Wissenschaftliche Analyse zu SPIEGEL Online zeigt auf: mehr Spektakel, weniger Fakten; Wortschatzkomplexität sinkt; Angstmacher-Berichterstattung steigt

  15. September 2011, von T. Engelbrecht

Seit einigen Jahren ist bei SPON die Panorama-Berichterstattung umfangreicher als die Politik-Berichterstattung

Joachim Scharloth schreibt den Wissenschaftlerblog „Surveillance and Security“ für FachkollegInnen und interessiert Laien. Für ein kleines Forschungsprojekt beschäftigt er sich zurzeit mit dem Sprachgebrauch auf SPIEGEL Online. Gewissermaßen als Nebenergebnis hat er eine Statistik über die Artikel- und Textmengen in den Ressorts des Online-Magazins in den vergangenen elf Jahren berechnet. Die Analyse gliedert sich in Teil 1 und Teil 2.

Die Tendenzen kann man folgendermaßen zusammenfassen:

# Das Ressort Panorama wird immer mehr ausgebaut und überholt sogar im Umfang die Ressorts aus dem Bereich Politik (siehe obere Grafik)

# Die Wortschatzkomplexität sinkt; das heißt die Texte enthalten immer weniger sprachliche Varianten

# In den vergangenen 11 Jahren ist bei SPIEGEL Online die Tendenz gestiegen, immer skandalisierender und immer weniger faktengesättigt zu berichten (siehe zweite Grafik)

# Seit den Anschlägen vom 11. September 2001,  kurz 9/11, verharrt der Angstindex – das so genannte Fnord-Barometer – auf einem Niveau, das im Schnitt 50 bis 70 Prozent höher liegt als vorher. Bei diesem Index wird die Anzahl von Wörtern und Wendungen angezeigt, die auf Angst machende Sachverhalte referieren (Terror, Seuchen, Umweltkatastophen, Klimawandel, Islamisten, Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit etc.), Dabei handelt es sich also eher um eine einfache Messgröße, weil sie schlicht Wörter und Phrasen auszählt. Funktioniert aber offenbar erstaunlich gut. Der Angstindex ist bei SPIEGEL Online durch 9/11 erstmal hochgeschnellt und wieder zurückgegangen, verharrt aber insgesamt auf einem deutlich höheren Niveau als vor 9/11. Scharloth hat im Übrigen auch die Print-Ausgabe der ZEIT untersucht – und da geht der Angstindex zeitweise wieder auf ein vor-9/11-Niveau zurück, steigert sich dann aber mit der Wirtschaftskrise enorm.

 

3 Kommentare zu “Wissenschaftliche Analyse zu SPIEGEL Online zeigt auf: mehr Spektakel, weniger Fakten; Wortschatzkomplexität sinkt; Angstmacher-Berichterstattung steigt”

  1. Tiefenbohrer sagt:

    Das passt genau zur Angstbude Bundestag:
    http://www.youtube.com/watch?v=xx9kFgnRHOY
    http://angstbude.blogspot.com/2011/07/angstbude-bundestag.html

  2. Tino Knaak sagt:

    Eine Komponente wird nicht erwähnt:
    Zu all dem kommt der Verlust der Neutralität. Ich kann mich noch an (sehr) alte Zeiten erinnern, zu denen die Spiegelredakteure neutrale, informative Artikel geschrieben haben. Heute liest man subjektive Texte, die überwiegend der Meinungsmache dienen. Man denkt dann an Methoden wie bei der Axel Springer AG. „BILD dir deine Meinung.“ – Über diesen Slogan lacht man heute nicht nur bezüglich BILD, sondern denkt gleichzeitig an das verlotterte System des SPIEGELs.

  3. Spiegel Online sprachlich betrachtet | Sven Büchler sagt:

    […] (via) […]

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