Genmais-Studie: SPIEGEL ist abermals auf Kuschelkurs mit der Gen-Industrie – und beruft sich dabei erneut auf Experten mit Monsanto-Vergangenheit

  30. November 2012, von T. Engelbrecht

(Mit Dank an hw)

SPIEGEL Online blendet in seinem Artikel „Genmais-Studie fällt bei EU-Behörden durch“ erneut die Interessenkonflikte der Behörden und anderer Kritiker sowie wichtige Fakten aus; Foto: AP

Monsanto&Co. können sich auf den SPIEGEL verlassen: Regelmäßig übernimmt das angebliche „Sturmgeschütz der Demokratie“ ungeprüft die Aussagen der Agrokonzerne und verkauft diese seinem Millionenpublikum als eine Art Wahrheit letzter Schluss (SPIEGELblog berichtete mehrfach).

Nun, (kritischer) Journalismus sieht natürlich anders aus!

So kommt SPIEGEL Online diese Woche mit der knackigen Headline „Krebskranke Ratten: Genmais-Studie fällt bei [der] EU-Behörde [Efsa] durch“ – eine Aussage, die in der Schärfe schlicht ohne Fundament ist. So lässt die SPON-Redakteurin Nina Weber in ihrem Beitrag geflissentlich unter den Tisch fallen, dass viele Forscher der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa eng mit der Industrie verbandelt sind und somit „zahlreiche Interessenkonflikte“ aufweisen, wie etwa auch Studienautor Gilles-Eric Séralini kritisiert.

Zugleich stützt sich Nina Weber auf Aussagen des Forschers Andrew Cockburn, ohne dabei zu erwähnen, dass dieser „in der Vergangenheit unter anderem für Monsanto, AgrEvo mittlerweile Aventis bzw. Bayer gearbeitet hat“, wie „thinkrice“ im SPON-Forum zu recht anmerkt und wie etwa auch bei GM Watch nachzulesen ist.

Auch erwähnt Weber z.B. den Kritikpunkt, dass in der Studie die Zahl der Tiere in den einzelnen Versuchsgruppen zu gering gewesen sei (nur 10 Rattten pro Behandlung). Dabei lässt sie aber unerwähnt, worauf auch Studienautor Séralini bereits in einem taz-Interview vom 26. September (also zwei Tage vor Veröffentlichung des SPON-Beitrags) hingewiesen hat, nämlich dass auch für die Zulassung von Gentech-Pflanzen nur 10 Ratten verwendet würden.

„kritischerdenker2“ schreibt zu Webers Artikel im SPON-Forum:

Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Es ist bestimmt ein Zufall, dass ein Studie, die behauptet, Genprodukte wären gefährlich, von der Lobby, Entschuldigung, natürlich von besorgten Politikern, so vehement kritisiert wird.
Es ist bestimmt auch ein Zufall, dass die meisten Studien von der Gen-Industrie bezahlt werden – und die werden ganz sicher total objektiv abgewickelt.
Und die Forscher werden von der Industrie dafür belohnt, dass sie die Gefahren aufzeigen…

In der Realität werden allerdings kritische Forscher gefeuert…
Leider sind wir alle Testobjekte, wir erfahren nicht mal, welche Nutztiere mit Genmais gefüttert werden…
Und bestimmt ist Roundup-Mais total gesund, immerhin ist der resistent gegen die stärksten Pflanzengifte, die wir kennen.
Dabei sollte jedem klar sein, dass das Zeug sich nicht auflöst und den Verbraucher vergiftet.
Das ist die Realität der Gen-Forschung. Es geht darum, noch mehr Pflanzen- und Insektengifte einzusetzen – und das ist doch total gesund, oder?
Mahlzeit

 

5 Kommentare zu “Genmais-Studie: SPIEGEL ist abermals auf Kuschelkurs mit der Gen-Industrie – und beruft sich dabei erneut auf Experten mit Monsanto-Vergangenheit”

  1. Too much information - Papierkorb - Lesezeichen vom 30. November 2012 sagt:

    […] SPIEGELblog | Genmais-Studie: SPIEGEL ist abermals auf Kuschelkurs mit der Gen-Industrie – und… (Kritischer) Journalismus sieht zwar anders aus, aber es ist – so unglaublich dies klingen mag – tatsächlich so. So geschehen auch wieder diese Woche. Da kommt SPIEGEL Online mit der knackigen Headline “Krebskranke Ratten: Genmais-Studie fällt bei [der] EU-Behörde Efsa durch”. […]

  2. lef sagt:

    Was soll dieser Artikel?
    Ist die Anti-Genmaisbewegung eine Religion, die nicht kritisiert werden darf?

