Tragödie von Winnenden: Der SPIEGEL gibt sich diese Woche als „Revolverblatt“ – an schonungsloser Aufklärung aber uninteressiert

  24. März 2009, von T. Engelbrecht

Das als Amoklauf bezeichnete Massaker von Winnenden steckt vielen in den Knochen, allen voran natürlich den Angehörigen der Opfer. Völlig zu Recht fordern sie daher in einem offenen Brief in ihrer lokalen Winnender Zeitung, „dass sich etwas ändert in dieser Gesellschaft… wir wollen mithelfen, damit es kein zweites Winnenden mehr geben kann… Wir wollen, dass die Tat aufgeklärt und aufgearbeitet wird… Wir wollen wissen, an welchen Stellen unsere ethisch-moralischen und gesetzlichen Sicherungen versagt haben.“

US-Datenbank: Bei 49(!) Amokläufen waren Prozac und andere Antidepressiva im Spiel
Doch können Medien wie der SPIEGEL zur schonungslosen Aufklärung beitragen, ohne in alle möglichen Richtungen zu schauen? Wohl kaum. So widmet sich das Nachrichtenmagazin seiner aktuellen Print-Ausgabe noch mal ausführliche der Tragödie und fokussiert sich dabei auf das Thema Schusswaffen. Das dramatisch anmutende Titelbild zeigt eine Pistole, die in eine Deutschlandfahne gehüllt ist (siehe Screenshot). Doch nicht nur Waffen bringen Menschen um, auch Medikamente könnene nachweislich Menschen töten und auch zu Gewalttaten bis hin zu Amokläufen veranlassen. Unverständlicherweise will der SPIEGEL – genau wie das Gros der Medien – diese aber partout nicht diskutieren.

Dabei geht zum Beispiel aus einer US-Datenbank, die auch in einem New-York-Times-Artikel über einen möglichen Zusammenhang von Antidepressiva wie Prozac und Gewalttaten bis hin zu Amokläufen erwähnt ist, hervor, dass bei 49(!) solcher Amokläufe Prozac und andere Antidepressiva (so genannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, kurz SSRI) im Spiel waren. Die Seite listet zudem mehr als 2900 News-Artikel auf, in denen SSRI’s mit Gewalt in Verbindung gebracht werden.

Selbst wenn Tim K. nicht „auf Medikamentendroge“ war – der nächste Täter kann es sein…
Und auch bei Tim K. steht ja offenbar fest, dass er in psychotherapeutischer Behandlung war. Was also hat er an Antidepressiva oder anderen Medikamenten bekommen? Und wenn er welche bekommen und genommen hat, wie mögen sie ihn bei seinem Amoklauf beeinflusst haben?

Die Fragen sind absolut berechtigt. Denn die Nebenwirkungen dieser Antidepressiva sind sehr gut dokumentiert, darunter Zentralnervöse Beschwerden wie Angstgefühle, Zittern, Benommenheit, Schwindelgefühl, Parästhesien, Alpträume, Denkstörung, Verwirrtheit, Unruhe, Beeinträchtigung Konzentration, Miktionsstörungen Hypomanie, Manie, Suizidgedanken, aggressive Verhaltensweisen (Entzugserscheinungen könne wohlgemerkt auch diese Wirkungen haben). Wobei die Dunkelziffer extrem hoch ist, sprich das wahre Ausmaß kennen wir gar nicht, wie auch der Guardian 2008 schreibt: „In the heyday of antidepressant PR, only about 10% of results about how the drugs affected quality of life were published. More than two-thirds of studies today are industry funded, and such research is four times as likely to find in favour of the drugs than independent inquiry.“

Und auch Tim zeigte Zeugenberichten zofolge zuletzt ein äußerst merkwürdiges Verhalten. Für seinen Freund Michael „wurde Tim in letzter Zeit immer eigenartiger… Tim veränderte sich, die Freunde, die er hatte, zogen sich immer mehr zurück“, schreibt etwa die Hamburger Morgenpost.

