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SPIEGEL-Umfrage unter jungen Deutschen: Suggestivfrage plus blumige Auswahl an Antworten – wie aus der PR-Abteilung der Obama-Administration

(Mit Dank an Hans-Jörg Schulz)

Erst vor wenigen Wochen [1]deckte die Organisation LobbyControl auf, dass auch SPIEGEL Online die PR der Deuschen Bahn kritiklos an seine Leser weitergetragen hatte (SPIEGELblog berichtete [2]). Dabei ging es etwa um eine Umfrage, die gezielt nach den Vorteilen einer möglichen Bahnprivatisierung fragte – aber nicht nach möglichen Nachteilen. Die Umfrage schaffte es unter dem Titel „Deutsche hoffen auf besseren Service“ [3] auf SPIEGEL Online, und ein Hinweis auf die einseitige Fragestellung fand nicht statt.

Nun hat der SPIEGEL in seiner aktuellen Titelgeschichte „SPIEGEL-Umfrage: Wir Krisenkinder – wie junge Deutsche ihre Zukunft sehen“ (siehe Screenshot) selber den befragten jungen Menschen eine solche vorgefertigte Meinung direkt in den Mund gelegt. So lautet Frage 23 [4](auf S. 61 der aktuellen Print-Ausgabe): „Wird Barack Obama die Welt zum Besseren verändern?“. Dabei ist nicht nur diese Frage suggestiv positiv, auch hat man bzw. frau nur zwei Antwortmöglichkeiten: „ein wenig“ und „stark, sehr stark“ (siehe zweiten Scrennshot). Dass man oder frau der Meinung sein könnte, die Welt könnte sich durch den US-Präsidenten eher zum Schlechten entwickeln oder einfach in dem prekären Zustand bleiben, wie sie ist, kam den Machern des Quiz (den Redakteuren Mathieu von Rohr und Christoph Titz) also entweder überhaupt nicht in den Sinn – oder wurde von ihnen bewusst weggelassen.

Obamania des SPIEGEL bei der Quiz-Erstellung ist für journalistisches Medium im Grunde unwürdig
Wie peinlich diese orwellsche [5]Frage-Antwort-Technik ist, ist der Redaktion unterdessen offenbar selber aufgefallen. So erschien die suggestiv-positive Frage mit der blumigen Auswahl an Antworten zunächst auch genau so auf SPIEGEL Online (siehe dritten Screenshot). Doch mittlerweile wurde leicht nachgebessert. Jetzt hat man bei SPIEGEL Online auch die Möglichkeit, „eher gar nicht“ zu antworten auf die Frage, ob Barack Obama die Welt zum Besseren verändern werde [6].

Der SPIEGEL schwelgte bei der Erstellung seines Quiz also offenbar immer noch in der für Journalisten eigentlich unwürdigen Obamania (siehe auch SPIEGELblog-Bericht „100 Tage Obama: Wie SPIEGEL Online die PR des Smiley-Präsidenten einfach weiterträgt – und überfällige Kritik unter den Tisch fallen lässt“ [7]). Unwürdig deshalb, weil es reichlich Gründe gibt, davon auszugehen, dass auch Obama einer der unzähligen Politiker ist, die mehr oder minder Marionetten sind von im Hintergrund die Strippen ziehenden Machtcliquen (vor allem Konzernlenker). Und diesen Marionetten-Politikern sollten Journalisten besonders konsequent kritisch gegenübertreten.

Bemerkenswert in diesem Zsh. etwa das Buch „What Every American Shouls Know About Who’s really running the World“ [8] der US-Journalistin Melissa Rossi – ein Buch, das SPIEGELblog den Obama- oder überhaupt Politiker-Fans unter den SPIEGEL-Redakteuren ausdrücklich ans Herz legen möchte.

Begründeter Verdacht: Barack Obama wandelt auf den Pfaden der Neokons – nur mit einem Smiley-Face
Wie kritisch gerade auch Obama zu sehen ist, beschrieb etwa Peter Phillips für Project Censored bereits im Februar dieses Jahres: „The Barack Obama administration is continuing the neo-conservative agenda of US military domination of the world – albeit with perhaps a kinder-gentler face.“ [9]

Auch stellt sich Obama seit Monaten gegen die überfällige Wahrheitskommission („Truth Commission“) zur Aufklärung der vielen möglichen Verbrechen der Bush-Regierung (SPIEGELblog berichtete [10], siehe auch Artikel des TIME Magazine „Obama Still Opposed to Truth Commission on Torture“ [11]). Ein klarer Ausweis dafür, wie eng Obama mit den korrupten Machtcliquen verwoben ist.

Ebenfalls brisant: „Barack Obamas Landwirtschaftsminister Tom Vilsack gilt als großer Freund der Gentechnik im Allgemeinen – und von Monsanto im Speziellen“, siehe www.regenwald.org [12].

Nicht weniger prekär: der Einfluss der Wallstreet-Bosse auf die Obama-Administration (der sogar noch größer sein soll als auf die Bush-Regierung), siehe SPIEGELblog-Bericht „Wovon soll die Schweinepest-Idiotie ablenken – zum Beispiel vom korrumpierenden Einfluss der Wall-Street-Bosse auf die US-Politik?“ [13].

Auch Obamas Grundsatzrede zur islamischen Welt am 4. Juni in Kairo, die von SPIEGEL Online im Chor mit den meisten Mainstreammedien unkritisch hochgejubelt wurde, könnte man mit ein wenig skeptischem Journalistengeist sehr kritisch sehen – so wie es etwa Noam Chomsky, Professor für Linguistik am Massachusetts Institute of Technology (MIT), getan hat in seinem Artikel „The Grim Picture of Obama’s Middle East“ [14] (übersetzte Version „Obama und der Nahe Osten – ein düsteres Bild“ findet sich auf www.hintergrund.de [15]).

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen…