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Tragischer Tod von Robert Enke: Mainstreammedien wie der SPIEGEL blenden das Thema Nebenwirkungen von Antidepressiva erneut aus

Der Tod von Robert Enke ist ein äußerst tragisches Ereignis. Auch ich möchte den Hinterbliebenen mein herzlichstes Beileid ausdrücken. Ich wünsche ihnen viel Kraft, um diese schwierige Zeit durchzustehen und die Zukunft in Frieden zu meistern.

Als Journalist erlaube ich mir, die Frage zu stellen, [1]was Robert Enke, der offenaber unter schweren Depressionen gelitten hat und deswegen lange in Behandlung war, zu dieser „unerklärlichen“ Tat veranlasst haben könnte. Immerhin sprachen sich SPIEGEL Online in einem Beitrag (siehe Screenshot) und zum Beispiel auch Christoph Daum in einem anderen Artikel von SPIEGEL Online [2] dafür aus, das Thema Depression nicht zu tabuisieren. Lässt sich Enkes Tat also „nur“ mit dem beruflichen Druck und den persönlichen Schicksalsschlägen erklären? Oder könnten auch andere Faktoren beteiligt gewesen sein, zum Beispiel Antidepressiva? So soll Robert Enke laut einem heutigen Bericht von www.rp-online.de [3] „spätestens seit seiner Zeit beim FC Barcelona [2000 bis 2004] Antidepressiva genommen haben“.

Viele Menschen scheint eine Frage nach der möglichen (Mit)Schuld von Medikamenten zu irritieren, und auch die Journalistengemeinde scheint wenig bis gar nicht gewillt, in diese Richtung zu denken. Jedenfalls taucht das Thema Antidepressiva nirgends in den Medienberichten über den tragischen Tod von Robert Enke auf (mit Ausnahme dieses rp-online-Berichtes). Und wie mir Stefan Wittke, Leiter der Pressestelle der Polizeidirektion Hannover am Telefon sagte, hätte auch auf der gestrigen Pressekonferenz keiner der anwesenden Journalisten das Thema Antidepressiva angesprochen. Der behandelnde Arzt von Robert Enke, der Kölner Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Valentin Markser, ist aktuell nicht erreichbar, sodass ein Nachfragen nicht möglich ist – und wahrscheinlich würde er sich dazu auch nicht äußern wollen und auf seine ärztliche Schweigepflicht verweisen.

Dass Antidepressiva Menschen zum Selbstmord veranlassen können, ist hinreichend belegt
Die Thematik kann also derzeit nicht abschließend geklärt werden. Fest steht, dass es heutzutage gängig ist, Menschen, die wegen Depressionen in Behandlung sind, Medikamente zu verabreichen. Von daher sehe ich es als großes Versäumnis an, dass der SPIEGEL und all die anderen Mainstreammedien das Thema Antidepressiva schlicht ausblenden – oder wenn dann doch mal ein Artikel kommt, so wie gestern auf Welt Online, die rosa Brille aufsetzen und unter Berufung auf orthodoxe Mediziner Antidepressiva einseitig zu möglichen Heilsbringern verklären [4].

Nur auf rp-online.de heißt es immerhin: „Die Wirkung der Medikamente ist rein symptomatisch, heilen können sie den Kranken nicht.“ Doch das ist noch nicht alles. In Wahrheit können Antidepressiva (genau wie die durch das Abesetzen von Antidepressiva verursachten Entzugserscheinungen) nämlich schwere Nebenwirkungen verursachen und die Patienten zum Selbstmord und zu anderen Wahnsinnstaten veranlassen. Einer, der dieses Thema intensiv erforscht hat, ist der renommierte amerikanische Psychiater Peter Breggin (siehe z.B. seinen Beitrag „Violence and Suicide Caused by Antidepressants Report to the FDA“ [5]). Und auch auf stern.de lesen wir am 15. Oktober den Beitrag „Antidepressivum fördert Suizidgedanken“ [6]. Wieso also schweigt man sich über Antidepressiva im Zusammenhang mit Robert Enke aus?

Dieses Schweigen kennen wir von anderen medial gepushten Ereignissen, etwa vom Amoklauf in Winnenden. Auch hier spekulierten die Journalisten freimütig über alle möglichen Ursachen wie Videospiele und Schusswaffen – das Thema Antidepressiva wurde hingegen auch hier totgeschwiegen (siehe meinen Beitrag für die Wochenzeitung „Wenn der Schalter kippt…“ [7]).

Immerhin ist das Thema Antidepressiva von gesellschaftlicher Relevanz und geht weit über den tragischen Tod von Robert Enke hinaus. So soll jeder achte Bundesbürger – also rund 10 Millionen Menschen hierzulande – mindestens einmal im Leben eine Depression durchmachen; und viele schmeißen sich wie Robert Enke vor einen Zug. Welch dramatische Folgen die Einnahme von Antidepressiva haben kann, ist nicht nur durch die Arbeiten von Peter Breggin oder auch durch entsprechende Warnhinweise auf den Beipackzetteln der Medikamente gut dokumentiert; auch persönliche Berichte zeigen eindrucksvoll auf, wie Antidepressiva Patienten durchdrehen lassen können:

# In einem Schreiben an die US-Medikamentenzulassungsbehörde FDA [8] schilchert Stephen Leith, wie er als Lehrer unter dem Einfluss des Antidepressivum Prozac im Medikamentendelirium den Schulleiter erschoss.

# In einem anderen persönlichen Bericht schildert David Carmichael, wie er unter Einfluss von Paxil seinen eigenen 11-jährigen Sohn erschoss [9].

Eine öffentliche kritische Debatte über Antidepressiva ist überfällig, auch wenn sich irgendwann herausstellen sollte, dass sie tatsächlich nicht (mit)schuld gewesen sind am tragischen Tod von Robert Enke.