SPIEGEL meldet „Turbo-Ausstieg würde 230 Milliarden Euro kosten“ – und gibt sich damit nur als Sprachrohr der Atomlobby

AKTUALISIERUNG: SPIEGEL Online hat ein Einsehen und bestätigt am 7. April diesen SPIEGELblog-Bericht. So heißt in dem SPON-Artikel „Greenpeace hält Atomausstieg bis 2015 für realistisch“: „[Die] Energieexperten [von Greenpeace] haben eine Studie vorgelegt, wonach Deutschland bereits 2015 komplett aus der Atomkraft aussteigen kann – ohne dass dadurch… höhere Energiekosten entstünden.“
In dieselbe Kerbe schlägt eine Studie der Versicherungsforen Leipzig. Demnach „ist Atomstrom eigentlich unbezahlbar“, wie etwa die Frankfurter Rundschau dazu am 12. Mai schreibt. Und auch SPON selber hat darüber am 11. Mai berichtet.
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„Atomausstieg macht Strom nicht knapp und teurer.“
Greenpeace-Experte Roland Hipp, Sept. 2009
„Schätzungen zur Höhe des geldwerten Vorteils der Atomkraftwerksbetreiber gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen durch eine fehlende ausreichende Haftpflichtversicherung reichen bis zu 11.413 Mrd. €. Damit wäre Atomstrom um bis zu 2,70 € pro kWh teurer und damit weder bezahlbar noch wettbewerbsfähig.“
Greenpeace-Studie „Subventionierung der Atomenergie“
Die Dramatik im japanischen AKW Fukushima ist kaum zu überbieten. Da frisst sogar so mancher eingefleischte Atomkraft-Befürworter Kreide und gibt sich kritisch gegenüber dieser Energieform. Auch der SPIEGEL agiert hier nicht ganz sauber. Man erinnere sich nur daran, dass SPIEGEL-Redakteur Jan Fleischhauer noch vor kurzem unbedingt „einmal ein gutes Wort über Atomkraft“ loswerden wollte.
Dazu passt auch der SPON-Beitrag „‚German Atom-Angst‘: Die spinnen, die Deutschen!“, der bestätigt, dass das Nachrichtenmagazin immer wieder die Gelegenheit nutzt, wie ein PR-Botschafter der Atomlobby aufzutreten.
Oder nehmen wir den aktuellen Beitrag auf SPIEGEL Online „Turbo-Ausstieg [aus der Atomkraft] würde 230 Milliarden Euro kosten“ (siehe auch Screenshot). Damit macht sich das Nachrichtenportal letztlich nur zum Sprachrohr der Atomlobby, weil es mit dieser knackigen Headline einem Millionenpublikum eine Botschaft hinwirft, die (1) eine haltlose(!) Angst vor einem schnellen Atomausstieg schürt und (2) dabei auch noch wesentliche Fakten verschweigt.
SPON benennt nicht die wahren Kosten der Atomkraft – und damit auch nicht das ungeheure Einsparpotenzial, das mit dem Abschalten der AKWs verbunden ist
Zunächst einmal ist festzuhalten. Die Kaufkraft der Bürger wird vor allem dadurch geschmälert, dass die Stromkonzerne – dank der konzernfreundlichen Politik der Bundesregierungen sowie Medien, die der Regierung diese Politik nicht „um die Ohren haut“ – unverschämt hohe Gewinne einfahren. Ein dicker Batzen dieser Milliardengewinne gehört also eigentlich uns Steuerzahlern. Denn die Gewinne würden ja nicht bei RWE&Co. in dem exorbitanten Ausmaß landen, wenn die von den Steuerzahlern finanzierten Politiker eine Energiepolitik betrieben hätten, die im Sinne der Steuerzahler und nicht der Großkonzerne ist.
Und was die Atomenergie betrifft, so hat Greenpeace in einer Studie ausgerechnet, dass der deutsche Staat die Atomenergie zusätzlich zu den Stromkosten seit 1950 mit mindestens 203,7 Mrd. € gefördert hat. “Das entspricht einer Subventionierung des Atomstroms von 4,3 Cent pro Kilowattstunde (kWh) Strom”, so Greenpeace. “Mit 126,6 Mrd. €… haben die Steuerzahler/innen die Atomenergie in Form von Finanzhilfen und Steuervergünstigungen unterstützt. Weitere 76,9 Mrd. € Vorteile entstehen den Unternehmen durch staatlichen Regelungen bei den Rückstellungen und dem Emissionshandel… Hinzu kommen zukünftige Förderungen von 99,9 Mrd. €, die bereits absehbar sind.”
