Der FOCUS und sogar BILD berichten über eine neue Studie, derzufolge Handystrahlung das Hirntumor-Risiko merklich erhöht – doch der SPIEGEL ignoriert auch diese Arbeit, ganz im Sinne der Industrie

  14. November 2014, von T. Engelbrecht

„Dass der Mobilfunk ein reales Gesundheitsrisiko für den Menschen darstellen kann, begründet sich unter anderem auch durch Ergebnisse der Grundlagenforschung. Biologische Wirkungen wurden sehr klar und weit unterhalb der bestehenden Grenzwerte festgestellt.“
Der Krebsforscher Wilhelm Mosgöller, zitiert aus: Torsten Engelbrecht, „Möglicherweise krebserregend“ – Handystrahlung, das unterschätzte Risiko, Dr. med. Mabuse, Juli/August 2011

„Offizielle Auswertungen einer Vielzahl neuer Studien im Ausland – teilweise verbunden mit Warnungen der Strahlenschutz- und Gesundheitsbehörden – widerlegen inzwischen das vom BGH 2004 angenommene ‘Indiz’ für eine Harmlosigkeit der Funkstrahlung (§ BGB § 906 BGB § 906 Absatz I 2 BGB). Im schweizerischen Mobilfunkforschungsprogramm ebenso wie schon seit Jahren in ‘fast allen’ Studien wurden Veränderungen von Gehirnströmen (EEG) registriert. Auch Zellschäden, ähnlich wie sie Radioaktivität bewirkt, konnten beobachtet werden (NFP 57). ‘Unwiderlegbare’ Effekte mit Gesundheitsrelevanz stellte weiter die französische Strahlenschutzbehörde 2009 fest. Eine Resolution der russischen Strahlenschutzbehörde (2011) warnt eindringlich, dass eine Gefahr für Schäden bei Kindern besteht. Und in einem ausführlichen und durchaus ‘mobilfunkfreundlichen’ Report von 2013 warnt nun die kanadische Gesundheitsbehörde von British Columbia vor Spermaschäden sowie der Gefahr von Alzheimer und Parkinson infolge ‘fairly consistent’ beobachteten oxidativen Stresses. Mit diesem ist zugleich ein plausibler und schon bislang vielfach angenommener Teilaspekt für einen Wirkungsmechanismus für die drei Störungen an Zellen (DNA), des Nervensystems (EEG) und der Fertilität (Sperma) benannt, für die es heute gute Belege gibt. All das sind keine Einzelergebnisse, sondern amtliche Aussagen und Warnungen aus mehrjährigen nationalen Forschungsprogrammen oder umfassenden Auswertungen des gegenwärtigen Stands der Forschung.”
Budzinski Hutter, Mobilfunkschäden, NVwZ – Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, Heft 7 2014, S. 418 – 422

bild handy

BILD berichtet auf seiner Website am 14. November über eine „alarmierende Studie“ zum Thema Handy und Hirntumor-Risiko – der SPIEGEL hingegen ignoriert die Arbeit und schenkt traditionell lieber industrienahen Forschern und Forschungsarbeiten Gehör; Foto: picture alliance / blickwinkel/M

Wenn es um mögliche Gefahren durch Mobilfunkstrahlung geht, agiert der SPIEGEL nach wie vor ganz im Sinne der Industrie. SPIEGEGLblog berichtete mehrfach über die PR-artige Schreibe des Nachrichtenmagazins bei dieser Thematik (siehe hier). Und etwa auch die Medienfachzeitschrift message wunderte sich bereits 2007 in ihrem Beitrag “Funkstille über Strahlungsschäden” darüber, wie unkritisch und einseitig der SPIEGEL das Thema anpackt und Mobilfunkskeptiker einfach abqualifiziert.

Dazu passt, dass jetzt etwa der Focus und sogar BILD über eine neue Studie zu Mobilfunkstrahlung unter Leitung des schwedischen Forschers Lennart Hardell berichten, die im Fachmagazin Patholophysiology Journal veröffentlicht wurde. Demnach haben Menschen, die mehr als 25 Jahre lang ein mobiles Telefon nutzen, ein dreifach höheres Risiko, an einem tödlichen Hirntumor zu erkranken. BILD – ein Medium, das wohlgemerkt bis dato nicht gerade durch eine sonderlich konzernkritische Medizinberichterstattung aufgefallen ist – spricht online von einer „alarmierenden Studie“ und macht die Forschungsarbeit sogar auf Seite 1 seiner Printausgabe zum Thema.

