- SPIEGELblog - http://www.spiegelblog.net -

Mai-Demos: Krawallberichterstattung statt Ausgewogenheit und Sachlichkeit

(mit Dank an David C.)

Nicht nur bei der so genannten Schweine- oder Mexikogrippe geht es dem SPIEGEL vornehmlich um die Sensation anstatt um eine sachliche Analyse der Fakten. Auch bei der Berichterstattung über die Mai-Demonstrationen [1]in Berlin zeichnet sich das Blatt durch eine Krawallberichterstattung aus, die Ausgewohgenheit, Sachlichkeit und wichtige Informationen vermissen lässt.

Dies zeigt sich nicht nur in dem Artikel „Mai-Randale in Berlin: Krawalle erschüttern Kreuzberg“ [1] (siehe Screenshot). Wenn man zum Beispiel bei SPIEGEL Online in die Suchfunktion den Begriff „Mai-Demonstration“ eingibt, so erhält man sechs Artikeltreffer zum 1. Mai 2009, in deren Schlagzeilen allesamt die Randale Thema sind [2] – während die friedlichen Proteste in keiner Headline zu finden sind. Dabei lag die Zahl der friedlichen Demonstranten um ein Zigfaches höher als die Zahl der tatsächlichen Randalierer.

Zugleich nennt SPIEGEL Online eine offenbar viel zu niedrige Zahl friedlicher Demonstranten. Beim Mayday-Straßenfest in Kreuzberg etwa spricht SPIEGEL Online von 30.000 Teilnehmern [3]. Doch der Veranstaltungsort erstreckte sich vom U-Bahnhof Kottbusser Tor über Oranienstraße, Moritzplatz bis zum Görlitzer Bahnhof und einige Seitenstraßen wie die Naunystraße. Die Straßen und Plätze waren am Abend gut gefüllt, an einigen Stellen gab es so viel Gedränge, dass man kaum durchkam. Außerdem kamen mit der U-Bahn und zu Fuß immer mehr Leute dazu. Wer das Areal kennt, weiß, dass sich allein auf der Oranienstraße 30.000 bis 40.000 Menschen versammelt hatten.

Und obwohl sich auf dem „Mayday Festival“ stundenlang Zehntausende Menschen tummelten, waren weit und breit keine Reporter zu sehen. Später hingegen tollten sich Kameramänner mit der Polizei auf dem Platz vorm Görlitzer Bahnhof und hielten sofort drauf, wenn auch nur eine Flasche flog.

Und wo auf der SPIEGEL-Online-Seite finden sich Fotos von den friedlichen Protesten? Stolze 25 Fotos weist die Fotostrecke zum Artikel „Randale am 1. Mai. Polizisten und Autonome liefern sich Straßenschlacht in Kreuzberg“ [3] auf. Doch 23 dieser 25 Fotos zeigen Krawalle, kämpfende Demonstranten und Polizisten sowie Innensenator Körting. Demgegenüber sind nur auf zwei dieser 25 Fotos (Foto 9 und 23) friedliche Szenen zu sehen. Bild 9 trägt die Bildunterschrift: „Fiedliches Fest: Es gab nicht nur Krawalle. Das Myfest [4] wird seit einigen Jahren in Kreuzberg organisiert. Dieses Jahr spielten bei dem Straßenfest auf 19 Bühnen mehr als 600 Bands, DJs und andere Künstler.“ Doch wo macht sich das in der SPIEGEL-Online-Berichterstattung bemerkbar?

Zumal auch viele Teilnehmer berichten, dass die Randale, die an diesem 1. Mai stattfanden, nicht schlimmer waren als in den Jahren zuvor. Damit sollen die Krawalle nicht verharmlost werden. Doch wenn SPIEGEL Online schreibt, 2009 sei alles „schlimmer“, „gewalttätiger“ etc. gewesen als in den Jahren zuvor, dann ist dies offenbar falsch – macht sich aber natürlich besser, um die Aufmerksamkeit der Leser zu bekommen.

Unausgewogener und krawallbürstiger kann eine Berichterstattung kaum sein. Dies spiegelt sich auch in Beiträgen des Online-Forums wieder. Auch berichtet ein friedlicher Demonstrant: „Während sich die ‚Kindsköpfe‘ am Kottbusser Tor mit den Polizisten prügelten, ging – vom SPIEGEL unbemerkt – in der Oranienburger Straße und der Naunystraße die Party noch lange weiter.“