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Der SPIEGEL präsentiert Florian Mundt alias LeFloid als Youtube-Star, der „nicht Claus Kleber“ sein will – obgleich LeFloid keineswegs scheut, so systemstützend und faktenfern daherzureden wie der heute-journal-Anchorman

LeFloid erzählt am 6. April 2015 in seinen Youtube-News in der Rubrik „Nett To Know“ [1] (~ab Min. 4:14) seinem Millionenpublikum den absoluten Unfug, Menschen, die Mobilfunkstrahlung kritisch sehen, würden vorbringen, „dass WLAN die perfide Erfindung unserer Regierung ist, um uns langsam aber sicher mit Krebs zu verseuchen“. Tatsächlich nämlich bringen seriöse Experten dies gar nicht vor, sondern sie verweisen auf nichts anderes als harte Fakten. Dazu zählt etwa, dass die Mobilfunkindustrie die Beweislast trägt für die Unschädlichkeit der Handystrahlung – einen solchen Beweis aber nach wie vor nicht vorbringen kann. Oder auch beziehen sie sich auf solide Studien, die z.B. besagen, …

… dass „Mobile phone radiation causes brain tumors and should be classified as a probable human carcinogen (2A).“
Ergebnis einer Studie von Anthony B. Miller et al., die im Mai in der Printausgabe des International Journal of Oncology abgedruckt wird [2]

… oder dass „die Europäische Umweltagentur (EEA) 2013 die Mobiltelefonie aufgrund des Forschungsstandes in ihren Risikokatalog aufnahm… Unterdessen hat das oberste italienische Verwaltungsgericht schon einmal juristische Fakten geschaffen. Im Jahr 2012 entschied es zu Gunsten eines Geschäftsmannes, der an einem gutartigen Tumor am Kopf erkrankt war, einem sogenannten Akustikneurinom. Der Mann hatte zwölf Jahre lang dienstlich mit dem Handy telefoniert und sah darin die Ursache für den Tumor. Das Gericht gab ihm Recht. Die gesetzliche Unfallversicherung musste zahlen.“
Peter Carstens, „Elektrosmog: Vernetzt und verstrahlt“ [3], GEO.de, 8. April 2014

„Es nutzt gar nichts, [Claus] Klebers High Noon inhaltlich zu debattieren. Der Nachrichtenwert ist gleich null, der formale Wert ungleich höher. Denn Kleber… ist selbst nur ein Symptom. Die formalen Kriterien dieser fünf Minuten ‚heute journal‘ sind mittlerweile eins zu eins übertragbar auf einen aktuellen Echtzeit-Eskalationsjournalismus, der Lebenssendezeit füllen und Storys erzählen muss.“
Frank Scirrmacher, „Echtzeitjournalismus: Dr. Seltsam ist heute online“ [4], FAZ.net, 28. März 2014

„Hin und wieder zeigt sich die Janusköpfigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unmittelbar in zwei direkt aufeinander folgenden Sendungen. Etwa dann, wenn von Wagner, Uthoff und ihre Mitstreiter in einer Ausgabe der ‚Anstalt‘ die einseitige Propaganda hinterfragen, die gerade zuvor erst im heute-journal eines Claus Kleber unters Volk gebracht wurde. Der böse Witz ist, dass aufklärerische Formate wie die ‚Anstalt‘ unter Politsatire firmieren, während transatlantische Agitation und Desinformation im “heute-journal” als seriöse Nachrichten verkauft werden.“
nachdenkseiten.de, „Die Janusköpfigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ [5], 7. Jan. 2015

LeFloid erzählt am April 2015 seinem Millionenpublikum [1]

LeFloid erzählt am 6. April 2015 in seinen Youtube-News in der Rubrik „Nett To Know“ (~ab Min. 4:14) seinem Millionenpublikum allen Ernstes den Schmarn, dass der Hinweis darauf, Mobilfunkstrahlung könnte krebserregend sein, mit einer – sic(!) – „Verschwörungstheorie“ gleichzusetzen sei; Screenshot: Youtube-Kanal von LeFloid

In der aktuellen Ausgbe der Print-SPIEGEL findet sich ab Seite 73 ein dreiseitiges Interview mit Florian Mundt alias LeFloid unter der Überschrift „Ich bin nicht Claus Kleber“. LeFloid, so das Nachrichtenmagazin, „kommentiert auf seinem YouTube-Kanal das Weltgeschehen. Er ist damit zu einem Star mit Millionen Zuschauern geworden. Bei ihm, sagt er, interessieren sich auch Jugendliche für Politik.“

Doch LeFloid kommentiert nicht, wie der SPIEGEL seiner Leserschaft weismachen will, zuvorderst „das Weltgeschehen“ bzw. „Politik“. Jedenfalls ist es so:

Wenn man bei Youtube in das Suchfenster „LeFloid“ eingibt, so erhält man als erste vier Treffer Video-Newsbeiträge von LeFloid mit den Headlines „Vormittag Schülerin – Abends Hure“, „Mensch lässt sich Kopf abnehmen und transplantieren…“, „Wenn April-Scherz mal VIEL zu weit gehen“ und „Die grausamen Namen für Kinder“ – was klar nach RTLs explosiv klingt und nicht wirklich nach Kommentierung des Weltgeschehens und der großen Politik.

