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Alexander Osang: Hofberichterstattung für Angela Merkel

Es gibt drei Arten der Desinformation: Man kann falsch berichten, Dinge schönreden und über Geschehnisse nicht berichten. [1]Alles drei findet im SPIEGEL immer wieder statt. So findet sich in der aktuellen Ausgabe des Magazins eine 10-seitige Hofberichterstattung für Angela Merkel. Schlagzeile: „Die deutsche Queen“ (siehe montierte Ausrisse, Artikel online nicht verfügbar).

Der SPIEGEL malt von Merkel das naive Bild von der netten Tante
Der Beitrag, geschrieben von Alexander Osang, liest sich wie eine Lobeshymne. So erfahren wir, dass die Kanzlerin „unprätentiös“, „aufmerksam“, geheimnisvoll“, „authentisch“, „wirklich interessiert“, „offen in ihrer Art“, „sehr sympathisch“, „intelligent“, „zuhörend“, „abwägend“, „vernünftig“ usw. sei. Ja, für Alexander Osang hat Merkel schlicht „eine königliche Haltung“. Gemalt wird hier das naive Bild von der netten Tante, die man einfach zum knuddeln gerne haben muss.

Zitiert werden natürlich nur die Machtcliquen, darunter auch so sympathische Zeitgenossen wie Josef Ackermann. Oder auch Klaus von Dohnanyi, der „empfiehlt, ein euphorisches Porträt [über Merkel] zu schreiben“. Dieser Politikerempfehlung ist der Journalist Osang dann auch gefolgt.

Merkels DDR-Vergangenheit oder auch ihre Untaten als Umweltministerin werden einfach ausgeblendet
Doch wie steht es um die Schattenseiten der Kanzlerin, etwa ihre DDR-Vergangenheit – eine Vergangenheit, die der SPIEGEL der Linken zum Beispiel alle drei Minuten aufs Brot schmiert? Immerhin war Merkel FDJ-Funktionärin für Agitation und Propaganda. Damit gehörte sie zur Kampfreserve der Partei. Und dass die CDU die DDR wirklich aufgearbeitet hat, kann man nun wirklich nicht sagen. Hat die Partei der guten Christen doch das böse Vermögen zweier SED-Blockparteien geschluckt, deckt aber ansonsten über ihre Vergangenheit den Mantel des Schweigens.

Doch für Alexander Osang ist dies nicht berichtenswert. Etwa deswegen, weil er selber, geboren in der DDR, einst Mitglied der SED war? Oder einfach nur, weil der SPIEGEL „aus Versehen“ konservativ geworden ist [2] und daher strammt steht und eigentlich drindend gebotene Kritik an Angela Merkel scheut?

Wie zum Beispiel steht es um ihre Rolle als  Bundesumweltministerin zu der Zeit, als das Atommüllager Asse II, bei dem die Atommafia ihre Finger im Spiel hat(te), [3] einst genehmigt wurde? Vor dem anstehenden Untersuchungsausschuss zu Asse muss möglicherweise auch die mittlerweile zur Bundeskanzlerin aufgestiegene Angela Merkel aussagen [4].

Auch das verschweigt Alexander Osang. Genau wie die Kritik an der Kanzlerin, dass sie (genau wie viele andere Politiker) nicht viel mehr ist als ein verlängerter Arm der Großkonzerne. Man denke hier nur daran, dass nach wie vor ein Großteil der staatlichen Subventionen nicht etwa an den Mittelstand, sondern an Großkonzerne fließen, die zugleich nicht einmal mehr wirklich Steuern zahlen. Aufschlussreich in diesem Zsh. ist etwa das Buch „Asoziale Marktwirtschaft – Insider aus Politik und Wirtschaft enthüllen, wie die Konzerne den Staat ausplündern“ [5]. Dies ist auch unter Angela Merkel so.

Oder denken wir daran, dass Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer zum engsten Berater von Angela Merkel wurde [6]. Und trotz der Korruptionsaffäre bei Siemens hielten die CDU und insbesondere Angela Merkel längerfristig an von Pierer als Leiter des Rates für Innovation und Wachstum fest.

Auch hat Angela Merkel die Megasubventionen für die Banken, die nichts anderes als Großkonzerne sind, abgenickt.

Aufschlussreich auch das Buch der US-Journalistin Melissa Rossi „What Every American Should Know about Who’s Really Running the World: The People, Corporations, and Organizations That Control Our Future“ [7].

Wer da noch daran zweifelt, dass Angela Merkel und ihre Politikerkollegen im Griff der Großkonzerne sind, der sollte unbedingt zum Augenarzt gehen, um sich neue Gläser für seine Realitätsbrille verpassen zu lassen.

Merkel kommt wie die nette Tante daher, und Medien wie der SPIEGEL fördern dieses totale Zerrbild der Kanzlerin auch noch. In Wahrheit aber betreibt Merkel genau wie ihre Vorgänger Schröder und Kohl konsequent Industriepolitik für die Großkonzerne. Ergebnis: Die Konzernlenker, von denen viele schlicht korrupt sind, sind immer reicher geworden, das Gros der Bevölkerung hingegen bekommt einen immer kleineren Anteil am Wohlstandskuchen.

Die Welt braucht keine Hofberichterstatter, sondern investigativen Journalismus
All diese Details würden ja auch nur stören in einem SPIEGEL-Artikel, den die Bild der Frau oder auch die CDU-Parteizentrale nicht schöner hätte hinbekommen können.

Alexander Osang wurde übrigens mehrfach mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis ausgezeichnet. Mit diesem Medienpreis, der hierzulande hohes Ansehen genießt, werden die Reportagen – also schön geschriebene Geschichtchen – ausgezeichnet. Doch der SPIEGEL-Artikel beweist wieder einmal, dass der Journalismus primär keine Schönschreiber braucht, sondern investigatives Gedankengut, das bestrebt ist, die korrumpierten Machtcliquen zu kontrollieren.