ZEIT MAGAZIN: Luxusuhren seitenlang anpreisen und gleichzeitig für sie werben

  01. April 2009, von T. Engelbrecht

Breitling-Anzeige auf der Rückseite vom ZEIT MAGAZIN 14/09...

Zum 1. April gönnen wir uns einen kleinen Ausflug zur Wochenzeitung DIE ZEIT. Immerhin ist sie genau wie der SPIEGEL unsterblich in Helmut Schmidt verliebt, in Hamburg ansässig, ein selbsternannter Garant für Qualitätsjournalismus – und für den vom SPIEGEL gesponserten Lead Award 2009 vorgeschlagen worden, der heute vergeben wird und unter dem Motto „Konzentration auf das Wesentliche“ steht.

Und so haben wir uns allen Ernstes (jenseits aller Aprilscherze) gefragt, was man davon halten soll, wenn DIE ZEIT in der aktuellen Ausgabe ihrer Hochglanzbroschüre ZEIT MAGAZIN erst im redaktionellen Teil Luxusuhren über achteinhalb Seiten werbewirksam präsentiert – und dann auf der Rückseite ihres Magazins eine ganzseitige Anzeige der Luxusuhrenmarke Breitling abdruckt (siehe Bild oben)? Zumal im redaktionellen Teil die Marke Breitling auch noch mal extra thematisiert wird, und zwar in dem Artikel „Taucheruhren: Stil“ (siehe Ausriss).

... und Lob für die Breitling-Uhr im Artikel auf Seite 36 des ZEIT MAGAZIN 14/09

Darin darf ZEIT-MAGAZIN-Redakteur Tillmann Prüfer – der im Übrigen auch für das Novo-Magazin schreibt, bei dessen Lektüre man sich schnell in die Zeit der totalen Fortschrittsgläubigkeit und Atomkrafteuphorie der 50er Jahre zurückversetzt fühlt – die Breitling-Uhr mit männlichen Gedankenspielen hochjubeln:

„… Der Charme der Taucheruhr liegt ohnehin nicht in der Zierde, sondern im Material. Ein Modell wie die Breitling Avenger Seawolf zum Beispiel hält sogar dem Wasserdruck in 1000 Meter Tiefe stand. In dieser Tiefe wäre jeder Mensch vermutlich längst zu Püree gepresst… Wer eine Taucheruhr trägt, fühlt sich stark und unzerstörbar – da muss man eigentlich gar nicht mehr ins Wasser gehen.“

Gleich rechts neben diesem Artikel präsentiert das ZEIT MAGAZIN ein ganzseitiges Foto mit der Breitling-Uhr, die die werbende Überschrift trägt: „Nicht nur für den Tiefseetaucher, sondern auch für den Landgang. Taucheruhr ‚Avenger Seawolf Chrono‘ von Breitling, 3310 Euro.“

Und wer jetzt noch immer daran zweifelt, dass eine solche Luxusuhr – gemäß dem Lead-Award-Motto – zum „Wesentlichen“ im Leben eines echten Mannes zählt, den überzeugt sicher die siebenseitige redaktionelle Bild-Text-Strecke in derselben Ausgabe des ZEIT MAGAZIN „Wer hat an der Uhr gedreht“. Darin darf ein schnuckeliges Kleinkind testen, ob Luxusuhren aus „Titan, Kevlar, Keramik und Wolframkarbid“ wirklich nicht kaputt zu kriegen sind. So unwiderstehlich süß kann Werbung, ähh Journalismus für Luxusgüter sein…

 

8 Kommentare zu “ZEIT MAGAZIN: Luxusuhren seitenlang anpreisen und gleichzeitig für sie werben”

  1. alexandra merz sagt:

    Eine unübersehbare Vermengung von Journalismus und Werbung, und das auch noch im Zeit Magazin. Wunderbar. Die Welt braucht offenbar nicht nur einen Spiegelblog, sondern auch einen Zeitblog!

  2. Orwell 1984 sagt:

    Guter Artikel zu einem Problem, das sich in fast allen Zeitungen und Zeitschriften wiederfindet. So isses halt, keiner kann sich offenbar ganz der Kopplung von redaktionellem Inhalt und Anzeigen entziehen. Nicht mal Spiegelblog. Witzig, dass auf der Seite hier rechts neben dem kritischen Artikel gleich eine Uhren-Bildanzeige plaziert wurde und darunter „Google-Anzeigen“ dreimal auf Breitling-Händler verweist. Willkommen im Club!

  3. SPIEGELblog sagt:

    @Orwell

    … guter Hinweis. Die Unterschiede sind nur, wie wir meinen, dass wir im Gegensatz zum ZEIT MAGAZIN (siehe http://www.iqm.de/medien/magazine/zeitmagazin/media/preise.html#mc) keine 20.000 € pro Anzeige bzw. überhaupt für die Google-Anzeigen bekommen – und dass wir v.a. die Dinge, die Google rechts in der Leiste platziert, nicht zum Traum, der verwirklicht werden muss, hochstilisieren.

    Das Miteinanader von Anzeigen und redaktionellem Teil ist gängig in unserer Medienlandschaft und daher immer eine heikle Angelegenheit. Verwirft man also das ganze System? Wenn ja, wie? Und wenn nein, wie geht man mit ihm um?

    SPIEGELblog-Team

  4. 6 vor 9: Einpeitscher, Mehdorn, Nutzungsrechte » medienlese.com sagt:

    […] 3. “ZEIT MAGAZIN: über Luxusuhren schreiben und gleichzeitig für sie werben” (spiegelblog.net, T. Engelbrecht) Das Zeit Magazin Leben, eben bei den Lead Awards 2009 zum Leadmagazin des Jahres gewählt, schreibt erst im redaktionellen Teil über achteinhalb Seiten werbewirksam über Luxusuhren – und druckt dann auf der Rückseite ihres Magazins eine ganzseitige Anzeige der Luxusuhrenmarke Breitling ab. […]

  5. SPIEGELblog und die Uhren im ZEIT MAGAZIN | Hilfe beim Leben sagt:

    […] “ZEIT MAGAZIN: Luxusuhren seitenlang anpreisen und gleichzeitig für sie werben” beim SPIEGELblog schmunzeln. Es geht dabei um das ZEIT MAGAZIN Nr. 14 vom 26.3.09. Es wird mokiert, dass zuerst […]

  6. nordlicht sagt:

    Suche Zeitung oder Magazin ohne Werbung. Gibt es sowas?

  7. SPIEGELblog sagt:

    Greenpeace Magazin z.B.; und war nicht auch der „Freitag“ bis vor kurzem noch werbefrei?

  8. SPIEGELblog und die Uhren im ZEIT MAGAZIN | Hilfe beim Leben sagt:

    […] „ZEIT MAGAZIN: Luxusuhren seitenlang anpreisen und gleichzeitig für sie werben“ beim SPIEGELblog schmunzeln. Es geht dabei um das ZEIT MAGAZIN Nr. 14 vom 26.3.09. Es wird mokiert, dass zuerst […]

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