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Laut SPIEGEL haben wir nur die Wahl zwischen Pestizid- und Gen-Apfel; Öko-Äpfel bleiben unerwähnt…

In seiner Ausgabe vom 8. Dezember 2008 berichtet der SPIEGEL in seinem Artikel „Verbotene Frucht“ über die Pläne von Biotechnikern, den „Apfel der Zukunft schaffen“ zu wollen – einen Apfel, der „lagerfähiger, frühreifer und krankheitsresistenter sein soll“. Und am Ende des Artikels wird dem Leser die Frage gestellt: „Wie also wird der Apfel der Zukunft beschaffen sein? “ Und die Antwort des SPIEGEL lautet: Entweder wird der Apfel der Zukunft ein konventionell gezüchteter Apfel sein, der voller Pestizide ist, oder ein „Apfel aus dem Genlabor“. Wir hätten, so heißt es, also nur die Wahl zwischen „Giftspritze oder Genlabor“ – Öko-Äpfel hingegen bleiben in dem Artikel völlig außen vor.

Aber ist es nachweislich so, dass Öko-Äpfel überhaupt keine Alternative darstellen – oder, um es mit den Worten des SPIEGEL zu sagen, keinerlei Chance haben, das Rennen um den „Apfel der Zukunft“ zu gewinnen? Dies darf bezweifelt werden…

So haben wir bei der Redaktion nachgefragt, warum der Anbau von Obstbäumen nach ökologischen Richtlinien keine Alternative darstellen soll. Antwort: „Wenn es um den einzelnen Verbraucher geht, da haben Sie recht, mag der ökologische Anbau eine Alternative sein. Wenn es um uns alle geht, lautet die Antwort eindeutig nein.“ Doch was macht den SPIEGEL so sicher, dass dem so ist? Darauf erhielten wir keine Antwort.

Wäre es aber nicht allein vermessen anzunehmen, dass die Natur uns nicht ernähren könnte? Klar, auch die Ökolandwirtschaft arbeitet zum Teil mit Mitteln wie Kupfer, doch wie eine Datensammlung des Umweltbundesamtes [1] zeigt, ist der wichtigste Eintragspfad für Kupfer in die Böden das Düngen mit Mist und Gülle. Grund hierfür wiederum ist, dass in der konventionellen Tiermast üblicherweise kupferreiche Futtermittel verwendet werden.

Davon abgesehen ist der Gifteinsatz in der Ökolandwirtschaft insgesamt deutlich niedriger als in der industriellen Landwirtschaft. So schafft sich die Agrarindustrie mit ihrem Hang zu Monokulturen ihre ganz eigenen Probleme wie Insekten- oder Pilzbefall, die dann mit einem exzessiven Einsatz von Pestiziden oder Fungiziden korrigiert werden müssen.

Doch wer sagt, dass wir verdammt sind, auf die industrielle Landwirtschaft zu setzen? So sehen Kritiker der industrialisierten hochtechnisierten Landwirtschaft die Lösung in einer diversifizierten ökologisch ausgerichteten Landwirtschaft [2].

Es mag zwar so sein, dass die industrielle Landwirtschaft mehr Lebensmittel pro Quadratmeter herstellen kann. Doch zu welchem Preis? Verbraucht sie damit auch tatsächlich weniger Fläche? Offenbar nicht, denn ihr Ressourcenverbrauch ist ungleich höher. Denken wir nur an die Massentierhaltung, die nur funktionieren kann, weil zur Futterherstellung gigantische Landflächen verbraucht und vor allem auch Urwälder in großem Stil gerodet werden.

Oder denken wir daran, dass die industrielle Landwirtschaft sehr viel mehr Dünger einsetzen muss – Dünger, zu deren Herstellung reichlich Rohstoffe notwendig sind. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist etwa eine Studie, die Anfang September 2008 erschien und den Titel trägt: „The impact of rising oil prices on organic and non-organic farm profitability.“ [3] Danach wird die Ökolandwirtschaft profitabler wirtschaften können als die industrielle Landwirtschaft, sobald der Ölpreis ein gewisses Niveau überschritten hat. Grund: Die industrielle Landwirtschaft ist merklich stärker auf Dünger angewiesen. Und diese Dünger verteuern sich mit dem Anstieg des Ölpreises, da die Industrie, die diese Dünger produziert, einen sehr hohen Verbrauch an fossilen Brennstoffen verzeichnet.

Und können wir sicher sein, dass gentechnisch erzeugte Pflanzen – zum Beispiel Äfpel – risikofrei sind? Der SPIEGEL antwortet uns auf diese Frage mit folgender Gegenfrage: „Gibt es Ihres Wissens irgendeine Technik auf der Welt, von der bewiesen wäre, dass sie risikofrei ist?“ Diese Frage trifft aber nicht den Kern des Problems, denn die Frage, ob überhaupt eine Technik nachweisbar risikofrei ist, steht nicht im Zentrum der Kritik an gentechnisch veränderten Organismen. Die zentrale Frage ist viel mehr: Wie groß und vor allem auch wie beherrschbar ist das Risiko einer bestimmten Technik im Ernstfall? Und es gibt guten Grund, davon auszugehen, dass gentechnisch veränderte Pflanzen, sofern sie ausgepflanzt werden, immense Risiken bergen [4]. Im Vergleich dazu birgt die Ökolandwirtschaft wohl sehr viel weniger Risiken.

Der SPIEGEL schreibt in seinem Beitrag “Verbotene Frucht” im Übrigen auch von einer “besonders raffinierten Idee” der Biotechniker, die am “Apfel der Zukunft” basteln, nämlich den “gentechfreien Gen-Apfel” herzustellen. Genau heißt es: „… Ein gentechnischer Trick gaukelt dem Gewächs vor, es wäre bereits erwachsen. Folglich treibt es Blüten… Bekannte Resistenzgene etwa gegen die Bakterienkrankheit Feuerbrand hoffen die Forscher auf diese Weise künftig schneller in ertragreiche Apfelsorten einkreuzen zu können. Ist das Ziel erreicht, will [der Forscher] Flachowsky das Frühblüher-Gen einfach wieder aus der Apfelsorte herauskreuzen. Das Ergebnis wäre ein Apfelbaum, der zwar durch Erbgutmanipulation entstand, am Ende jedoch gentechfrei wäre.“

Doch ist dem wirklich so? Offenbar nein, denn der „Trick“ besteht darin, in das Erbgut des Apfelbaums das Gen einer Birke einzusetzen, um so das Frühblüherverhalten zu erreichen. Und selbst wenn es tatsächlich gelingen sollte, dieses Birken-Gen wieder wegzukreuzen, so hat trotzdem zuvor ein unkontrollierbarer genmanipulierter Eingriff stattgefunden, von dem niemand wissen kann, welche Auswirkungen er auf das Stoffwechselsystem der Pflanze hat.

„Die gentechnische Veränderung von Pflanzen beruht auf der gezielten Missachtung und Durchbrechung der Gen-Regulierung“, so Stephanie Töwe-Rimkeit, Gentech-Expertin bei Greenpeace. „Dadurch unterscheidet sie sich von allen bisherigen Formen der Züchtung. Gen-Information und Gen-Aktivität werden geändert, die Ordnung des Genoms durchbrochen. Der Ausgang solcher Eingriffe ist nicht abschätzbar. So können unerwartete Stoffwechselprodukte entstehen, durch die nützliche Insekten geschädigt werden. Oder es kann der sekundäre Stoffwechsel gestört werden, sodass die Pflanze besonders anfällig wird gegenüber bestimmten Insekten.“

Greenpeace schreibt daher in seiner Publikation „Fakten und Hintergründe zu Gentech-Soja“ [5]: „Die Zukunft der Landwirtschaft kann nicht im fortgesetzten Einsatz von Pestiziden und der Genmanipulation von Nutzpflanzen liegen. Nur ein nachhaltiger und umweltverträglicher Landbau, der auf Pestizide verzichtet, garantiert den Erhalt der natürlichen Lebensräume, der Arten- und Sortenvielfalt und den Schutz der Böden und des Wassers.“

Dass dies kein frommer Wunsch ist, zeigt auch die Studie „GM-Free Organic Agriculture to Feed the World“ [6]. Interessant in in diesem Zsh. sind außerdem folgende Arbeiten:
# Ho MW,  Burcher S, Lim LC, et al. Food Futures Now, Organic, Sustainable, Fossil Fuel Free [7], ISIS and TWN, London, 2008.
# Burcher S. Full house for Food Futures Now [8]. Science in Society 38, 3-7, 2008

Auch unterzeichneten im April 2008 60 Regierungen den IAASTD (International Assessment of Agricultural Science and Technology for Development) World Agriculture Report [9] in Johannesburg. Das zentrale Ergebnis [10] dieses Reports, der eine Beurteilung der globalen Landwirtschaft darstellt, ist nicht nur, dass die industrielle Landwirtschaft mit ihren Monokulturen und hohem Gifteinsatz praktisch gescheitert ist, sondern auch, dass die Gentechnologie in der Landwirtschaft keine Lösung darstell [11]t, um Armut, Hunger und Klimawandel wirksam begegnen zu können.