SPIEGEL Online kanzelt die Studentenproteste vulgär-neoliberal ab

  18. November 2009, von T. Engelbrecht

(Mit Dank an Bernhard S.)

Die offensichtlich neoliberale und damit staatstragende Haltung des SPIEGEL macht sich an allen Ecken und Enden bemerkbar. Selbst bei dem Beitrag „Studenten rebellieren gegen Bildungschaos“ über die aktuellen Studentenproteste (siehe Screenshot). Schon im Vorspann heißt es, „für den Bildungsstreik ernten die Studenten verdächtig viel Beifall“ – wieso „verdächtig“, ist da vermutlich  etwas Verbotenes im Gange?

Auch liest man so wunderbar vulgäre Sätze wie:“Daneben gibt es die Abteilung ‚Freibier für alle“ aus der eher altlinks-bildungsfundamentalistischen Richtung: Jeder soll jederzeit überall alles studieren dürfen, so viel, so lange und wo er will… Und die Abteilung ‚Völker hört die Signale‘: Dazu gehört klassischer Politschwulst – gegen ’neoliberale‘ Einflüsse, gegen die Ausrichtung der Bildung nach ‚kapitalistischer Verwertungslogik‘ und ähnlich anstrengende Sprachstanzen.“

Dass die beiden einzig tiefer schürfenden (und damit ernst zu nehmenden) Motivationslagen für die Bildungsproteste derart vulgär-plakativ abgekanzelt werden, illustriert eindrucksvoll die neoliberale Grundhaltung des SPIEGEL.

 

3 Kommentare zu “SPIEGEL Online kanzelt die Studentenproteste vulgär-neoliberal ab”

  1. Claus Berger sagt:

    Das Problem bei den Menschen von Spiegel ist, dass sie leider während ihrer „Ausbildung“ zur JournalistIn nie gelernt haben zu lesen. Letztendlich sind sie das beste Zeugnis für eine total verfehlte Bildungspolitik. Könnten sie lesen, bzw. wäre ihnen Lesekompetenz beigebracht worden, würden sie verstehen, was die Forderungen der StudentInnen sind und nicht einfach blind oder dumm oder beides nachkauen, was die Ressortleitung ihnen vorkaut.
    Shit happens!

  2. Kai sagt:

    Was die Lesekompetenz angeht, eingebracht vom Kommentator vor mir, so sollten sich Autor und Kommentatoren auf die eigene Lesekompetenz konzentrieren und den Artikel, den sie kritisieren komplett lesen. Dann muss sich auf diese Art und Weise nicht über das „Verdächtige“ im Vorspann aufregen, so steht doch im vorletzten Absatz des Artikels.

    „Die Strategie scheint klar: Bund und Länder, Rektoren und Professoren wanzen sich kollektiv an die rebellierenden Studenten heran. Sie versuchen, so den Protest zu ersticken und zugleich auf die Versäumnisse der anderen zu deuten.“

    Wie das hier zu verstehen ist, ist wohl jedem ersichtlich. Dadurch wird wohl eher die Doppelmoral der „neoliberalen“ Gegenspieler entlarvt, als dass die Studenten einer illegalen Aktivät bezichtigt werden. Aber das passt dann leider nicht in das (hauptsache) Anit-Neoliberale Denkmuster.

    Sowieso schade, dass einem dazu nicht mehr einfällt als das adjektiv „neoliberal“. Dem Bloggerbeitrag fehlt einfach die Argumentative pointe.
    Der Autor kritisiert halt etwas an den Studentprotesten. Na und. Nur weil Studenten protestieren, so sehr ich den Studentprotest gut finde, heisst es noch lange nicht, dass man alles was die Studenten machen gut finden muss. Den Neoliberalismus, den der Blogautor so sicher herausanalisiert hat, dass er ihn selbsbewusst in die Überschrift mitrein nimmt, suche ich noch immer vergeblich.

    Schade, man versucht sich an einem Watchblog, aber greift dann selbst doch einige Schubladen tiefer, als das was man kritisiert. Vielleicht nicht jede Ente veröffentlichen, sondern sich an schwerwiegend Dingen abarbeiten. Diese werden dann umso mehr ins Gewicht fallen.

