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SPIEGEL lässt Kritik an Gen-Food erneut außer Acht

Die EU-Kommission hat am 4. Dezember 2008 den Import der genmanipulierten Sojabohne Roundup Ready II (MON89788-1) des US-Konzerns Monsanto als Futter- und Lebensmittel genehmigt. Für Kritiker von Gen-Food ein besorgniserregender Vorgang. So wirft Gentechnikexpertin Ulrike Brendel von Greenpeace der EU-Kommission vor, gegen besseres Wissen zu handeln [1]. Dem SPIEGEL und SPIEGEL Online hingegen war die EU-Genehmigung der genmanipulierten Sojabohne keine Meldung wert.

Damit bleibt der SPIEGEL seiner Linie treu, über die einschneidende Kritik an Gen-Food hinwegzugehen bzw. sich die Meinung von Monsanto&Co zu eigen zu machen und Gen-Food als Chance im Kampf gegen Ernährungsprobleme und Hunger zu stilisieren. Dabei wird auch nicht gescheut, Gen-Food-Kritiker zu verunglimpfen… Für den SPIEGEL steht offenbar fest: „Der Verzehr [von Gensoja und Genmais] hat nach allen bisherigen Hinweisen noch nicht einem einzigen [Menschen] geschadet“ [2]. Doch eine solche Aussage ist nicht haltbar, denn es gibt keine Studie, die die Unbedenklichkeit von gentechnisch veränderten Lebensmitteln beweist. Statt dessen gibt es guten Grund, davon auszugehen, dass gentechnisch veränderte Organismen immense Risiken bergen [3], sofern sie ausgepflanzt werden.

Auch zwei aktuelle wissenschaftliche Arbeiten aus Österreich [4] und Italien [5] demonstrieren die Gefahren von gentechnisch veränderten Pflanzen, denn sie zeigen, dass Gen-Mais die Gesundheit von Mäusen beeinträchtigt. Dies ignoriert die EU-Kommission mit ihrer  Genehmigung von Roundup Ready II. Erschwerdend kommt hinzu, dass „auch die für die Fütterungsversuche verwendeten Gen-Pflanzen von der zuständigen EU-Behörde zuvor als unbedenklich eingestuft wurden und daher als Lebens- und Futtermittel in die EU importiert werden dürfen“, wie Greenpeace-Expertin Brendel anmerkt. Dies verdeutlicht, dass die Risikobewertung in der EU nicht ausreicht und Gen-Pflanzen nicht sicher sind.

Und wer sich wie zum Beispiel wie Prinz Charles im britischen Daily Telegraph [6] auf diese Fakten beruft und davor warnt, gentechnisch veränderte Lebensmittel könnten „zum größtmöglichen Umweltdesaster aller Zeiten“ werden, der wird, wie im August 2008 geschehen, vom SPIEGEL diffamiert. Laut SPIEGEL ist Prinz Charles ein „ökobewegter Gutsherr“, der „das Land mit Anfällen von maligner, vielleicht sogar präsenil* Logorrhö** nervt“. Der SPIEGEL beruft sich in seiner Verunglimpfung des „Merkwürden“ auch auf Statements von Politikern, die Prinz Charles einen „Technikfeind“ genannt hätten – dies alles und mehr in einem Beitrag, der nicht als Meinungsbeitrag (Kommentar) gekennzeichnet war [2]

Bei so viel Fortschritts- bzw. Technikgläubigkeit sei der SPIEGEL-Wissenschaftsabteilung die Analyse „Warum Prinz Charles recht hat“ vom Institute of Science in Society [7] ans Herz gelegt. Darin wird dargelegt, warum es gute Gründe gibt zu bezweifeln, dass gentechnisch veränderte Pflanzen die mögliche Lösung für die Ernährungs- und Hungerprobleme auf dieser Welt darstellen. Der Harvard-Ökonom und Nobelpreisträger Amartya Sen: „Hungersnöte geschehen nicht in Ländern mit einer freien Presse. Denn Hungersnöte resultieren aus einem Problem der Verteilung von Nahrung, nicht aus einem absoluten Mangel an Nahrung. Eine freie Presse würde für so einen Aufruhr sorgen, dass die Regierung entsprechend handeln würde.”

* präsenil = greisenhaft, gegen das Greisenalter hin
** Logorrhö = scheinbar unkontrollierbarer, nicht zu durchbrechender Rededrang, salopp auch “Rededurchfall” genannt