Und der SPIEGEL? Der ignoriert die Studie – ganz im Sinne der Industrie. Stattdessen bringt der SPIEGEL mit Vorliebe so illustre Schlagzeilen wie „Angst vor Handy-Strahlen: Kühlen Kopf bewahren“ – ganz im Sinne der Industrie…

Link zum Thema:

# Professor Hardell hat die Ergebnisse seiner Handy-Studien im April 2014 auf dem Kongress der Kompetenzinitiative in Würzburg vorgetragen. Sein Vortrag kann hier heruntergeladen werden.

PS: Der industrienahe Forscher Alexander Lerchl, auf auf dessen Aussagen der SPIEGEL seine Mobilfunkberichterstattung immer wieder stützte, soll wegen Ehrverletzung angeklagt werden
Diagnose Funk, eine Umwelt- und Verbraucherorganisation zum Schutz vor elektromagnetischer Strahlung, berichtet aktuell folgendes:

„Die REFLEX-Studie hatte vor einigen Jahren aufgezeigt, dass GSM- und UMTS-Strahlung [= Mobilfunkstrahlung] zu Krebs führen kann. Gegen die Wissenschaftler und die Mitarbeiterin bzw. Laborantin Elisabeth Kratochvil an der Medizinischen Universität Wien begann eine Rufmordkampagne mit dem zentralen Anwurf, sie hätten die Ergebnisse gefälscht. [Der SPIEGEL hatte maßgeblichen Anteil an dieser haltlosen Kampagne, worüber SPIEGELblog auch ausführlich berichtete –> siehe hier]. Prof. Lerchl[, auf dessen Aussagen der SPIEGEL seine Mobilfunkberichterstattung wohlgemerkt immer wieder stützte, obgleich dieser selbst von der WHO ob seiner Interessenkonflikte abgewiesen wurde*,] und seine mutmasslichen Auftraggeber führen die Kampagne weiter, obwohl die Studienergebnisse inzwischen Teil der Literatur sind und durch weitere Studien bestätigt wurden. Frau Kratochvil hat sich nun dazu entschlossen, nachdem die Kampagne nicht aufhört und Prof. Lerchl die Vorwürfe permanent in der Presse lanciert, einen Prozess zu führen. Lesen Sie die Erklärung der Stiftung Pandora zu diesem Prozess und den Aufruf zu Spenden hier oder auch hier.“

* Prof. Alexander Lerchl bestreitet, dass er von der WHO bzw. dessen International Agency for Research on Cancer (IARC) ob seiner Interessenkonflikte abgewiesen wurde. Ob dem so ist, darüber kann sich jede/r selbst ein Bild machen, indem sie oder er in das Antwortschreiben der IARC an Prof. Lerchl, das vom 26. Oktober 2010 datiert, schaut –> siehe hier. Darin begründet die IARC ihre Entscheidung, Prof. Lerchl nicht in die IARC Monograhps Working Group aufzunehmen, u.a. mit folgendem Satz: „An IARC Monograph is an exercise that demands complete independence from all commercial interests, and from advocates who might be perceived as advancing a pre-conceived position.“

 

5 Kommentare zu “Der FOCUS und sogar BILD berichten über eine neue Studie, derzufolge Handystrahlung das Hirntumor-Risiko merklich erhöht – doch der SPIEGEL ignoriert auch diese Arbeit, ganz im Sinne der Industrie”

  1. Das Handy und der Gehirntumor | Ralf Maucher - Gnosis sagt:

    […] Und eine Kritik am Spiegel. […]

  2. Too much information - Lesezeichen - Lesezeichen vom 15. November 2014 sagt:

    […] SPIEGEL­blog | Der FOCUS und sogar BILD berichten über eine neue Studie, derzu­folge Handys­trah… […]

  3. Fry sagt:

    Vielleicht hat der Spiegel recht, diese Studie zu ignorieren? Die angebliche Schädlichkeit von Handy-„Strahlen“ ist tatsächlich extrem unplausibel – es sind elektromagnetische Wellen geringer Intensität, deren Photonen wesentlich energieärmer sind als das sichtbare Licht. Mit anderen Worten, da müsste man vor einem Kaminfeuer mehr Angst haben.

    Vielleicht sterben Handynutzer deswegen eher, weil sie idR mehr beruflichem Stress ausgesetzt sind? Schon mal daran gedacht? Eine Korrelation beweist keine Kausalität, dieser Schluss ist einer der häufigsten Statistikfehler gerade im medizinischen Umfeld.