Sicher, viele Menschen nehmen solche Mittel und nicht alle von ihnen laufen Amok. Doch auch viele Menschen haben Schusswaffen, spielen martialische Video-Spiele oder saufen Unmengen an Alkohol, ohne dass sie herumlaufen und willenlos Menschen umlegen. Es bleibt also völlig unverständlich, warum Antidepressiva im Zusammenhang mit der Tragödie in Winnenden von den Mainstrammedien wie dem SPIEGEL als mögliche (Mit)Ursache totgeschwiegen werden. Denn selbst wenn Tim K. nicht „auf Medikamentendroge“ war, so kann es der nächste Täter allemal sein…

Zumal es etwa in den USA zwischen 1999 und 2004 eine alarmierende Steigerung der Suizidzahlen bei den 45- bis 54-jährigen um fast 20 Prozent gab – und in derselben Periode nahm die Einnahme von Antidepressiva ebenfalls deutlich zu, wie die New Yorker Patientenschutzorganisation Alliance for Human Research Protection in ihrer Meldung „20 things you need to know about Prozac“ ausführt.

Auch ein Artikel in der Time mit dem Titel „America’s Medicated Army“. Dazu schreibt die AHRP: „The Pentagon does not keep statistics about the use of prescribed mind-altering drugs. But it is estimated that 20,000 troops in Afghanistan and Iraq were taking SSRI antidepressants -such as Prozac, Paxil and Zoloft -and / or sleeping pills such as Ambien. The latest Army report reveals that in one month, January, 2009, the number of suicides by deployed soldiers was 24-six times as many as killed themselves in January 2008.“

Auch offenbart ein alarmierender Report des „Sweden’s National Board of Health and Welfare that 80% of all adult suicides reported in 2006 to the National Board of Health and Welfare, were committed by persons ‚treated‘ with psychiatric drugs: 50% of those who committed suicide were on an SSRI, 60% had been on an antipsychotic“.

Unterdessen scheint es eine Reihe von Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der Tragödie von Winnenden zu geben. Auf Radio Utopia jedenfalls findet sich der Bericht „Fotos und Widersprüche legen anderen Tathergang und massive Vertuschung nahe“. Von Ungereimtheiten berichtet auch ein Artikel in der Stuttgarter Zeitung. Doch wo sind die großen investigativen Aufklärungsberichte im SPIEGEL oder auf SPIEGEL Online?

Der pointierte Kommentar des Journalisten Gerhard Wisnewski: „Den Regierenden geht die Düse: In Frankreich demonstrieren drei Millionen  Menschen; in Griechenland ist ebenfalls der Teufel los, seit ein Jugendlicher durch eine Polizeikugel starb. Die Zeit drängt; der Amoklauf von Winnenden kam da gerade recht: ‚Waffen weg oder wir schießen‘, heíßt da die Devise. Bevor der deutsche Michel auch noch merkt, was gespielt wird, muss man ihm schon mal die ‚Knarren‘ abnehmen.“

 

10 Kommentare zu “Tragödie von Winnenden: Der SPIEGEL gibt sich diese Woche als „Revolverblatt“ – an schonungsloser Aufklärung aber uninteressiert”

  1. mirror sagt:

    Man braucht nicht unbedingt ne Knarre. In meiner Heimatstadt hat ein psychisch Kranker kürzlich eine junge Frau mehrmals überfahren, vor und zurück. Zu diesem brutalsten Mord, der während meines Lebens hier passierte, war nur eine sehr kurze Meldung in der Zeitung: dass der Täter nun wieder in einer geschlossenen Einrichtung wäre. Ursachenforschung ist nicht gewollt. Man würde in vielen Fällen beim Zahnarzt landen.

    Jade Goody, kürzlich medienwirksam an Krebs gestorben, arbeitete einst als Zahnarzthelferin – also an dem einzigen Ort, wo ohne Schutzkleidung mit dem giftigsten nichtradioaktiven Element Quecksilber (Amalgam) herumhantiert wird als wäre es relativ harmloser Fensterkitt.

    Ich rate jedem in meinem Bekanntenkreis, niemanden mit Amalgam oder überhaupt viel Metall im Mund zum Partner zu wählen. Zahnärzte, die Metalle legen, produzieren Psychowracks mit guter Kaufähigkeit. Die Spanne reicht von Depression über Jähzorn bis Schizophrenie. Im Extremfall ist man so gefährdet wie Edward Ratchett im Orient-Express.

