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Rebellion im Iran: Wie der SPIEGEL die Rolle von Nokia Siemens Networks bei der Installation des Bespitzelungssystems der Mullahs verschweigt

(MIt Dank an Alex Dommnich)

„Iran is big business for Europe – with some €14.1 billion worth of goods sent to the country in 2008-, whose companies sell it everything from rail equipment to turbines and even cell phone technology that has been used to block communications between protesters seeking to overturn disputed election results.“
Matt Moore, Associated Press, 23. Juni 2009 [1]

But while European governments have expressed outrage over Tehran’s bloody crackdown on the demonstrations, lucrative business interests will make them think twice about taking tough action like imposing sanctions.

Nicht nur beim Thema Hugo Chávez [2], auch beim aktuellen Titel [3]des SPIEGEL – „Rebellion [im Iran] gegen die Radikalen“ – sind die Rollen mal wieder klar verteilt: Auf der einen Seite die Superbösen Mullahs aus dem Gottesstaat und auf der anderen Seite Barack Obama, bei dem, so der SPIEGEL wörtlich, „kraftvoller Idealismus mit nüchternem Wirklichkeitssinn zusammenfließen“ (S. 99 der aktuellen Print-Ausgabe). Dass die Mullahs einen Schuss weg haben und abgelöst gehören, steht außer Frage. Doch so, wie der SPIEGEL zum wiederholten Male Obama als eine Art Heilsbringer präsentiert, ist schlicht wirklichkeitsfremd, besteht doch der begründete Verdacht, dass die Obama-Administration auf den brutalen Pfaden der Neokons um Bush und Cheney wandelt (siehe letzten SPIEGELblog-Bericht dazu [4] oder auch den Beitrag „How the Financial Reform Plan Protects the Status Quo: Obama’s (Latest) Surrender to Wall Street“ auf Counterpunch.org [5]).

Der SPIEGEL verliert über die Machenschaften der Konzerne kein Sterbenswörtchen
Die Nähe zu den Konzernen ist also auch bei Obama unverkennbar. Insofern fehlt bei der Berichterstattung des SPIEGEL ein entscheidender Aspekt: Wie „böse“, sprich staatstragend, sind die Großkonzerne, die im Iran aktiv sind? Offenbar ziemlich böse! So hat Iran, wie die Süddeutsche [6] jetzt berichtet, wohl eines der weltweit besten Systeme zur Kontrolle der Kommunikation – und Nokia Siemens Networks soll dabei geholfen haben, es einzurichten (eine „News“, die die Washington Times im Übrigen bereits am 13. April brachte [7]). Der SPIEGEL verliert aber über derlei pikante Details zu den Machenschaften von Konzernen kein Sterbenswörtchen.

Hat der SPIEGEL, der sich selber ja als ach so investigativ bezeichnet, mal wieder nur schlecht recherchiert? Oder wollte man nur mal wieder auf plumpe Art schwarz-weiß-malen und damit von bedeutenden Machtcliquen, die im Hintergrund agierenden, ablenken? Oder wollte das selbsternannte „Sturmgeschütz der Demokratie“ [8] Siemens als Anzeigenkunden nicht auf die Füße treten? So ist Siemens nicht nur Anzeigenkunde bei SPIEGEL Online (siehe Screenshot), auch findet sich eine achtseitige(!) Anzeige im aktuellen SPIEGEL-Heft, und zwar kurz vor dem Start der Titelgeschichte „Rebellion [im Iran] gegen die Radikalen“.

Überall auf der Welt sind es die Großkonzerne, die mit Politikern jedweder Couleur zusammenarbeiten und Milliarden von Menschen das Leben schwer und oft genug auch zur Hölle machen. Jean Ziegler, von 2000 bis 2008 UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, hat die korrumpierenden Machtstrukturen, die von Großkonzernen beherrscht werden, als “Imperium der Schande” bezeichnet. Unter diesem Titel hat er auch ein bemerkenswertes Buch geschrieben [9]

Ex-Kanzler und SPIEGEL-Essayist Gerhard Schröder kungelt auch mit dem Iran
Unser Ex-Bundeskanlzer Gerhard Schröder ist unterdessen auch ein exzellentes Beispiel dafür, wie eng Politik und Großkonzerne miteinander verwoben sind. Erst vor kurzem schickte der russische Energiekonzern Gazprom Schröder auf Iran-Mission – doch vom SPIEGEL, der Schröder sogar als Essayisten hofiert, erfuhr man darüber nichts (SPIEGELblog berichtete [10]).

Wer also, wie der SPIEGEL, dieses Imperium der Schande in seiner Berichterstattung immer wieder ausblendet, kann seinen Lesern kein realitätsgetreues Abbild von den Geschehnissen auf diesem Planeten liefern. Genau dies benötigt aber die Welt so dringend, damit unsere Gesellschaften endlich viel gerechter, friedlicher und naturverträglicher werden können.

[11]PS: Kurz nachdem SPIEGELblog diesen Bericht gepostet hat, sah sich SPIEGEL Online offenbar genötigt, den Deal von Nokia Siemens Networks doch aufzugreifen, und zwar in dem Bericht „Deutsche Hilfe für Ahmadinedschads Garden“ [12]. Allerdings ist der Beitrag von der SPIEGEL-Online-Homepage sogleich wieder verschwunden.

Zwar ist das Thema Iran um 15.31 Uhr noch die zweite Topnews auf der Homepage von SPIEGEL Online, Schlagzeile: „Europa verurteilt brutale Gewalt im Iran“ – und unter dieser Headline und dem dazugehörigen Teaser finden sich gleich fünf Links zu weiteren SPIEGEL-Online-Beiträgen über die aktuellen Geschehnisse im Iran. Doch der Beitrag über den Deal von Nokia Siemens Networks und den Mullahs ist nicht verlinkt… (siehe zweiten Screenshot).