- SPIEGELblog - http://www.spiegelblog.net -

Wie SPIEGEL Online den Schmu mit den Arbeitslosenzahlen kolportiert

„Vergleicht man die aktuellen Zahlen der ‚offiziell‘ Arbeitslosen (3.458.000) mit der Zahl der tatsächlichen Leistungsbezieher von Arbeitslosengeld I oder Arbeitslosengeld II (5.958.000), so wird deutlich: Die offizielle Statistik vermittelt ein völlig falsches Bild.“
Claudia Winterstein, FDP, in einer heutigen Presseerklärung [1]

[2]Der SPIEGEL geriert sich immer wieder als ein Blatt, das das Gefasel der Bundesregierung kritiklos weiterträgt. Für Angela Merkel wird regelrecht Hofberichterstattung betrieben (siehe SPIEGELblog-Bericht [3]) und Wirtschaftsminister Guttenberg ist für den SPIEGEL ein Politstar (siehe SPIEGELblog-Bericht [4]). Und selbst wenn es um die Arbeitslosenzahlen geht, gibt sich das Nachrichtenmagazin völlig unkritisch, um nicht zu sagen uninvestigativ. Da lesen wir heute auf SPIEGEL Online den Jubelartikel „Frühjahrsaufschwung: Arbeitslosenzahl sinkt deutlich“ [2] (siehe Screenshot). Darin wird behauptet: „Aufschwung am Jobmarkt: Die Zahl der Erwerbslosen ist im Mai auf 3,5 Millionen gesunken, die Arbeitslosenquote ging auf 8,2 Prozent zurück.“

SPIEGEL Online verschweigt, dass die Zahl der Leistungsbezieher in Wahrheit bei fast 6 Millionen liegt
Tatsächlich jedoch liegt die Zahl der Leistungsbezieher bei fast 6(!) Millionen – also fast doppelt so hoch wie vo SPIEGEL Online unter Berufung auf die Angaben der Agentur für Arbeit angegeben. Nicht erfasst werden (von der Zahl von knapp 3,5 Millionen Arbeitslosen) nämlich zum Beispiel alle Personen, die an „Maßnahmen der Arbeitsförderung“ teilnehmen (Ein-Euro-Jobs, Weiterbildung, Trainingsmaßnahmen, Vermittlung durch Dritte oder Vorruhestand).

SPIEGEL Online schreibt zwar, dass die „deutliche Verbesserung zum Teil auf einer Statistikänderung beruht“, doch dass dadurch in Wahrheit fast 6 Millionen Menschen in diesem Land arbeitslos sind, das steht in dem Artikel nicht und geht aus ihm auch nicht annähernd hervor. Zumal die von SPIEGEL Online gewählte Artikelüberschrift „Frühjahrsaufschwung: Arbeitslosenzahl sinkt deutlich“ keinen Sinn macht, wenn das Nachrichtenportal es mit der Kritik an den verbogenen Statistiken wirklich ernst gemeint hätte.

Dass die von der Agentur für Arbeit genannten (und Medien wie dem SPIEGEL kolportierten) Arbeitslosenzahlen der reine Schmu sind, darauf macht auch die FDP-Bundestagsabgeordnete Claudia Winterstein [5] in einer heutigen Presseerklärung [6] aufmerksam. Winterstein hatte bereits 2008 gegenüber der FAZ [7] kritisiert, dass die wahre Zahl der Arbeitslosen rund doppelt so hoch liegt wie offiziell verkündet. Winterstein: „Wer nur die [offiziell angegebene] statistische Arbeitslosigkeit betrachtet, schönt die Bilanz und betrügt sich selbst.“

Von der Stillen Reserve erwähnt SPIEGEL Online auch kein Sterbenswörtchen
Erschwerend kommt hinzu, dass zu diesen aktuell fast sechs Millionen Leistungsbeziehern noch die so genannte Stille Reseve [8] (auch verdeckte Arbeistlosigkeit genannt) hinzukommt – also schätzungsweise deutlich mehr als eine Millionen Menschen, die unter bestimmten Bedingungen bereit wären, eine Arbeit aufzunehmen, sich aber bei der Arbeitsverwaltung nicht als arbeitslos melden. Die Agentur für Arbeit schrieb 2005 sogar selber, dass man „auch die ‚Stille Reserve‘ in die Betrachtung einbeziehen muss, um das gesamte Problem [der Arbeitslosigkeit] richtig abschätzen zu können“ [9].

Auch darüber lesen wir bei SPIEGEL Online kein Sterbenswörtchen.

Das einzig Sinnvolle wäre also, den ganzen Zahlenschmarn der Agentur für Arbeit als das zu benennen, was er ist: pure Trickserei und Schönfärberei. Und anstatt – wie es der SPIEGEL tut – den Zahlenbetrug ernst zu nehmen, sollte konsequent nur noch das wahre Ausmaß der Arbeitslosigkeit veröffentlicht werden. So wie es zum Beispiel die „Petition für eine ehrliche Veröffentlichung der Arbeitslosenzahlen“ [10] im Sinn hat.