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Wie der SPIEGEL den verheerenden Einfluss der USA auf die Geschicke Lateinamerikas schönredet

(Mit Dank an Johannes M.)

In dem Beitrag „Die Stunde der Caudillos*“ (S. 92-94 in der aktuellen Printausgabe, siehe Ausriss) über den Militärputsch in Honduras und überhaupt die aktuellen Geschehnisse [1]in Lateinamerika offenbart der SPIEGEL mal wieder seine Rolle als Propagandamedium für die US-Administration. Sicher, Populisten wie Venezuales Staatspräsident Chávez sind mit großem Argwohn zu betrachten – doch es ist einfach Desinformation pur, wenn der SPIEGEL gleich zu Beginn des Beitrags schreibt: „In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts… wurde Mittelamerika zum Schlachtfeld für die Stellvertreterkonflikte zwischen Moskau und Washington.“

Denn dieser Satz suggeriert, dass die Beteiligung oder Einmischung Moskaus in die inneren Angelegenheiten Lateinamerikas ebenso umfangreich waren wie die Washingtons, was aber fern jeder Realität liegt. Dabei kam es ohne Frage zu Waffenlieferungen aus Russland, doch machten diese nur einen Bruchteil der US-Lieferungen aus und waren außerdem eher der Tatsache zu verdanken, dass keine andere nicht-westliche Alternative zur Verfügung stand.

Mit ihren Kriegen gegen Lateinamerika sind die USA der wahre „Zündler“ in der Region – was der SPIEGEL einfach verschweigt
Auch schreibt der SPIEGEL ein paar Zeilen weiter: „Dass es wieder unruhig wird in Lateinamerika, hat mit Venezuelas Präsident Hugo Chavez zu tun, er ist der größte Zündler in der Region.“ Das ließt sich – bei allem Argwohn, der, wie gesagt, gegenüber Hugo Chávez angebracht ist – wie blanker Hohn angesichts Hunderttausender Toter und der Errichtung menschenverachtender Diktaturen in Lateinamerika, für die nicht Chavez, sondern die USA verantwortlich sind.

Man denke nur an US-Interventionen und das Stürzen legitimer Regierungen in Guatemala (1954), auf Kuba (1961), in der Dominikanische Republik (1965), in Chile (1973), auf Grenada (1983), in Nicaragua (1984-90), in Panama (1989), in Venezuela (2002) und auf Haiti (2004). Dies sind wohlgemerkt nur einige Beispiel, denn der Krieg – man muss es so drastisch formulieren – der USA gegen Lateinamerika reicht mindestens bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück [2]. Damals gelang es den USA durch eine perfide Militärstrategie, Texas, New Mexico, Arizona, Utah, Nevada, Kalifornien und Teile von Colorado den Mexikanern zu entreißen (siehe zum Beispiel: Eric Foner: Give Me Liberty: An American History, Seagull Edition, New York: W.W. Norton and Company, 2006. S. 402–405 [3]; oder auch: Howard A. Zinn: A People’s History of the United States, Abridged teaching ed. New York: New Press, 2003. S. 113–124 [4]).

Laut SPIEGEL haben die USA 2002 beim Putsch gegen Chávez nur „wohlwollend zugesehen“ – tatsächlich aber hat die CIA mitgeputscht
Bemerkenswert in dieserm Zsh. ist auch, dass der SPIEGEL relativ am Ende seines Artikels schreibt, die USA hätten „wohlwollend zugesehen“, als Chávez vor sieben Jahren von reichen Geschäftsleuten und aufständischen Offizieren aus dem Amt geputscht worden sei. In Wahrheit jedoch hat die CIA diesen Putsch forciert – die USA waren also aktiv daran beteiligt und haben nicht nur „wohlwollend zugesehen“. [5]

* Caudillo heißt übersetzt Heerführer oder Oberbefehlshaber.