    Die „Studie“ hat gravierende Mängel – und wenn die (nur AUCH!) von Wissenschaftlern aufgedeckt werden, die in der Genindustrie gearbeitet haben, wird sie dadurch nicht besser!

    Ja, es wurden beiderseits nur 10 Ratten zu Tode gequält (allerdings in der „Studie“ speziell auf Krebsempfänglichkeit gezüchtete!).

    Dass Genmaissorten nur auf Resistenz gegen Herbizide+Insektizide gezüchtet werden, ist unrichtig,
    dass automatisch mehr davon verspritzt wird, ist zunächst eine Behauptung.
    Richtig ist, dass „Round Up“ ein grundsätzlich viel verwendestes Gift ist
    (Laut Wikipedia hat das enorme ökologische Vorteile ) und es (parallel dazu) eine patentierte Maissorte gibt, die dadurch weniger oder nicht geschädigt wird.

    usw.

    Ich würde mich gern belehren lassen, aber so bitte nicht.
    Dieser Artikel ist nur Stimmungsmache für eine Quasireligion.

  3. SPIEGELblog sagt:

    @ lef

    Sie reden an den Fakten vorbei. Bis dato gibt es nämlich definitiv keinen handfesten Beleg dafür, dass die Studie, wie Sie im Chor mit Monsanto und den Monsanto-gefälligen Medien behaupten, “gravierende Mängel” hätte. Dazu will ich gerne etwas mehr ins Detail gehen:

    (1) Fest steht zunächst: Die Untersuchung könnte für die Industrie gefährlich werden, weil die Autoren so lange und detailliert wie kaum eine andere Forschergruppe eine Gentechpflanze an Versuchstieren getestet haben.

    Naturalnews.com schreibt dazu: “Every single industry-backed study that has ever been conducted was designed to conclude after a period of no longer than THREE MONTHS, which is hardly enough time to assess the long-term health damage caused by GMOs”, siehe http://www.naturalnews.com/037394_Monsanto_Roundup_cancer_study.html. Séralini hingegen verfütterte den Genmails NK603 von Monsanto an Ratten während ihrer gesamten Lebensdauer von etwa zwei Jahren.

    (2) Sie merken an, es seien “beiderseits nur 10 Ratten zu Tode gequält” worden, allerdings seien sie in dieser Studie von Séralini speziell auf Krebsempfänglichkeit gezüchtete worden.

    Doch Ihre Aussage läuft ins Leere. Dazu folgendes:

    Zunächst ist es so, dass Studien-Autor Séralini selbst anmerkt: „Der NK603-Mais wurde mit 10 Ratten genehmigt, das ist zu wenig für eine Krebsstudie. Aber eine Krebsstudie mit 50 Ratten kostet 20 Millionen Euro. Niemand hat das bisher gemacht mit Gentech-Pflanzen und RoundUp.“

    Mit anderen Worten: Wenn Studien mit mehr als 10 Ratten bzw. mit 50 Ratten nicht finanziert werden, dann kann man Séralini hier auch nicht kritisieren.

    Hinzu kommt: Der Rattenstamm „Sprague-Dawley“, der natürlicherweise anfällig ist für Krebserkrankungen, wurde nicht nur von Séralini benutzt, sondern auch, um den NK603-Genmais zu genehmigen. Und Séralini zufolge gehörten SÄMTLICHE Tiere in seinem Versuch diesem Stamm an. Dabei entwickelten alle Ratten Tumoren, doch die Ratten mit Genmais und/oder RoundUp im Futter „hatten zwei- bis dreimal mehr [Tumoren] – und in einigen Gruppen sogar fünfmal mehr“, s0 Séralini in dem taz-Interview, siehe http://www.taz.de/Krebs-durch-Genmais/!102352/.

    (3) Séralini erteilte im Übrigen den Ratten auch nicht, wie Monsanto behauptet, eine nur-Mais-Ernährung, sondern ein ausgewogenes Standardfutter für Laborratten. Dabei hat, so Séralini, “jede Ratte die gleiche Menge Mais gefressen, und das reguläre Futter einer Ratte darf maximal 33 Prozent Mais enthalten”.

    (4) Dass Roundup “enorme ökologische Vorteile” haben soll, wie Sie behaupten, ist schlicht absurd und sachlich ausgedrückt faktisch nicht haltbar. Fakt ist vielmehr, dass das Monsanto-Pflanzenspritzmittel z.B. verantwortlich gemacht wird für das weltweite Fröschesterben, wie Studien zeigen (siehe z.B. http://www.greenpeace.de/tip/themen/gentechnik/nachrichten/artikel/monsanto_pflanzenspritzmittel_verantwortlich_fuer_weltweites_froeschesterben/).

