Rückrufaktion von Toyota ist auch beim SPIEGEL groß Thema – überfällige Rückrufaktionen bei Medikamenten hingegen nicht

  25. Februar 2010, von T. Engelbrecht

„34 deaths alleged to be attributable to defective Toyota cars (13 of those deaths occurred between 2005 and 2010). Toyota has recalled 8.5 million cars. Yet, defective FDA-approved drugs that kill thousands of people every week! One has to wonder why discovery of defective cars are front page news while defective FDA-approved  prescription drugs are accepted as part of life’s risk.“
Vera Sharav, Alliance for Human Research Protection

Ohne Frage: Dass Menschen sterben mussten, weil der japanische Autobauer Toyota in seine Fahrzeuge defekte Gaspedale eingebaut hatte, ist ein dramatisches Ereignis. So waren im August vergangenen Jahres vier Familienmitglieder bei einem Unfall mit einer Lexus-Limousine ums Leben gekommen, weil der Wagen sich nicht mehr stoppen ließ und in einen Geländewagen raste. Das Unglück hatte letztlich die Rückrufwelle ausgelöst, die von den Massenmedien mit großen Schlagzeilen begleitet wurde und wird. So bringt SPIEGEL Online auch aktuell eine Top-News zum Thema: „Rückruf-Desaster: Mr. Toyodas Kotau fällt flach“ (siehe Screenshot).

Doch wo, bitte schön, ist der Kotau der Medikamentenhersteller für die Kollateralschäden und Todesfälle, die sie mit ihren Präparaten verursachen – und vor allem: Wo ist die Medienberichterstattung darüber? Hier taucht es abermals auf (wie etwa auch beim Selbstmord von Robert Enke oder auch beim Amoklauf in Winnenden, um nur zwei von unzähligen Beispielen zu nennen): Das tendenziell blinde Auge der Medien, wenn es um das Thema Medikamentennebenwirkungen geht.

Auf genau diese fehlende Medienberichterstattung macht auch Vera Sharav von der Alliance for Human Research Protection, einer Patientenschutzorganisation mit Sitz in New York, aufmerksam. In Ihrer Newsmitteilung „Drug Casualties Continue to Increase/Quarterwatch“ schreibt sie:

„One has to wonder why discovery of defective cars are front page news while defective FDA-approved prescription drugs are accepted as part of life’s risk.

According to the database maintained by the National Highway Safety Administration there were 34 deaths  alleged to be attributable to defective Toyota cars (13 of those deaths occurred between 2005 and 2010).  Toyota has recalled 8.5 million cars.

Yet, defective FDA-approved drugs that kill thousands of people every week!

GlaxoSmithKline’s diabetes drug, Avandia, and AstraZeneca’s, antipsychotic, Seroquel, are the two worst  drugs
The latest Quaterwatch report by the Institute for Safe Medication Practices, that analyzing serious adverse events reported to the FDA’s Medwatch found that the number of consumers harmed and killed by FDA-approved prescription drugs keeps rising. see http://www.ismp.org/QuarterWatch/2008Q2.pdf:

‚In the third quarter of 2009 the steady increase continued in reported serious, disabling and fatal adverse  drug events. Cases meeting the QuarterWatch criteria totaled 29,065 cases, an increase of 2,256 cases  (8.4%) from the same quarter in the previous year. For the first three quarters of 2009, combined case  reports increased by 8.1% from the first three quarters of 2009.‘

GlaxoSmithKline’s diabetes drug, Avandia, and AstraZeneca’s, antipsychotic, Seroquel, are the two worst  drugs – if one considers the magnitude of harm produced by these drugs, coupled with these drugs‘ controversial (at best) clinical value.“

Lesen Sie hier den Rest der Newsmitteilung von der Alliance for Human Research Protection.

 

4 Kommentare zu “Rückrufaktion von Toyota ist auch beim SPIEGEL groß Thema – überfällige Rückrufaktionen bei Medikamenten hingegen nicht”

  1. Alexander Tetzlaf sagt:

    Dem weltbesten Autobauer zu schaden ist ja auch patriotische Pflicht.

  2. Gero sagt:

    Um sich einen Eindruck zu machen, wie weit es sich bei Medikamenten-Schäden um „Einzelfälle“ handelt, lohnt sich ein Blick auf eine Auswahl medizinischer „Erfolge“ der letzten Jahrzehnte, die der Medizinhistoriker Hans Ruesch in seinem Buch „Die Pharma-Story“ (Hirthammer Verlag – München) vorstellt:

    1970 wurden in Südafrika die Beruhigungsmittel Pronap und Plaxin zurückgezogen, da sie den Tod vieler Säuglinge verursacht hatten.

    1971 mußten in England 1.500 Menschen in Krankenhäuser eingeliefert werden, weil sie das Schmerzmittel Pracetamol eingenommen hatten.

    In Italien und anderen Ländern wurde Marzin (gegen Übelkeit) verboten, weil es besonders bei Indern zu ernsten Schäden gekommen war.

    In den USA führte zur selben zeit die Behandlung mit Orabilex zu Nierenschäden mit tödlichem Ausgang.