Doch damit nicht genug. Die Zuwendungen für die Atomkraft, so Greenpeace, lägen noch weitaus höher, wenn die Betreiber der AKW zudem für eine vollständige Haftpflichtversicherung im Fall eines nuklearen Unfalls aufkommen müssten. Würden bei Atomkraftwerken also die gleichen Haftungsregeln wie in anderen Wirtschaftsbereichen gelten, wäre Atomstrom um bis zu 2,70 €(!) – also 270 Cent – pro Kilowattstunde teurer und damit weder bezahlbar noch wettbewerbsfähig – und vor allem um ein zigfaches teuerer als etwa Solarstrom.
Dies alles verschweigt SPIEGEL Online in seinem Artikel.
Steuermilliarden für Asse – auch kein Thema in dem SPON-Artikel
Vergessen wir dabei nicht, dass allein die Schließung des lecken Atommüllagers Asse mehrere Milliarden Euro verschlingen wird – an Steuergeldern wohlgemerkt, weil die Bundesregierung die Atomindustrie vollständig von den Kosten der Asse-Sanierung freizustellen gedenkt.
Und wie steht es um die Folgen des Uranabbaus, der für den Betrieb von Atomkraftwerken notwendig ist? Hierfür müssen sogar Menschen mit ihrer Gesundheit und sogar ihrem Leben bezahlen -, um einen weiteren von “100 guten Gründen gegen Atomkraft” zu nennen.
Gleichzeitig ist sich der SPIEGEL wohlgemerkt nicht zu schade, mit „platter Polemik“ gegen Solarstrom zu wettern, wie Greenpeace aufgezeigt hat (siehe dazu auch SPIEGELblog-Bericht „Teure Solarförderung? Wie der SPIEGEL Christoph Schmidt vom RWI und letztlich der Atomlobby eine “kuschelige” PR-Plattform bietet“).

19. März 2011 um 18:39
Man hätte von Anfang an nie in die Kernenergie-Technologie einsteigen dürfen. Die gewaltigen Kosten wurden grossteils von der Bevölkerung (in der Rolle als Steuerzahler, Stromkunde, ..) getragen, die allerdings in einer grossen Mehrheit dagegen waren und weiterhin sind. Und wenn es jetzt tatsächlich zu einem Ausstieg kommen sollte, wer würde dann wohl die Kosten (von den Risiken mal ganz zu schweigen) für die ungelöste und sehr wahrscheinlich sogar unlösbare Endlagerung tragen ?
Ich war entsetzt, als ich im Fernsehen den Untertitel in einer Reportage über das Atom-Unglück in Japan las: „Die japanische REGIERUNG bekommt die Situation in dem havarierten Kernkraftwerk nicht in den Griff“. Nach dieser „Logik“ wäre es die Aufgabe einer Regierung (sprich letztenendes der Bevölkerung), sämtliche Risiken zu tragen und die Krisen zu bewältigen. Und wenn man dann noch bedenkt, was da überall für Pfeifen in den Regierungen abhängen, die bei jeder Krise reflexartig blubbern: „das haben wir ja gar nicht kommen sehen, wer konnte denn so etwas ahnen? – jetzt müssen wir aber erst mal innehalten und prüfen“. Man müsste sich die Haare ausraufen (so man denn noch welche hätte 😉
20. März 2011 um 18:46
Was mich wirklich empört, das ist, dass sich der Spiegel zum Sprachrohr für Lobbys macht: Für die Atomlobby hier, für Sozialfeinde wie jene von der INSM an anderer Stelle. Für verschiedenste Wirtschaftszweige und Guttenberg an anderer. Noch immer aber wird der Spiegel von vielen für ein objektives und neutrales, gar für ein politisch links stehendes Blatt gehalten. Genau das macht den Spiegel letztendlich so gefährlich. Hätte man ihn als das erkannt, was er ist, ein polemisches Lobby-Sprachrohr, das an Zynismus kaum zu überbieten ist, dann wäre die große Masse vor der Meinungsmache der Spiegel-Redakteure gefeit.
