SPIEGEL verklärt aberwitziges Krebs-Genom-Projekt zum Hoffnungsträger für die Entwicklung neuartiger Krebsttherapien

  18. Februar 2010, von T. Engelbrecht

„Dieses Mega Krebs-Genom-Projekt ist kein Weg, um Krebs zu heilen.“
Sharon Begley, Newsweek, 27. März 2007

Es ist ein ständig wiederkehrendes Muster beim SPIEGEL: Kritiker des Medizinestablishments werden gerne in Bausch und Bogen haltlos abqualifiziert (siehe letzten SPIEGELblog-Bericht dazu), während über das, was das Medizinestablishment so alles macht und tut, völlig unkritisch berichtet wird. Aktuelles Beispiel: Der derzeitige Aufmacher in der Rubrik Wissenschaft von SPIEGEL Online: „Cancer Genome Project: Forscher suchen nach den Geheimnissen der Krebs-DNA“ (siehe Screenshot). Darin geht es um neue Ergebnisse, veröffentlicht in der aktuellen Nature vom 18. Februar, die sich aus dem so genannten Human Cancer Genome Project, das man auf Deutsch mit „Krebs-Genom-Projekt“ oder auch „Atlas der Krebsgene“ bezeichnen könnte, ergeben haben.

Genom-Forscher Miklos: „Das Krebs-Genom-Projekt ist ein weiterer Fehltritt im Krieg gegen den Krebs“
Dieses Milliarden Dollar schwere Krebs-Genom-Projekt hat es in dieser Größe noch nie gegeben, und es wird gepusht mit der Vision, dass man mit seiner Hilfe alle genetischen Veränderungen von Krebszellen wird erfassen können. Das Bestreben ist, die genetischen Defekte in Tumorzellen aufzulisten und auf Basis dessen zielgerichtete Medikamente zu entwickeln. Und genau diese hoffnungsbeladene Botschaft trägt auch der Beitrag von SPON-Autor Jens Lubbadeh kritiklos weiter.

In Wahrheit aber gibt es aber keinerlei Beweise für die Behauptung, die auch Lubbadeh kolportiert, nämlich dass bestimmte beschädtige – im Fachjargon „mutierte“ – Gene (Onkogene und Tumorsuppressor-Gene) Krebs machen können. Nicht zuletzt deswegen ist dieses Human Cancer Genom Project „ein weiterer Fehltritt im Krieg gegen den Krebs“, wie der Genom-Forscher und Krebsexperte George Gabor L. Miklos bereits 2005 in Nature Biotechnology konstatierte.

SPON-Autor Lubbadeh übersieht: Genau die Milliarden, die mit solchen Irrsinnsprojekten verbraten werden, fehlen dem chronisch unterfinanzierte Gesundheitssystem
In meinem neuen Buch „Die Zukunft der Krebsmedizin. Klassische und ganzheitliche Therapien, Impfungen und Krebsgene: Was ist Fakt und was Fiktion?“, das ich zusammen mit drei Medizinern geschrieben habe und das Ende Februar auf den Markt kommt, lege ich detailliert und faktisch abgesichert dar, warum gerade auch in der Krebsforschung das auf Gene fixierte Weltbild realitätsfern ist – und letztlich nur der pillenfixierten Pharmaindustrie nützt, aber kein Heilmittel gegen Krebs bringen wird.

Derlei kritische Gedanken kommen Lubbadeh offenbar gar nicht in den Sinn. Was um so abstruser anmutet, wenn man bedenkt, dass durch derartige Irrsinnsprojekte auch etliche Milliarden an Steuergeldern „verbraten“ werden – Gelder, die in Anbetracht der chronisch leeren Gesundheitskassen an vielen anderen Stellen dringendst benötigt werden. Dazu George Gabor L. Miklos in Nature Biotechnoly:

„The simple truth is that the money would be much better spent if research priorities were reevaluated. A good place to start would be to dismiss the fallicious notion that single mutations in primary tumors are the optimal starting point for research that would lead to the discovery of new, more effective drugs.“

Diese simple Wahrheit ist aber nicht Teil der Denkstrukturen von Lubbadeh.

Lubbadeh übersieht auch: Die für das Krebs-Genom-Projekt verwendeten Zelllinien sind ziemlich bedeutungslos für das reale Krebsgeschehen
Genau so wenig wie der Umstand, auf den Miklos auch noch in Bezug auf das von Lubbadeh so hochgehaltene Nature-Paper aufmerksam macht: „As you can see they used cell lines… so it is pretty much meaningless as regards real tissue.“

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch der Artikel „How accurate are cancer cell lines?“, der in derselben aktuellen Nature-Ausgabe erschien. Darin heißt es: „For decades, cancer cell cultures grown in Petri dishes have been the foundation of cancer biology and the quest for drug treatments. But now that biologists are exploring cancer genomes, some are asking whether they should pursue a more expensive, less proven strategy that may give a truer picture of key mutations: sequencing cells from tumours plucked directly from patients… „

In diesem Artikel wird u.a. Howard Fine, Leiter der Abteilung Neuro-Onkologie an den National Institutes of Health in Bethesda, mit den Worten zitiert: „The glioma [brain cancer] cell lines we’ve been using bear so little  resemblance to what happens in people, it’s no wonder that when we screen therapeutics on animals and  bring them to the clinic they come back negative.“

 

2 Kommentare zu “SPIEGEL verklärt aberwitziges Krebs-Genom-Projekt zum Hoffnungsträger für die Entwicklung neuartiger Krebsttherapien”

  1. Alexander sagt:

    Zunächst möchte ich Ihnen sagen, dass ich Ihren Blog des öfteren gerne lese.

    Die Herangehensweise des „Krebs-Genom-Projektes“ ist Folge der Denkschule, die während des Medizinstudiums vermittelt wird.

    Nun bin ich selber (noch) nicht Student, aber bei der großen Rolle, die die Biochemie und die Pharmakologie im Studium spielen, sind die Bemühungen im Rahmen dieses Projektes verständlich.

    Bei diesen immensen Defiziten, frage ich mich, warum das Medizinstudium nicht schneller umstrukturiert wird und wie die Lehrpläne diese Prägung, wie sie sie heute aufweisen, bekommen haben.

  2. Nachrichten der VIII. Kalenderwoche « sagt:

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