    Viele Menschen scheinen noch eine gesunde Abneigung gegen Piercings zu haben. Zahnmetalle betrachte ich wegen deren krankmachender Wirkung sogar als Extrempiercing.

  2. Flokke sagt:

    Diese 49 Fälle beziehen sich aber auf über 2900 Fälle in der Datenbank. Das sind dann nur noch lustige 1,6%.

  3. SPIEGELblog sagt:

    @Flokke

    Die SSRIStories.com-Website listet in der Tat nicht nur 2000, sondern mehr als 2900 Fälle auf. Dass die 49 Fälle, in denen Antidepressiva bei Amokläufen im Spiel waren, „lustig“ sein sollen, verstehen wir nicht. Worum es geht, ist ja der begründete Verdacht, dass Antidepressiva (oder damit verbundene Entzugserscheinungen) die Leute so verändert, dass sie sich stark veränden, indem sie gewalttätig werden, Selbstmord begehen oder eben Amok laufen.

    Wenn also insgesamt tatsächlich 1,6 % derjenigen, die Antidepressiva wie Prozac nehmen, nicht nur depressiv werden oder um sich treten, sondern gar Amok laufen, dann wäre das alles andere als „lustig“, sondern höchst dramatisch…

    Im Übrigen scheint es kaum oder gr KEINEN Amoklauf der jüngsten Vergangenheit zu geben, bei dem Antidepressiva nicht im Spiel waren.

    SPIEGELblog-Team

  4. otto sagt:

    Das scheint mir alles doch sehr weit hergeholt…
    Kann es vielleicht sein, dass die meisten Patienten Antidepressiva bekommen, WEIL sie bereits krank (und Selbstmord gefährdet) sind und nicht erst durch die Medikamente krank werden?
    Und die Zahl 49 ohne Bezug zu nennen ist ziemlich stümperhaft, weil sie dann nämlich genau gar nichts aussagt.
    Da kann ich nur (sinngemäß) zitieren: „90% aller Amokläufer aßen in den Tagen vor der Tat Brot.“

  5. brotfreak sagt:

    @otto

    Dein Kommentar ist wirklich lustig. Vielleicht präsentierst Du uns mal den Beipackzettel von einem Brot, auf dem steht, dass Brot die Nebenwirkungen hat, die bei Prozac und anderen Antidepressiva dokumentiert sind.

  6. Gunnie sagt:

    Am Schlussatz dieses Artikels ist schon was dran.
    Am 09.11.1938 hat bekanntlich Herschel Grünspan den deutschen Diplomaten von Rath in Paris erschossen.
    Was folgte, war, noch vor dem beispiellosem Terror, die Mutter aller Anlassgesetze gegen den privaten Waffenbesitz vom 11.11.1938. Notwendigerweise war es auch erst die organisatorische Vorraussetzung dafür.

    Faksimile online bei der Datenbank ALEX der österreichischen Nationalbibliothek.

    Verordnung gegen den Waffenbesitz der Juden von 11.11.1938

    http://alex.onb.ac.at/cgi-content/anno-plus?apm=0&aid=dra&datum=19380007&seite=00001573&zoom=1

  7. mirror sagt:

