- SPIEGELblog - http://www.spiegelblog.net -

Stuttgart 21: Die Position der Polizeispitze ist dem SPIEGEL sofort eine Schlagzeile wert – über die von kritischen Polizisten, Eltern und Demonstranten geht man dagegen hinweg

Am 5. Oktober kam SPIEGEL Online mit der knackigen Schlagzeile „Stuttgart-21-Protest: Polizei gibt Demonstranten Schuld an Eskalation“ [1] (siehe auch Screenshot). [2]Doch diese Headline ist gleich aus mehreren Gründen journalistisch unsauber. So gibt das Nachrichtenportal lang und breit die Position der Polizei, kundgetan auf einer Pressekonferenz, in Bezug auf die Schuld für die Eskalation wider, ohne dass man auch nur eine einzige Gegenstimme zu Wort kommen lässt.

Kritische Polizisten verurteilen Polizeigewalt als „vollkommen unterirdisch“ – doch SPON berichtet nicht darüber
SPIEGEL Online hielt es in diesem Zsh. nicht einmal für nötig, Stimmen aus den Reihen der Polizei selber zu zitieren. Dabei hatte etwa die Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten in einer Presseerklärung vom 2. Oktober [3] von einer „Eskalation durch die Polizei“ gesprochen. Das Vorgehen ihrer Kollegen kritisierten sie letrztlich als – so wörtlich – „vollkommen unterirdisch“.

Auch Stuttgarter Eltern sprechen von „Polizei-Provokateuren“ und forderten gestern einen unabhängigen Untersuchungsausschuss zur Eskalation beim Aufeinandertreffen von Demonstranten und Staatsgewalt [4]. Eine verständliche bzw. legitime Forderung. Doch auch darüber findet sich kein Sterbenswörtchen auf SPIEGEL Online.

Und wenn die Demonstranten selber eine Pressekonferenz einberufen, so hält es der SPIEGEL offenbar auch nicht für nötig, dort aufzutauchen, geschweige denn darüber zu berichten.

So hatten die Stuttgarter Schülerinnen und Schüler der “Jugendoffensive gegen Stuttgart 21″, Stuttgarter Eltern sowie die Parkschützer für heute 14 Uhr “aus aktuellem Anlass und aufgrund anhaltender Lügen über die Ereignisse vom 30.9.2010 duch Ministerpräsident Mappus, Innenminister Rech und Polizeipräsident Stumpf” zu einer Pressekonferenz ins Stuttgarter DGB-Haus geladen [5]. Doch einen Bericht über diese PK sucht man auf SPIEGEL Online vergebens. Und nicht nur das: Selbst der Begriff „Jugendoffensive gegen Stuttgart 21“ wurde von dem Nachrichtenportal bis dato noch nie verwendet (jedenfalls ergibt die Suche auf SPON dazu keinen Treffer).

PS: Nachdem dieser SPIEGELblog-Beitrag erschienen ist, brachte SPIEGEL Online den recht kurzen(!) Artikel „Einsatz gegen Stuttgart-21-Demonstranten Polizist der Körperverletzung verdächtigt“ [6].  Darin wird dann auch – zum ersten Mal überhaupt auf SPON – die „Jugendoffensive gegen Stuttgart 21“ erwähnt. Der SPIEGELblog-Beitrag scheint also eine Wirkung gehabt zu haben, allerdings wohl auch nur eine kleine Wirkung.

Denn: Dass es eine PK der Jugendoffensive gegeben hat, erfährt man von SPON gar nicht. Auch hat SPON aus den Infos dieser PK keinen eigenen Beitrag gemacht – aus der PK der Polzei hingegen, wie erwähnt, schon (siehe oben).

Zudem werden die Argumente der Jugendoffensive nur kurz und knapp „abgefrühstückt“, also ohne dass sie im Detail weiter analysiert werden. Dabei ist es höchst brisant, was die Jugendoffensive da von sich gibt. SPON scheint aber kein wirkliches Interesse daran zu haben, die Anwürfe der Jugendoffensive auch nur im Geringsten zu verifizieren oder zu falsifizieren.

Erschwerend kommt hinzu, dass der letzte Absatz in dem SPON-Kurzartikel völlig deplaziert wirkt – es sei denn, man geht davon aus, dass SPON als Sprachrohr der Stuttgart-21-Befürworter fungieren will.

So heißt es in diesem letzten Absatz, „Innenminister Heribert Rech (CDU) sagte seinerseits, er habe nach der Polizeiaktion vom 30. September Morddrohungen erhalten… Auch Bahnchef Rüdiger Grube hatte Berichten zufolge in den vergangenen Tagen ähnliche Drohungen erhalten.“ Doch was hat dies mit den Anwürfen der Jugendoffensive zu tun, die ja im Absatz direkt davor stehen? Und überhaupt: Was hat dies mit dem eigentlichen Thema des Beitrags zu tun, dessen Überschrift, wie erwähnt, lautet: „Einsatz gegen Stuttgart-21-Demonstranten Polizist der Körperverletzung verdächtigt“ [6]?