Das wäre im Grunde auch nicht weiter schlimm, wenn LeFloid deutlich mehr Systemkritik einstreuen würde. Zwar beteuert LeFloid „Ich bin nicht Claus Kleber“. Doch auch der Umstand, dass der SPIEGEL dieses Zitat gar als Interview-Überschrift gewählt hat, ändert nichts daran, dass der Youtube-Star sich bei genauer Betrachtung gerne eben wie der heute-journal-Anchorman Kleber geriert. Und Kleber präsentiert anstelle von echter Aufklärung tendenziell eben nur „Echtzeit-Eskalationsjournalismus, der Lebenssendezeit füllen und Storys erzählen muss“, wie es Frank Scirrmacher im vergangenen Jahr in seinem Artikel „Echtzeitjournalismus: Dr. Seltsam ist heute online“ [4] formulierte.

Oder wie es nachdenkseiten.de Anfang des Jahre ausdrückte [5]: Claus Kleber bringe in einer Nachrichtensendung, die für viele noch den Anschein des Seriösen hat, die Propaganda der herrschenden Machtcliquen unters Volk.

Wie sehr auch LeFloid eben doch ein Claus Kleber ist, zeigte sich z.B. am 6. April, als er über seinen Youtube-Kanal an sein Millionenpublikum die Information weiterreichte, dass Menschen, die Mobilfunkstrahlulng kritisch gegenüberstehen, behaupten würden, „dass WLAN die perfide Erfindung unserer Regierung ist, um uns langsam aber sicher mit Krebs zu verseuchen“. Doch dies ist – mit Verlaub – grober Unfug. Genau wie es Unfug ist, wie es LeFloid dann auch noch getan hat, die Kritik an der Mobilfunkstrahlung mit dem inhaltsleeren Kampfbegriff „Verschwörungstheorie“ zu belegen.

Wie sehr LeFloid hier an den Fakten vorbei- und ganz im Sinne der Mobilfunkindustrie daherredet, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Fakten die seriösen Kritiker der Mobilfunkstrahlung vorzuweisen haben. Dabei geht es primär um folgende Drei Dinge:

(1) Die Beweislage dafür, dass Mobilfunkstrahlung Krebs macht, wird immer erdrückender
So erscheint nächsten Monat in der Printausgabe des International Journal of Oncology die Studie „Mobile phone radiation causes brain tumors and should be classified as a probable human carcinogen (2A)“ [2]. Damit kommen die Autoren zu dem bemerkenswerten Schluss, dass Mobilfunkstrahlung in der Klassifizierung der WHO von derzeit 2B (= möglicherweise krebserregend) auf 2A (= wahrscheinlich krebserregend) hochgestuft werden sollte.

Zuvor wurden schon im schweizerischen Mobilfunkforschungsprogramm ebenso wie in fast allen nicht(!) durch die Industrie finanzierten Studien Veränderungen von Gehirnströmen (EEG) registriert, darunter auch Zellschäden, ähnlich wie sie Radioaktivität bewirkt. „Unwiderlegbare“ Effekte mit Gesundheitsrelevanz stellte, um ein weiteres Beispiel zu nennen, 2009 die französische Strahlenschutzbehörde fest.

(2) Mobilfunkindustrie und Behörden lassen Beweise dafür vermissen, dass Mobilfunkstrahlung unbedenklich ist
Ganz grundsätzlich wird übersehen, dass Beweise für die Harmlosigkeit von Mobilfunkstrahlung fehlen! Genau solche Beweise wären aber unerlässlich, wenn man die Gefahren, die durch WLAN ausgehen, weiterhin bestreiten wollte. Darauf machen etwa auch der ehemalige Verwaltungsrichter Bernd I. Budzinski und der Medizinprofessor Hans-Peter Hutter in ihrem Fachartikel „Mobilfunkschäden Ansichtssache? Höchste Zeit für Beweise statt Vermutungen“ aufmerksam, der in der „NVwZ – Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht“, Heft 7 2014, erschienen ist.

„Denn was unstreitig biologisch wirkt, gefährdet tendenziell auch die Gesundheit – bis zum Beweise des Gegenteils („Pessimismusprinzip“)“, so Budzinskis und Hutter weiter. „Und diesen Beweis hätten Regierung und Betreiber zu führen. Die Beweislast kehrt damit der Regel entsprechend zum Störer zurück.“

(3) Offizielle Grenzwertdebatte wird von realitätsfernem Wärme-Dogma bestimmt
Übersehen wird nicht zuletzt auch, dass es einen blinden Fleck in der Grenz- oder Höchstwertdebatte im Zsh. mit Mobilfunkstrahlung gibt. So werden von Industrie und Behörden nur thermische Effekte, also die Erwärmung, berücksichtigt. Die biologischen Wirkungen hingegen, die schon bei geringer Strahlung auftreten, werden in der Grenzwert-Diskussion ausgeblendet. Doch es liegen eben eine Vielzahl an Forschungsergebnissen vor, die nachweisen, dass beim Mechanismus der Zellschädigung durch nicht-ionisierende Strahlung wie Mobilfunk nicht die Erwärmung entscheidend ist, sondern diese auf indirektem Weg erfolgt: Die Strahlung führt demnach z.B. durch die Provokation freier Radikale zu oxidativem Stress in den Zellen.