    Brot ist der Tod!
    -und auch totgebacken. Daraus geht kein Korn mehr auf.
    In der Tat macht Brot sauer und depressiv. Der chemischen Übersäuerung des Körpers folgt die saure Stimmung auf dem Fuße. Sauerteig und Vollkorn sollte man meiden. Tipp für den Anfang: wenig Brot und weißes Brot essen (wie die Franzosen), außerdem Backwaren schälen! Wo beim Apfel das Gute steckt – in der Schale – ist es beim menschengemachten Kunststoff Brot (vielleicht der erste künstliche Schaumstoff der Welt) so, dass die Schale die meiste Hitze abbekommt und somit dort die körperfremdesten, krebsfördernden Stoffe (u.a. Acrylamid) entstehen. Diese Stoffe bringen aber typischen Duft und Geschmack. Der erwachsene Mensch mag das alles, was er schon im Prozess der frühen Süchtigmachung als Kleinkind reingezwungen bekam. Noch mehr neuartige Stoffe entstehen, indem man die Anzahl der Ausgangsstoffe erhöht – also Vollkornmehle verbäckt. Bücher wie „Willst Du gesund sein? Vergiss den Kochtopf!“ klären über erhitzte Nahrung auf. Der Autor beklagt darin auch den schlechten Geruch aus dem Mund von Brot- und Tiereiweiß-Konsumenten. Ausgeatmet statt Ausgesprochen: Viele Beziehungen gehen auseinander oder kommen nicht zustande wegen Mundgeruch aus Fehlernährung und/oder verfaulendem Eiweiß in Spalten zwischen Zahn und Dentalwerkstoff.

    Für empfängliche Menschen gibt es noch größere Zusammenhänge bzw. manchmal winzige Hinweise zu entdecken:

    – Bernd das Brot blickt uns depressiv an
    – Brot reimt sich auf Not, tot, Kot. Die Buchstaben bilden auch „rot“, „Tor“(Dummkopf, Narr, Grünschnabel), „tob“ (-en), fast „Brom“ (äußerst giftig) und „Bor“ (Vergiftungserscheinungen ab 100mg/Tag möglich laut Wikipedia). Mit etwas Mut reicht es fast bis zum „Mort“.

    – Das Dentalmuseum befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen psychiatrischen Klinik Zschadraß
    – Diese große Klinik war notwendig im Zuge der industriellen und besonders chemischen Revolution und kurz nach Einführung von Amalgam als Zahnflickstoff

    Deutlichere Hinweise, die man gelegentlich sieht, sind Schilder bei Bäcker oder Biobäcker: „wegen Krankheit geschlossen“; bzw. wenn es um wertvolle Zootiere geht, die nicht zum Schlachter sollen: Schilder wie „Füttern mit Brot verboten“. Wildvögel werden oft mit Brot gefüttert, bekommen Vogelgrippe. Tiere wanderten in die Stadt zum Kunststoff-Fresser Mensch (Spatzen) und heute beklagt man deren Verschwinden, warum wohl?

    Brot, Amalgam und Psychopharmaka – ein wahres Experiment, das ruhig stellt oder zum Aufbrausen führt und noch vieles mehr an Überraschungen bietet.
    Google auch „Brotgicht“

  8. Flokke sagt:

    @Spiegelblog: „Lustige 1,6%“ sollten „zu vernachlässigende 1,6% im Kontext der Korrelation“ bedeuten. Lustig = Sehr gering, also nicht im Sinne von unbedeutend. Hatte ich mich unglücklich ausgedrückt.

    Ich kann jedoch aus eigener Erfahrung bestätigen, dass Antidepressiva das Wesen verändern und in der Tat aggressiv machen, da ich dies schon persönlich erlebt habe.

    Dennoch ist der Hauptgrund sicher ein anderer.

  9. SZenso » Blog Archive » Die Kultur des Bösen sagt:

    […] Northern Illinois University im Jahr 2008 diskutiert. Dies ist nicht der einzige Hinweis auf den Zusammenhang von Psychopharmaka und Amokläufen. Die bange Frage ist daher begründet, ob  unsere Kinder mit schulmedizinisch verabreichten Drogen […]

  10. Yahya Angela sagt:

    Hallo Spiegel Team, warum schreibt eigentlich nie jemand darüber was die neuen Psychopillen aus den Menschen machen können? Sie können bei der Person eine Manie od. Hypomanie auslösen , in denen der jenige sich in ziemlich großen Schwierigkeiten bringen kann. Finanzielle Verluste , Verträge , Verlassen der Familie usw. ich selber recherchiere seit 2 Monaten in der Richtung weil mein Lebensgefährte diese bekommen hat und genau das passiert ist. Es gibt Ärzte die davor warnen , aber irgendwie gehen wohl diese Stimmen unter! Und das Ende vom Lied ist , wenn du pech hast ……..

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