  3. SPIEGELblog sagt:

    @ Kai

    Das “verdächtig” ist und bleibt deplaziert, weil es egal ist, wer für eine Sache Beifall klatscht bzw. sich an etwas „heranwanzt“ – wenn die Sache, um die es geht, richtig bzw. von guter Intention ist, so kann doch klatschen, wer will, die Sache (in diesem Falle die Studentenproteste) werden dadurch ja nicht automatisch verdammenswürdig. Um warum, wie der Artikelschreiber behauptet, die Beifallklatscher bzw. die „Heranwanzer“ von staatlicher Seite den Protest mit ihrer Heranwanzerei ersticken sollten, ist nicht ersichtlich. Erstickt werden die Proteste doch v.a. durch eine einseitige und einer abkanzelnden (weil einer neoliberalen Position hinterherhechelnden) Berichterstattung, wie sie hier SPIEGEL Online an den Tag legt.

    Das “verdächtig” kann man im Übrigen auch woanders einsortieren, als Sie dies tun. “Verdächtig” könnte auch meinen, dass die Proteste bald wieder so richtig eskalieren könnten. So heißt es im Text:

    “Mitunter zündet ein lokaler Funke einen überregionalen Flächenbrand. In kurzer Zeit beteiligen sich dann Studenten, die noch nie bildungspolitisch aktiv waren, lassen sich von einer Aufbruchstimmung mittragen – und plötzlich sehen Asten und Studentenräte nur noch die Rücklichter des Zuges.”

    Was, bitte schön, soll das aber heißen? Etwa, dass die aktuellen Proteste so stumpfsinnig-mitreißend sind, dass sie letztlich sogar im Terrorismus a la RAF enden könnten?

    Dafür spricht, dass in dem Artikel die 68er Bewegung abgekanzelt, ja regelrecht diffamiert wird. So dürfen wir lesen, es sei “erfrischend, wenn jemand ausdrücklich auf Gegenwind [gegen die Studentenproteste] schaltet. Diesen Part übernahm am Montag Thomas Straubhaar: Der Präsident des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts nannte die Kampage der Studenten ‘inhaltsleer, banal und rückwärtsgewandt’”… Statt klassenkämpferischer Parolen wie zur Zeit der 68er sollten Konzepte sollten Konzepte für die kommenden 20 Jahre im Zentrum stehen.”

    Sicher, nicht “ALLES, was die Studenten machen”, muss man hier gutheißen. Darum geht es hier auch gar nicht. Doch ihre Proteste als „inhaltsleer, banal und rückwärtsgewandt“ zu bezeichnen, ist schlicht absurd und kann nur von jemandem stammen, der einer die Machcliquen hofierenden – also neoliberalen – Ideologie nachhängt. Dass dies beim dem Schreiber des SPON-Artikels, Jochen Leffers, der Fall ist, sieht man auch daran, dass er hier Thomas Straubhaar als Kronzeugen für seine Thesen hochhält – also jemanden, der der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) anghört, einer üblen Propagandaorganisation der großkonzernigen Machtcliquen, siehe http://archiv.insm.de/Die_INSM/Kuratoren_und_Botschafter/Berater/Univ.-Prof._Dr._Thomas_Straubhaar.html (zur INSM siehe auch http://www.spiegelblog.net/wie-der-spiegel-dauerwahlkampf-fur-csu-star-zu-guttenberg-macht-und-es-dabei-mit-den-fakten-nicht-so-genau-nimmt.html).

    Im Übrigen wird hier Geschichtsklitterung betrieben. Denn es ist nicht “erfrischend”, sondern ebenfalls schlicht falsch, die 68er-Proteste pauschal abzukanzeln und sie letztlich auch als “inhaltsleer, banal und rückwärtsgewandt” abzuurteilen. Man kann sie ja gerne kritisch einsortieren, aber alles in einem – inhaltsleer, banal und rückwärtsgewandt – waren sie sicher nicht. Oder doch: Sie waren es für diejenigen, die den Muff der 1950er Jahre über alles liebten. Dazu gehör(t)en zum Beispiel diejenigen, die Ende der 60er Jahre beim Springer-Verlag das Sagen hatten. In dieser ideologischen Ecke scheint der Spiegel an vielen Stellen, wenn nicht gar grundsätzlich angekommen…

    Mit Journalismus, der den Mächtigen auf die Finger schaut und gegebenenfalls haut, hat das aber nichts mehr zu tun.

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