- SPIEGELblog - http://www.spiegelblog.net -

Mobilfunkstrahlung: Wie SPIEGEL Online erneut haltlos behauptet, „Vieltelefonierern droht kein höheres Krebsrisiko“

Über die dänische Handystudie, auf die sich SPIEGEL Online kritiklos beruft, sagen „researchers from the U.K., U.S., Australia, and elswhere around the world … [it] was ’seriously flawed'“.
Don Reisinger, CNET News 21. Okt. 2011 [1]

SPON-Artikel vom 21.10.2011; Foto: Reuters [2]

SPON-Artikel vom 21.10.2011; Foto: Reuters

Sicher, den ultimativen Beweis dafür, dass Mobilfunkstrahlung krebserregend ist, gibt es freilich noch nicht. Doch wie ich z.B. in meinem Artikel „Handystrahlung: „möglicherweise krebserregend“ für die Zeitschrift Dr. med. Mabuse [3] fundiert aufzeige, besteht mindestens reichlich Grund zur (Vor)Sorge. Nicht nur die Ärztekammer Wien forderte erst kürzlich: Die Politik muss bei der allgegenwärtigen Mobilfunkstrahlung jetzt handeln, damit sich die Geschichte von Schadstoffen wie Asbest nicht wiederholt.

Ganz anders der SPIEGEL: Kritiklos und einseitig, ja regelrecht industriefreundlich – und damit in journalistisch unsauberer Manier – redet er die möglichen Gefahren der Handystrahlung regelmäßig einfach weg (SPIEGELblog berichtete bereits mehrfach darüber [4]). So auch in dem aktuellen Beitrag auf SPIEGEL Online „Dänische Langzeitstudie: Vieltelefonierern droht kein höheres Krebsrisiko“ [2] (siehe auch Screenshot). Allein die Überschrift ist faktisch schlichtweg nicht haltbar, denn dass „Vieltelefonierern kein höheres Krebsrisko droht“, wie da süffisant behauptet wird, ist wissenschaftlich einfach nicht haltbar.

Mobilfunkforscherin Devra Davis: „This deeply flawed [Danish] study was designed to fail to find an increased risk of brain tumors tied with cellphone use“
Erschwerend kommt hinzu, dass SPIEGEL Online die Kritik an der Studie wieder einmal vollkommen ausblendet. So schreibt Don Reisinger auf CNET News in seinem Beitrag „Do cell phones cause brain tumors? Debate rages“ [1]: „After the study was published, researchers from the U.K., U.S., Australia, and elsewhere around the world said that the Denmark study was ’seriously flawed‘ and should not be considered a definitive source for information on the risk of contracting a brain tumor after prolonged mobile phone use.“

Reisinger zitiert dazu auch die renommierte Mobilfunk- und Krebsforscherin Devra Davis mit den Worten: „From the way it was set up originally, this deeply flawed [Danish] study was designed to fail to find an increased risk of brain tumors tied with cellphone use. In order for any study of a relatively rare disease like brain tumors to find a change in risk, millions must be followed for decades.“

Dr. med. Joachim Mutter: „Mehr als 300.000 ‚heavy users‘ wurden in der dänischen Studie einfach der Gruppe der Nicht-Handynutzer zugeordnet“
Wie Davis sieht etwa auch der angesehene Umweltmediziner Dr. med. Joachim Mutter weitere fundamentale Schwachstellen der Studie, die im British Medical Journal abgedruckt wurde: „Für die Studie wurden alle Personen registriert, die zwischen 1982 und 1995 einen Handyvertrag abschlossen. Der Handyboom begann aber erst ab ca.1996. Alle Dänen, die erst nach 1996 begonnen haben, mobil zu telefonieren, wurden der Gruppe der Nichtnutzer zugeschrieben! Dies ist geradezu absurd und eine mutwillige Verwässerung der Statistik.“

Hinzu komme, so Mutter, dass wegen fehlender Personendaten etwa 200.000 Fimenvertragsnutzer der Gruppe der Nichtnutzer von Handys zurechnet wurden. „Auch das ist eine unsaubere Vorgehensweise. Denn die Firmenverträgsnutzer sind Personen, die normalerweise besonders häufig das Handy benutzen! Somit wurde in der dänischen Arbeit dadurch, dass diese ‚heavy users‘ den Nicht-Handynutzern zugeordnet wurden, das Tumorrisiko der Nicht-Handynutzer erhöht, und die statistische Signifikanz gegenüber den ‚Nutzern‘ verwässert.“

Besonders pikant sei nicht zuletzt auch, so Mutter weiter, „dass im Editorial derselben Ausgabe des British Medical Journal ein gewisser Prof. Ahlbom, der wohlgemerkt von der WHO-Krebsarbeitsgruppe IACR, die Mobilfunkstrahlung gerade erst als ‚möglicherweise krebserregend‘ eingestuft hat, wegen besonders großen Interessenskonflikten zur Mobilfunkindustrie ausgeschlossen wurde, schreiben durfte: ‚Die allermeisten Handystudien zeigen keine Krebsgefahr'“.

Weiterer interessanter Link zum Thema:

# Diagnose Funk: „Alle Jahre wieder: Die Presse lässt sich im Vorweihnachtsgeschäft für Entwarnungsmeldungen instrumentalisieren“ [5]