  4. Torsten Engelbrecht sagt:

    @ Fry

    Zunächst einmal müsste – was die Beweislast angeht – die Industrie nachweisen, dass Mobilfunkstrahlung auch auf lange Sicht gesundheitlich unbedenklich ist. Einen solchen Beweis gibt es aber nicht. Bis ein solcher Beweis erbracht ist, solange gehörte Mobilfunkstrahlung eigtl. verboten.

    Diesen Aspekt greifen auch der ehemalig Verwaltungsrichter Budzinski und der Medizinprofessor Hutter in ihrem Fachbeitrag „Mobilfunkschäden Ansichtssache? Höchste Zeit für Beweise statt Vermutungen“ auf (ich habe diesen Beitrag auch noch mal in meinem SPIEGELblog-Beitrag verlinkt). Die beiden schreiben u.a.:

    „Beweise der Harmlosigkeit fehlen, wären aber für ein weiteres Bestreitenwollen der Gefahren unerlässlich… Und diesen Beweis hätten Regierung und Betreiber zu führen….“

    Unabhängig davon geht es auch längst nicht mehr, wie Sie offenbar meinen, nur um „Korrelationen“. Vielmehr ist längst nachgewiesen, dass von der Mobilfunkstrahlung ein reales Gesundheitsrisiko für den Menschen ausgeht. Dies begründet sich u.a. auch durch Ergebnisse der Grundlagenforschung. Biologische Wirkungen wurden sehr klar und weit unterhalb der bestehenden Grenzwerte festgestellt (siehe dazu z.B. auch meinen Artikel für die Zeitschrift Dr. med. Mabuse –> http://www.mabuse-verlag.de/Downloads/1915/192_Handystrahlung_Engelbrecht.pdf).

    Dazu schreiben Budzinski und Hutter in ihrem erwähnten Fachbeitrag:

    „Offizielle Auswertungen einer Vielzahl neuer Studien im Ausland – teilweise verbunden mit Warnungen der Strahlenschutz- und Gesundheitsbehörden – widerlegen inzwischen das vom BGH 2004 angenommene ‚Indiz‘ für eine Harmlosigkeit der Funkstrahlung (§ BGB § 906 BGB § 906 Absatz I 2 BGB). Im schweizerischen Mobilfunkforschungsprogramm ebenso wie schon seit Jahren in ‚fast allen‘ Studien wurden Veränderungen von Gehirnströmen (EEG) registriert. Auch Zellschäden, ähnlich wie sie Radioaktivität bewirkt, konnten beobachtet werden (NFP 57). ‚Unwiderlegbare‘ Effekte mit Gesundheitsrelevanz stellte weiter die französische Strahlenschutzbehörde 2009 fest. Eine Resolution der russischen Strahlenschutzbehörde (2011) warnt eindringlich, dass eine Gefahr für Schäden bei Kindern besteht. Und in einem ausführlichen und durchaus ‚mobilfunkfreundlichen‘ Report von 2013 warnt nun die kanadische Gesundheitsbehörde von British Columbia vor Spermaschäden sowie der Gefahr von Alzheimer und Parkinson infolge ‚fairly consistent‘ beobachteten oxidativen Stresses. Mit diesem ist zugleich ein plausibler und schon bislang vielfach angenommener Teilaspekt für einen Wirkungsmechanismus für die drei Störungen an Zellen (DNA), des Nervensystems (EEG) und der Fertilität (Sperma) benannt, für die es heute gute Belege gibt.

    All das sind keine Einzelergebnisse, sondern amtliche Aussagen und Warnungen aus mehrjährigen nationalen Forschungsprogrammen oder umfassenden Auswertungen des gegenwärtigen Stands der Forschung.“

  5. Breucker sagt:

    Ich glaube persönlich schon das Handystrahlung schädlich ist.
    In welchem Ausmaße können wir leider noch nicht fest machen, deswegen sollte gerade in diesem Gebiet mehr gemacht werden.
    aber wer hört schon auf den kleinen Mann.
    Ich gehe auf Nummer sicher und trage das Handy immer möglichst weit weg von mir.
    Und leider geht nicht hervor, wie groß die Auswirkung von Wlan und außeinflüssen war, dementsprechend ist die Studie nicht so Aussagekräftig wie eigentlich erwartet

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