    Das Medikament MEL/29 verursachte grauen Star.

    Patienten, die Methaqualon einnahmen, wurden so stark psychisch gestört, daß es zu mindestens 366 Todesfällen führte – durch Totschlag oder Selbstmord.

    1972 entdeckte man, daß das Isoproteronol in den 60 Jahren 3.500 Asthmakranke getötet hatte.

    1975 wurde in Italien das Antiallergicum Trilergan beschlagnahmt, weil es zu Virus-Hepatitis geführt hatte.

    1976 mußte das Rheumamittel Flaminil (Sandoz) zurückgezogen werden, weil die Patienten bewusstlos wurden.

    Im selben Jahr begann ICI an die Opfer (bzw. deren Hinterbliebenen) Schadensersatz zu zahlen, die durch das Herzmittel Eraldin an den Augen oder dem Verdauungstrakt schwer geschädigt worden waren.

    1977 mußte Phenformin (Ciba-Geigy) vom amerikanischen Markt zurückgezogen werden. Es ließ sich nicht mehr verheimlichen, daß das Diabetesmittel seit 18 Jahren jährlich 1.000 Patienten das Leben gekostet hatte. Trotz des Skandals erlaubten die deutschen Behörden noch ein weiteres Jahr den Abverkauf des tödlichen Diabetes Mittel Dipar, Silubin-Retard, Sindatil u. a.

    Weihnachten 1978 kommen die deutschen Behörden jedoch nicht umhin, alle cholesterinsenkenden Arzneien, die Clofibart enthalten zu verbieten, da sich schwere, z. T. tödliche Nebenwirkungen gezeigt hatten.

    1979 wurde offiziell bekannt, daß Valium auch in kleinen Dosen süchtig machen kann. Damals nahmen mehr als 15 % aller erwachsenen Amerikaner Valium.

    Die Aufputschmittel Preluin und Maxiton, auch als Appetitzügler verschrieben, wurden vom Markt genommen, da sie zu ernsten Schäden an Herz- und Nervensystem führten. Es kam heraus, daß Barbiturate (Schlafmittel) bei langer Anwendung Schlaflosigkeit nicht lindern, sondern verschlimmern.

    Von dem Schmerzmittel Phenacitin, unter 200 verschiedenen Namen verkauft, wurde bekannt, daß es die Nierenfunktion behindern oder die Nieren ganz zerstören kann, Nierentumore hervorruft und die roten Blutkörperchen vernichtet.

    Ein weiteres Schmerzmittel, Amydorphrin, wurde in über 160 Ländern (aber nicht in allen) verboten, da es die Bildung weißer Blutkörperchen behindert, was tödlich enden kann.

    Rasperpin (gegen Bluthochdruck) steigert die Brustkrebsgefahr um das dreifache, ruft Alpträume und Depressionen hervor und steht in Verdacht, die Gefahr von Tumoren in Gehirn, Bauchspeicheldrüse, haut, Eierstöcken und Gebärmutter zu erhöhen.

    Urethan sollte angeblich Leukämie heilen. Es stellte sich heraus, das es Leber-, Lungen-, und Knochenmarkkrebs erzeugt.

    Methotrexat, ebenfalls gegen Leukämie sowie Schuppenflechte, hat Tumor ausgelöst und begünstigt schwere Anämie und Darmrisse.

    Mitothan, ein weiteres „Leukämiemittel“ führt zum Absterben der Nebennieren.

    Cyclophosphamid bewirkt, wie andere Chemotherapeutika auch, ausgedehntes Absterben von Gewebe, beginnend in Leber und Lunge. Der Patient stirbt gewöhnlich schneller als am Krebs.

    Auch das Antibiotikum Isoniazid führt zum Absterben der Leber.

    Andere Antibiotika wie Kanamyzin führen zu Niereninsuffizienz und attackieren die Gehörnerven.

    Bismut, das ulkigerweise sowohl gegen Durchfall als auch gegen Verstopfung verschrieben wird, kann zu schweren Vergiftungen führen. In Frankreich wurden viele 1000 Fälle bekannt.

    1982 mußte in Großbritannien das Arthritismittel Opren, das Benoxaprofen enthält zurückgezogen werden, nachdem hunderte Menschen getötet wurden und Tausende schwere Schäden erlitten hatten. Das hinderte den Hersteller Eli Lilly aber nicht, unter Verschweigen der britischen Todesfälle in den USA unter dem Namen Oraflex die Zulassung zu beantragen, die auch erteilt wurde.

    Die Schmerz und Rheumamittel Tanderil und Butazoludin (Ciba-Geigy) wurden weltweit für den Tod von über 10.000 Menschen verantwortlich gemacht.

    1978 sorgte das überflüssige Mittel Oxichinolin, das gegen Verdauungsstörungen empfohlen wurde für einen weltweiten Skandal: 30.000 Menschen erblindeten und/oder erlitten Lähmungen der Beine, mehr als 1000 starben allein in Japan.