31. März 2011 um 22:19
zur atomthematik: mich würde ja mal die summe interessieren, die sich die atom-maffiaia für den vorzeitigen ausstieg von den bürgern überweisen lässt? dazu schreibt keiner was, obwohl es doch nur darum geht! GELD!
danke für die guten infos und weiter so.
04. April 2011 um 12:31
Greenpeace vs. Spiegel, ich hau mich weg. Immer gemäß dem Motto: Wenn euer Lügenbeutel unseren Lügenbeutel nochmal Lügenbeutel nennt, nennt unser Lügenbeutel euren Lügenbeutel solange Lügenbeutel, bis euer Lügenbeutel unseren Lügenbeutel nicht mehr Lügenbeutel nennt.
04. April 2011 um 12:38
Hallo Bergsträßer,
wo lügt Greenpeace denn hier?
04. April 2011 um 14:47
Hallo Lügendetektor,
die Frage ist eher, wann lügt Greenpeace nicht. Von Brent-Spar bis zur „dutzendfachen“ jetzt-aber-ganz-sicher-bereits-aufgetretenen Kernschmelze in Fukushima bereits ab dem Tag nach dem Erdbeben/Tsunami, das ist Greenpeace. Übertreibungen sind ja nun auch Lügen. Näher beschäftige ich mich mit dem Verein schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Und schon gar nicht mehr verschwende ich meine Zeit mit dem Lesen derer Pamphlete.
04. April 2011 um 16:18
@ Bersträßer
Deine Antwort überzeugt mich nicht. Meine Frage bezog sich v.a. auf „hier“, womit der SPIEGELblog-Beitrag gemeint war. Dessen Kernaussage ist ja, dass der SPIEGEL nicht die Fakten erzählt, wenn er schreibt, ein schneller Atomausstieg würde uns Steuerzahler unterm Strich horrende Summen kosten. Inwiefern lügt Greenpeace HIER?
Zum anderen frage ich mich: Inwiefern hat Greenpeace nachweislich im Zsh. mit Brent Spar oder im Zsh. mit Fukushima gelogen? Bis dato ist mir nur bekannt, dass die japanische Regierung und Tepco wahre Lügenbarone sind…
PS: Greenpeace ist sicher nicht frei von Kritik, in Sachen FSC-Siegel z.B. haben sie echt Mist gebaut.
05. April 2011 um 07:49
@ Lügendetektor,
vergiss es, alles prima. Greenpeace kann auch übers Wasser laufen, so sie nur wollen.
05. April 2011 um 15:27
@ Bergsträßer,
Deine Argumentation ist wirklich fundiert, wow… 😉
06. April 2011 um 08:35
Hallo Lügendetektor,
da hast Du wohl recht. Liegt vor allem daran, dass ich gar nicht argumentieren wollte. Sondern lediglich darauf hinweisen, dass man ein Lügenblatt nicht mit einem Verweis auf einen Lügenverein auskontern kann. Dass Du die seit deren Gründung stattfindenden Übertreibungen und Verdrehungen von Greenpeace nicht erkennen kannst/willst, spricht ja denn auch Bände. Ergo werde (und wollte) ich nicht mit Dir darüber diskutieren, sowenig wie ich mit dem Papst über die unbefleckte Empfängnis Marias einen Disput führen würde. Bei Ideologen ist es nämlich sinnlos zu argumentieren.
06. April 2011 um 10:44
@ Bergsträßer
Jetzt schimpfst Du schon wieder nur herum. Was soll das, mich als Ideologen abustempeln? Ich habe Dich nur um sachliche Argumente gebeten – was hat das mit Ideologie zu tun?
Ich meine, was bringt es denn, wenn Du hier nur plump „Dampf“ ablässt? In jedem Fall sollte man doch, wie ich meine, sachliche Argumente bringen – ansonsten erreicht man niemanden, und ansonsten verhält man sich auch nicht besser als der von Dir erwähnte Papst, der seinen Glauben an die unbefleckte Empfängnis auch nicht faktisch fundiert untermauern kann.
Wie gesagt, meine Frage an Dich bezog sich v.a. auf “hier”, womit der SPIEGELblog-Beitrag gemeint war. Dessen Kernaussage ist ja, dass der SPIEGEL nicht die Fakten erzählt, wenn er schreibt, ein schneller Atomausstieg würde uns Steuerzahler unterm Strich horrende Summen kosten. Inwiefern lügt Greenpeace HIER?