- SPIEGELblog - http://www.spiegelblog.net -

Umstrittene Nazi-Produkte im SPIEGEL-Shop

Auf Sueddeutsche.de lesen wir heute den Beitrag von Willi Winkler „Umstrittene [Nazi-]Produkte im SPIEGEL-Shop: Goebbels erzählte mir“ [1] (siehe Screenshot). [1]Dort lesen wir:

„Auch wenn [beim SPIEGEL] ein Redakteur gerade wortreich sein coming out als Konservativer [2] gefeiert hat, ist der heutige SPIEGEL alles andere als ein rechtsradikales Blatt. Dank der Finanzkrise scheint er sich sogar vom neoliberalen Rausch zu erholen, in den sich die Redaktion in den letzten Jahren der Ära Aust gestürzt hatte. Doch manchmal braucht es nur ein, zwei Klicks, und die Vergangenheit ist wieder da.“

Wer nämlich den Namen „Wilfred von Oven“ in die „hochgemut als ‚Lexikon der nächsten Generation‘ beworbene Datenbank“ eingebe, erhält auch einen Hinweis auf ein Buch, das der ehemalige Pressereferent des Propagandaministers Goebbels übersetzt hat: „Denn der Hass stirbt…“ von Léon Degrelle (siehe ebenfalls Screenshot). Dieses Buch kann über den SPIEGEL-Shop zum Preis von 16,95 € bezogen werden. Abonnenten werden sogar die üblichen Versandkosten in Höhe von 3,- Euro erlassen.

„Bloß peinlich“
SPIEGEL-Leser wissen ja angeblich mehr, und das ist in diesem Fall gar nicht falsch. „Denn“, so Winkler, „im vergangenen Jahr konnten sie einiges über den ‚missverstandenen Idealisten‘ Degrelle im Blatt lesen (Heft 16/2008)… 1994 starb der ‚große Visionär‘ (Klappentext) mit 87 Jahren, ‚reuelos, mit der Vergangenheit prahlend, eingemauert in sein Gespinst aus Lügen und falschen Heldenposen‘ (nochmal Der SPIEGEL).“

Warum aber offeriert der SPIEGEL über seine Online-Ausgabe altnazistische Rechtfertigungsliteratur?

„Die ‚Shopsuche'“, so Winkler, „generiert auf Basis der eingegebenen Suchbegriffe ‚relevante Bücher‘ – Titel, die weiterführen, oder, wie Degrelles Memoiren, eher wieder zurück. Ähnliche Ergebnisse bringen Suchanfragen nach Nazi-Helden wie Hans-Ulrich Rudel oder Hanna Reitsch. Das Problem ist im Verlag bekannt, aber man will ‚keine Zensur ausüben‘ und im übrigen verstehe man sich als ‚Händler‘.“

Nun, die Glaubwürdigkeit des SPIEGEL werde, so Winkler, unter diesem Link ins rechte Lager nicht leiden, es sei bloß peinlich. „Denn wie das so ist mit der Vergangenheit: sie will einfach nicht vergehen. Wilfred von Oven, der 2008 im gesegneten Alter von 96 Jahren in Buenos Aires starb, ist ein Wiedergänger aus grauer Vorzeit. 1950 meldete er sich mit einem Leserbrief beim SPIEGEL. Neben einem Bild, das ihn in Wehrmachtsuniform zeigte, erläuterte er unter der Überschrift ‚Goebbels erzählte mir‘, warum der Putsch Stauffenbergs scheitern musste.

„Zufallsgenerierter Link auf das Werk der Altnazis Degrelle und Oven wirkt fast wie eine späte Wiedergutmachung“
Oven hatte begehrte Insider-Kenntnisse aus dem ‚Dritten Reich‘ zu bieten, und dem SPIEGEL war dieser Kontakt zu den inzwischen in den Untergrund abgedrängten alten Nazis nicht unwillkommen. Oven zog es bald fort nach Südamerika, ein am 24. April 1951 ausgestellter Presseausweis mit der Unterschrift des Herausgebers Rudolf Augstein war ihm gelegentlich noch nützlich.

In Buenos Aires verkehrte Oven mit Adolf Eichmann und weiteren Gestalten aus Deutschlands abenteuerlichster Zeit, ließ aber den Kontakt nach Hause nie abreißen. Wenn der Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Urlaub machte, belieferte Oven die Heimatredaktion mit seinen Geschichten. Nur der SPIEGEL vergaß seinen alten Mitarbeiter und gemeindete Oven 1981 in ‚deutschtümelnden oder exildeutschen Landsmannskolonien‘ ein, in denen die deutschen Neonazis Widerhall fänden, ‚oder in Argentinien, wo der frühere Goebbels-Referent Wilfred v. Oven (Der 20. Juli – erlebt im Hause Goebbels) eine [Ausgabe der rechtnationalen Monatszeitschrift] ‚Plata-Ruf‘ ediert“. Schnöde unterblieb der Hinweis, dass die SPIEGEL-Leser den 20. Juli drei Jahrzehnte zuvor in der Exklusiv-Version Ovens erleben durften. Da wirkt der zufallsgenerierte Link auf das Werk von Degrelle und Oven doch fast wie eine späte Wiedergutmachung.“

Kurz nach Willi Winklers Beitrg meldet sich übrigens SPIEGEL Online zu Wort mit dem Beitrag „Warum man im SPIEGEL-Shop Nazi-Bücher findet – und woanders auch“ [3]. Darin schreibt man: „Wer will, gelangt mit ein, zwei Klicks zum ‚Süddeutsche Zeitung Shop‘. Mal eben den Namen eingeben – und siehe, auch hier wird die ‚altnazistische Rechtfertigungsliteratur‘ (Winkler) angeboten: (‚Denn der Hass stirbt…‘ von Leon Degrelle). Für 16.95 Euro.“

Der Unterschied ist offenbar nur, dass die Süddeutsche keine so „innige“ Geschichte mit den Altnazis verbindet. Und genau dieser Aspekt ist ja der zentrale Kritikpunkt von Willi Winklers Beitrag.

Hier noch der Hinweis der Süddeutschen „in eigener Sache“, dass „der Hinweis auf den SZ-Shop in der Berichterstattung fehlte“: http://www.sueddeutsche.de/j56383/2888979/In-eigener-Sache.html [4].