    Im Übrigen vernichtet der Gentech-Anbau (Soja, Mais) z.B. in Argentinien und Brasilien gigantische Flächen Regenwald und wandelt fruchtbares Land in gigantische Monokulturen um.

    Und weil sich dort die Plantagen bis zu den Siedlungen ausbreiten, klagen die Menschen an, dass sie durch die versprühten Gifte (Roundzp) krank werden oder sogar sterben. Auch Tiere, Böden, Flüsse und das Trinkwasser werden mit Monsantos Giftcocktail verseucht (siehe z.B. https://www.regenwald.org/aktion/889?ref=nl&mt=1437).

    Zur Giftigkeit von Roundupt heißt es hier http://www.goldmanprize.org/recipient/sofia-gatica z.B. noch:

    “While Monsanto claims there is no risk to humans, a 2008 scientific study found that even at low concentrations, glyphosate [= Giftwirkstoff in Roundup] causes the death of human embryonic, placental and umbilical cells.”

  4. prop sagt:

    @ SPIEGELblog:

    Eine kleine Anmerkung zu (2):
    Die statistische Aussagekraft von dieser Studie ist gleich Null.
    Wie erklären Sie sich z.B. sonst die Tatsache, dass sich eine größere Menge an GMO z.T. positiv auf die Gesundheit der Versuchstiere auswirkt hat?

    Falls der verwendete Mais tatsächlich einen Effekt gehabt hätte, müsste man das auch je nach verwendeter Dosis anhand einer stärkeren Tumorentwicklung beobachten können.

    Letztendlich bewegen wir uns hier ganz einfach im statistischen Rauschen und es ist eine Schande, dass solche Studien überhaupt ihren Weg in Fachmagazine finden.

  5. SPIEGELblog sagt:

    @ prop

    Es geht in meiner Kritik ja nicht, wie Sie schreiben, primär um die Aussagekraft der Studie – sondern v.a. darum, ob es einen handfesten Beleg dafür gibt, dass die Studie gemessen an herkömmlichen wissenschaftlichen Standards “gravierende Mängel” hat. Und das ist, wie ausgeführt (siehe dazu v.a. auch unseren ausführlichen Kommentar vom 2. Dez.) nicht der Fall und insbesondere auch nicht schlüssig vom SPIEGEL dargelegt.

    Natürlich kann man z.B., wie es auch der SPIEGEL tut, die geringe Zahl der Versuchstiere kritisieren. Doch, wie gesagt, eine solche Kritik ist unredlich. Denn wie der Studien-Autor Séralini selbst anmerkt: „Der NK603-Mais wurde mit 10 Ratten genehmigt, das ist zu wenig für eine Krebsstudie. Aber eine Krebsstudie mit 50 Ratten kostet 20 Millionen Euro. Niemand hat das bisher gemacht mit Gentech-Pflanzen und RoundUp.“

    Mit anderen Worten: Wenn Studien mit mehr als 10 Ratten bzw. mit 50 Ratten nicht finanziert werden, dann kann man Séralini hier auch nicht kritisieren.

    Und genau dies blendet der SPIEGEL einfach aus!

    Hinzu kommt, wie ebenfalls erwähnt: Der Rattenstamm „Sprague-Dawley“, der natürlicherweise anfällig ist für Krebserkrankungen, wurde nicht nur von Séralini benutzt, sondern auch, um den NK603-Genmais zu genehmigen. Und Séralini zufolge gehörten SÄMTLICHE Tiere in seinem Versuch diesem Stamm an. Dabei entwickelten alle Ratten Tumoren, doch die Ratten mit Genmais und/oder RoundUp im Futter „hatten zwei- bis dreimal mehr [Tumoren] – und in einigen Gruppen sogar fünfmal mehr“, s0 Séralini in dem taz-Interview, siehe http://www.taz.de/Krebs-durch-Genmais/!102352/.

    Im Endeffekt müsste man also, wenn man konsequent sein wollte, auch alle Zulassungsstudien in die Tonne treten. Doch wo sind die Artikel beim SPIEGEL, in denen die Genmais-Zulassungsstudien in gleicher Weise niedergemacht werden? Diese eben gibt es nicht – im Gegenteil, der SPIEGEL bezeichnet die Gentechnik – ebenfalls völlig haltlos – gar als unverzichtbar, siehe unseren SPIEGELblog-Beitrag unter http://www.spiegelblog.net/gen-soja-unfassbar-der-spiegel-ist-immer-noch-auf-pro-monsanto-kurs.html

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