Märklin-Affäre: SPIEGEL-Redakteur René Pfister wird Kisch-Preis aberkannt – und die Recherchemethoden des Magazins geraten zunehemend unter Beschuss

  12. Mai 2011, von T. Engelbrecht

(Mit Dank an Hartmut Z.)

SPIEGEL-Redakteur René Pfister hatte den diesjährigen Henri-Nannen-Preis für die beste Reportage erhalten. Ausgezeichnet wurde sein Stück „Am Stellpult“ über den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (siehe auch Screenshot). Doch dann hat die Jury ihm die Auszeichnung aberkannt. Grund: Pfisters Einstieg in seine Reportage erweckte den falschen Eindruck, Pfister habe CSU-Chef Seehofer mit Märklin-Eisenbahn im Hobbykeller getroffen.

Daraus ist ein regelrechter Medienkrieg geworden. Der SPIEGEL selber äußert – wen wundert’s – „Unverständnis“. Doch die kritischen Stimmen mehren sich. Die BILD-Zeitung hat sich dabei die Mühe gemacht und in dem Stück „Märklin-Affäre: Medienkrieg um SPIEGEL-Methoden“ einige kritische Kommentare dazu zusammengetragen. Diese reichten, so die BILD, von „Betrug am Leser“ über „fragwürdig“ und „imaginierter Journalismus“ bis hin zu „qualitativ schwach“.

taz: Vorgehensweise Pfisters ist „Betrug am Leser und der journalistischen Glaubwürdigkeit
„Bisher rühmt sich das Hamburger Magazin gegenüber Anzeigenkunden seiner intensiven ‚Vor-Ort-Recherche'“, so die BILD . „Doch jetzt nehmen deutsche Medien den SPIEGEL und seine Recherche-Methoden unter Beschuss!“

Zitiert wird etwa die tageszeitung , die darauf aufmerksam macht, dass ja besonders beim SPIEGEL die Sitte verbreitet sei, „Kolportieren als Reportieren auszugeben.“ Betrug im strafrechtlichen Sinn seit das nicht, „Betrug am Leser und der journalistischen Glaubwürdigkeit schon eher.“

Im Stern heißt es: „‚Imaginierten Journalismus‘ nennt Regierungssprecher Steffen Seibert jenen Reportagestil, für den der SPIEGEL so berühmt ist: Immer so schreiben, als hätte man bei den Wichtigen unterm Tisch gesessen – oder auf der Kellertreppe.“

Die Stuttgarter Zeitung wiederum warnt vor einer „fragwürdigen Art des Geschichtenerzählens“. Kritiker des SPIEGEL beklagten „seit Langem eine eigenwillige Haltung beim deutschen ‚Sturmgeschütz der Demokratie‘, wenn es darum geht, Quellen ordentlich einzuordnen“.

Hans Leyendecker von der Süddeutschen fordert hingegen den Rücktritt der Henri-Nannen-Jury. Es geistere „der Verdacht umher, dass sich eine Seilschaft im Norden die Preise zuschustere“.

Der Medien-Journalist Oliver Gehrs haut bei meedia.de in dieselbe Kerbe: „Da sitzt ein kleiner Klüngel von renommierten Magazin-Redakteuren beisammen und schiebt sich gegenseitig Preise zu. Es sind immer wieder dieselben, immer wieder Geo, immer wieder der SPIEGEL, oft die Süddeutsche. Andere kommen gar nicht zum Zuge.“

Auch bemerkenswert: „Selbst der SPIEGEL-Textchef übt Kritik“, so die BILD! „Auf Facebook schreibt Klaus Brinkbäumer, ein Halbsatz der Erläuterung, woher die Einstiegsszene stamme, wäre vielleicht angebracht gewesen…“

 

Ein Kommentar zu “Märklin-Affäre: SPIEGEL-Redakteur René Pfister wird Kisch-Preis aberkannt – und die Recherchemethoden des Magazins geraten zunehemend unter Beschuss”

  1. Tim sagt:

    Ist zwar Bild, aber dieser Kommentar trifft es m.A.n. sehr perfekt:

    “ (…) Und erst vor wenigen Tagen hat die „taz“ sehr gut resümiert: Der „Spiegel“ bietet immer häufiger Kolportage statt Reportage. Die journalistische Grundhaltung des „Spiegel“-Autors ist die Intimität mit der Macht. Man weiß nicht nur, was die Politiker sagen und tun, sondern auch was sie denken. Deshalb gibt es immer mehr Psychogramme und Persönlichkeitsprofile, die als imaginäre Expeditionen im Kopf des Politikers angelegt sind. Der Konjunktiv regiert.
    Im Grunde handelt es sich hier um eine Art Boulevard für Intellektuelle, also um Klatsch und Tratsch höherer Ordnung. Doch wie verträgt sich das mit dem Anspruch, das deutsche Nachrichten-Magazin zu sein? (…)“
    http://www.bild.de/news/inland/spiegel/ist-kastriert-17892380.bild.html

Hinterlasse einen Kommentar