht. Das ist ein Unterschied. Einen gemeinsamen Berührungspunkt, der auf ‚Bewunderung‘ beruht, gibt es keinen….“

Der kompletten Telepolis-Beitrag von Marcus Klöckner finden Sie hier.

Henryk M. Broder und der naive Blick auf die Politikercliquen
PS: Henryk M. Broder springt heute Reinhard Mohr bei – und wundert sich in diesem Zsh. doch allen Ernstes darüber, dass „die Freiheit des iranischen Volkes der deutschen Politik nicht einmal eine zivile Sanktion wert ist“. Darüber kann sich aber nur wundern, wer nicht verstehen will, dass es gerade die Mainstreammedien – und allen voran der SPIEGEL – sind, die auch beim Thema Iran weder den deutschen Politikern noch den mit ihnen verbandelten Großkonzernen „eingeheizt“ haben (SPIEGELblog berichtete). Wenn diesen Machtcliquen aber medial nicht auf die Finger gehauen wird, so rühren sie sich natürlich nicht, ist doch eine altbekannte Tatsache. Wenn Broder das nicht sieht, kann er nur ein naives Verständnis von Politik haben. Offenbar glaubt er wirklich, Politikern und Konzernlenkern ginge es in irgendeiner Weise um Menschenrechte und gerechte demokratische Strukturen.

Broder schreibt: „Während also die deutsche Freiheit am Hindukusch [= Afghanistan] militärisch verteidigt wird, war die Freiheit der Iraner der deutschen Regierung nicht einmal eine zivile Sanktion wert.“ Und das, Herr Broder, wundert sie ALLEN ALLEN ERNSTES? Mein Gott, am Hindukusch wird überhaupt keine Freiheit von niemandem verteidigt. Vielmehr geht es dort um Rohstoffvorkommen! Und weil auch Deutschland in Iran milliardenschwere Wirtschaftinteressen hat, reißen die westlichen Politiker natürlich nicht ihr Maul auf und verordnen keine zivilen Sanktionen, die Sie zurecht einfordern. So einfach ist das.

 

7 Kommentare zu “SPIEGEL-Dampfplauderer Reinhard Mohr: erneut ein Slibowitz zu viel”

  1. roninguy sagt:

    sorry, aber sie müssen ihre leser mehrheitlich für idioten halten????? oder?!? warum fühlen sie sich immer wieder veranlasst, ihren ausführungen gleich noch die entsprechende interpretation in klammern hinterher zu schicken? ob es sich um „vereinfachungen“ oder „kampfbegriffe“ handelt, herr oberstudien-, und belehrungsrat, kann das geneigte publikum vielleicht selbst erkennen!?! es sei denn sie gehen davon aus, das ihr blog nur von legasthenikern und/oder trotteln gelesen wird. sooooo (jetzt hat er/ich aber mal die sau rausgelassen). ob ich mich zukünftig derart behandeln lasse und hier weiter lese, hängt von ihrem weiteren belehrungszwang ab. sie haben das wort, belehren sie mich . . .
    roninguy

  2. Hans sagt:

    Warum glauben Sie, dass Sanktionen hilfreich wären?

    Hat nicht das Sanktionsregime gegenüber z.B. dem Irak gezeigt, dass diese vielmehr die Macht der regierenden Elite stärken und der Opposition den Handlungsspielraum einschränken?

    Die Idee, ein Regime durch Sanktionen zu destabilisieren, hat sich in der Vergangenheit eher als kontraproduktiv erwiesen.

  3. SPIEGELblog sagt:

    @ roninguy

    Danke für den Kommentar. Es freut uns, dass Sie inhaltlich keine Fehler in unserem Blog-Beitrag finden konnten. Das, was Sie als lästige Interpretationen bezeichnen, ist in Wahrheit eine völlig zulässige Kritik. Gerade auch der SPIEGEL benutzt immer wieder dieses lästige, weil völlig überholte Links-Rechts-Schema. Und dass es überholt ist, erlauben wir uns anmerken zu dürfen.

    Kritik kann sich ja nicht nur darin beschränken aufzuzeigen, dass der SPIEGEL mal ne Zahl nicht korrekt wiedergegeben hat. Wenn Sie das denken, dann unterschätzen Sie die Manipulationsmöglichkeiten eines so mächtigen Mediums maßlos.

  4. ToMcRiT sagt:

    @ spiegelblog

    Mich würde interessieren was Sie zu dem Argument von „Hans“ sagen? Sind Sanktionen hilfreich?

  5. SPIEGELblog sagt:

    @ ToMcRiT

    Nun, Wirtschaftssanktionen sind sicher kein Selbstgänger, dafür ist die Welt viel zu komplex. Aber wenn sie deutlich vorgetragen und konsequent durchgezogen werden, so können sie sicher ein deutliches politisches Signal setzen. Und womöglich werden sie das betroffene Land auch wirtschaftlich treffen. Dies könnte gerade im Falle von Iran gegeben sein, insbesondere wenn wir hier Henryk M. Broder folgen, der da schreibt:

    „Die Iraner, ebenso wie die Russen, die Chinesen und andere lupenreine Demokraten, machen nicht aus Höflichkeit oder Erbarmen Geschäfte mit deutschen Firmen, sondern weil sie deren Produkte brauchen, so wie die Bundesrepublik iranisches Öl und russisches Gas braucht. Wenn es also eine wirtschaftliche Abhängigkeit gibt, dann funktioniert sie nach beiden Seiten.“

    Sprich, die Iraner sind offenbar heiß auf deutsche Produkte, die womöglich nicht so leicht von anderen Ländern bezogen werden können. Und selbst wenn andere Länder vergleichbare Produkte anbieten könnten, so ist ja zu bedenken, dass Sanktionen nicht immer nur von einem Land verhängt werden sollten, sondern im Idealfall von einer ganzen Staatengemeinschaft. Um dies zu erreichen, sind natürlich auf internationaler Ebene entsprechende Anstrengungen zu unternehmen. Doch wenn es Merkel, Obama&Co. wirklich ernst wäre mit der Demokratisierung zuhause wie in Iran und anderen Ländern, so wären die Anstrengungen sicher nicht sonderlich groß. In Wahrheit geht es aber eben nicht um Demokratie, sondern um Wirtschaftsinteressen.

    Wirtschaftssanktionen sind im Übrigen natürlich nicht das alleinige Heilmittel.

  6. Lesebeute: Leserreporter suchen behinderte Zeitbomben « SpiegelKritik sagt:

    […] Mohr über “Deutsche Linke und Iran” gibt es viele Kommentare. Wir verweisen mal auf Spiegelblog und Nachdenkseiten, die noch einen interessanten Hinweis auf Jürgen Elsässer […]

  7. Johphil sagt:

    Zum Thema Sanktionen gegen Iran:

    http://www.counterpunch.org/rattansi07162009.html

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