    1958 versicherte der Hersteller von Contergan in einem Rundschreiben an 40.000 Ärzte, Contergan sei das beste Beruhigungsmittel für werdende und stillende Mütter. Schwangeren Frauen sind besonders gefährdet: 1978 wurde von den Medikamenten Primodos, Amonoron, Duogynon, Bendectin und Debendox bekannt, daß auch sie für missgebildete Säuglinge verantwortlich waren.

    1984 berichtete der Londoner „Daily-Mail“ daß das Akne Mittel Roacutan in den USA bei den Babys von Frauen, die zur Zeit der Einnahme schwanger wurden, schwere Mißbildungen hervorgerufen hatten und zwar fast der Hälfte der Neugeborenen.

    Die „New York Post“ meldete, daß sämtliche 852 Patienten, denen man das Herzmittel Epinepheren gespritzt hatte, gestorben waren.

    Der Daily Telegraph berichtete 1983, daß vor dem Medikament Hypnomydat gewarnt wurde, nachdem es in einer Glasgower Intensivstation zu einem steilen Anstieg der Todesfälle gekommen war.

    1983 wurden in Schweden vermutet, daß Ciba-Geigy über mindestens 1.182 Todesfälle Bescheid wusste, die auf das Konto seiner Arthritis-Mittel Butazolodin und Tanderil gingen.

    Wie die „New York Times“ 1984 berichtete, musste das Medikament Selacryn 1980 zurückgezogen werden, nachdem 510 Fälle von Leberschäden und Todesfälle bekannt geworden waren.

    Laut dem “Gardian“ vom 4. 1. 1985 hatte Nizoral (gegen Pilzinfektionen) für 5 Todesfälle und 77 Fälle schwerer Nebenwirkungen gesorgt.

    Im März des selben Jahres berichtete die „Neue Presse“, daß das Malaria-Mittel Fansidar schwere Hauterkrankungen mit lebensbedrohlichen Folgen hervorrufen kann.

    Im Juli 1985 schreibt der „Guardian“ daß Beruhigungsmittel wie Largactil vom Markt genommen werden sollen, weil sie bei Patienten schwere Hirnschäden verursacht haben. Einer Vorsichtigen Schätzung zufolge hatten 38 Millionen Menschen tardive Dyskinsie (Bewegungsstörungen) und mehr als 25 Millionen verloren für immer die Fähigkeit, den Zungemuskel oder in vielen Fällen die Muskeln des ganzen Körpers zu kontrollieren.

    Im Mai 1985 verboten die Behörden in den USA und Großbritanniens die Verwendung von Wachstumshormonen, da die Patienten auch nach Jahren an einer unheilbaren Infektion erkranken können. Das Hormon wurde aus der Hirnanhangdrüse von Leichen gewonnen.

    Im Dezember des gleichen Jahres berichtete der Guardian, daß Merital auch Nomifensin schwere Nebenwirkungen in Form von Nierenversagen, Anämie und Lungenentzündung hervorruft.

    Im selben Monat berichtete die Zeitung, daß 2000 Menschen an den schweren „Nebenwirkungen“ des Arzneimittels Felden erkrankt sind. 77 starben, fast alle an Darmblutungen oder Darmrissen.

    Ebenfalls im Dezember 1985 wurde bekannt, daß Ciba-Geigy zugeben musste, die Sicherheitsdaten von 46 Antibiotika und andere Mittel gefälscht zu haben, die von den japanischen Gesundheitsbehörden angefordert worden waren.

    Der amerikanische Arzt Keith A. Lasko schreibt: „Wenn der Patient wüsste, daß eine einzige Kapsel Chloromycetin eine nicht mehr rückgängig zu machende Zerstörung ihrs Knochenmarkes oder Leukämie verursachen kann, glauben Sie, daß Sie diese Arznei dann einnehmen würden?“ Im Jahre 1976 schrieben die Ärzte eine halbe Millionen Rezepte für dieses Mittel aus.

    Aus: Die lukrativen Lügen der Wissenschaft
    Johannes Jürgenson, EWERT-VERLAG

  3. Oliver sagt:

    Und was hat das mit dem Spiegel zu tun? Das hier ist doch spiegelblog.info, aber das beschriebene Problem ist nichts was eine einzelne Zeitung angeht.

    Wenn man meint, es würde zu wenig über ein Thema berichtet, dann berichtet man es selber. Aber doch nicht auf die Weise, dass man sich darüber beschwert, dass die Anderen es nicht machen.

  4. wintzingerode sagt:

    @Oliver

    Das sehe ich nicht so. Natürlich haben Sie (leider) recht, wenn Sie sagen, dass ein NICHT-Berichten eines Skandals oder eines Misstands oder sogar ein konsequentes Aussparen desselben kein Problem eines einzigen Journals ist. Der Spiegel und auch SPON haben jedoch den Anspruch eines Leitmediums.

    Was würden Sie z.B. sagen, wenn ein ganzer Themenbereich unbehandelt oder nur teilweise behandelt bliebe – z.B. es würde über sexuelle Übergriffe nur in Reformschulen, nicht aber in katholischen Institutionen berichtet 😉

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