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FAZ über SPIEGEL Online: „unterwürfiges Sturmgeschütz“

Wir haben ja schon einiges über den SPIEGEL geschrieben, und viele Leute pflichten uns in unseren Analysen bei. Dass uns aber ausgerechnet die Frankfurter Allgemeine Zeitung beispringt und in dem Artikel „Unterwürfiges Sturmgeschütz“ [1] (siehe Screenshot) ihrer Fassungslosigkeit darüber Ausdruck verleiht, wie [1]das Hamburger Nachrichtenmagazin – so wörtlich – „Hofberichterstattung“ für neoliberal ausgerichtete Spitzenpolitiker betreibt, das hätten wir in der Form nicht so ohne Weiteres erwartet.

Gut, wir haben zuletzt vor allem darüber berichtet, wie der SPIEGEL „Hofberichterstattung“ für Angela Merkel macht [2], während sich die FAZ in ihrem aktuellen Beitrag auf einen Bericht von SPIEGEL Online über den Afghanistanbesuch von Verteidigungsminister von und zu Guttenberg [3] bezieht. Doch das tut der Sache keinen Abbruch, denn auch über die Artikel des SPIEGEL über den „Golden Boy“ [4], die der Hofberichterstattung über die Kanzlerin in Nichts nachstehen, haben wir mehrfach berichtet (siehe zum Beispiel den SPIEGELblog-Beitrag „Wie der SPIEGEL Wirtschaftsminister von und zu Guttenberg in Werbemanier zum Superhelden à la Batman verklärt“ [5]).

FAZ: SPIEGEL Online leitet aus Null-Informationen eine politische Offenbarung ab
„Es ist schon ein starkes Stück, wie SPIEGEL Online über den Afghanistan-Besuch des Verteidigungsministers berichtet“, heißt es zu Beginn des FAZ-Beitrags. „‚Hofberichterstattung‘ ist gar kein Ausdruck… Sieht man genauer hin, dann fällt auf, dass Karl-Theodor zu Guttenberg für blanke Selbstverständlichkeiten gepriesen wird. ‚Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg besteht darauf, die Form zu wahren. Kurz nach der Ankunft in Kabul wird er befragt, was er denn nun von dem alten und neuen Staatschef von Afghanistan verlangen werde. Doch der Minister bittet die Fragesteller um Geduld. Was er mitzuteilen habe, wolle er dem Präsidenten erst selbst sagen.‘ Alles nicht ungewöhnlich. ‚Dann fährt er zum Palast, in dem sich Karzai verschanzt hat. Der Präsident residiert in einer wahren Festung, umgeben von Sicherheitsringen und -schleusen.‘

Merkwürdig: Sicherheitsmaßnahmen für einen Präsidenten? Aber der gewaltige Guttenberg wird sich seinen Weg zu diesem feigen Wicht schon bahnen. ‚Der Ton des Ministers ist in Kabul unzweideutig, er kommt meist ohne die üblichen Floskeln aus, verschwendet keine Sekunde darauf, die Situation zu verharmlosen. Nach dem Gespräch mit dem Präsidenten bezeichnet er die Unterhaltung zwar im perfekten Diplomatenjargon als ,freundlich und offen‘, charakterisiert sie jedoch zugleich als eine Unterredung mit ,entsprechender Zielsetzung‘.‘

Was ist so besonders daran, wenn jemand eine Unterredung mit einer Zielsetzung führt? SPIEGEL Online aber leitet aus all diesen Null-Informationen eine politische Offenbarung und persönliche Eigenschaften ab, die der Minister sich schon selber attestiert („deutliche Worte“), obwohl er in der Sache gar nichts anderes sagt als sein Vorgänger Jung. Aber man will es bei SPIEGEL Online nun einmal so: ‚Direkter als Guttenberg hätte wohl selbst Hillary Clinton in ihren kühlsten Momenten eine solche Nachricht nicht überbringen können.‘ Man tut so, als hätte Guttenberg mit dieser einen Reise, von der noch offen ist, was dabei herauskommt, Unglaubliches geleistet…“

Lesen Sie hier [1] den Rest des FAZ-Artikels, der mit einer vortrefflichen Realsatire von Karl Kraus aus dem Jahr 1916 endet.