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SPIEGEL meldet „Turbo-Ausstieg würde 230 Milliarden Euro kosten“ – und gibt sich damit nur als Sprachrohr der Atomlobby

AKTUALISIERUNG: SPIEGEL Online hat ein Einsehen und bestätigt am 7. April diesen SPIEGELblog-Bericht. So heißt in dem SPON-Artikel „Greenpeace hält Atomausstieg bis 2015 für realistisch“ [1]: „[Die] Energieexperten [von Greenpeace] haben eine Studie vorgelegt, wonach Deutschland bereits 2015 komplett aus der Atomkraft aussteigen kann – ohne dass dadurch… höhere Energiekosten entstünden.“

In dieselbe Kerbe schlägt eine Studie der Versicherungsforen Leipzig [2]. Demnach „ist Atomstrom eigentlich unbezahlbar“, wie etwa die Frankfurter Rundschau dazu am 12. Mai schreibt. Und auch SPON selber hat darüber am 11. Mai berichtet [3].


„Atomausstieg macht Strom nicht knapp und teurer.“
Greenpeace-Experte Roland Hipp, Sept. 2009 [4]

„Schätzungen zur Höhe des geldwerten Vorteils der Atomkraftwerksbetreiber gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen durch eine fehlende ausreichende Haftpflichtversicherung reichen bis zu 11.413 Mrd. €. Damit wäre Atomstrom um bis zu 2,70 € pro kWh teurer und damit weder bezahlbar noch wettbewerbsfähig.“
Greenpeace-Studie „Subventionierung der Atomenergie“ [5]

Die Dramatik im japanischen AKW Fukushima ist kaum zu überbieten. [6]Da frisst sogar so mancher eingefleischte Atomkraft-Befürworter Kreide und gibt sich kritisch gegenüber dieser Energieform. Auch der SPIEGEL agiert hier nicht ganz sauber. Man erinnere sich nur daran, dass SPIEGEL-Redakteur Jan Fleischhauer noch vor kurzem unbedingt „einmal ein gutes Wort über Atomkraft“ [7] loswerden wollte.

Dazu passt auch der SPON-Beitrag „‚German Atom-Angst‘: Die spinnen, die Deutschen!“ [8], der bestätigt, dass das Nachrichtenmagazin immer wieder die Gelegenheit nutzt, wie ein PR-Botschafter der Atomlobby aufzutreten.

Oder nehmen wir den aktuellen Beitrag auf SPIEGEL Online „Turbo-Ausstieg [aus der Atomkraft] würde 230 Milliarden Euro kosten“ [6] (siehe auch Screenshot). Damit macht sich das Nachrichtenportal letztlich nur zum Sprachrohr der Atomlobby, weil es mit dieser knackigen Headline einem Millionenpublikum eine Botschaft hinwirft, die (1) eine haltlose(!) Angst vor einem schnellen Atomausstieg schürt und (2) dabei auch noch wesentliche Fakten verschweigt.

SPON benennt nicht die wahren Kosten der Atomkraft – und damit auch nicht das ungeheure Einsparpotenzial, das mit dem Abschalten der AKWs verbunden ist
Zunächst einmal ist festzuhalten. Die Kaufkraft der Bürger wird vor allem dadurch geschmälert, dass die Stromkonzerne – dank der konzernfreundlichen Politik der Bundesregierungen sowie Medien, die der Regierung diese Politik nicht „um die Ohren haut“ – unverschämt hohe Gewinne einfahren. Ein dicker Batzen dieser Milliardengewinne gehört also eigentlich uns Steuerzahlern. Denn die Gewinne würden ja nicht bei RWE&Co. in dem exorbitanten Ausmaß landen, wenn die von den Steuerzahlern finanzierten Politiker eine Energiepolitik betrieben hätten, die im Sinne der Steuerzahler und nicht der Großkonzerne ist.

Und was die Atomenergie betrifft, so hat Greenpeace in einer Studie [5] ausgerechnet, dass der deutsche Staat die Atomenergie zusätzlich zu den Stromkosten seit 1950 mit mindestens 203,7 Mrd. € gefördert hat. “Das entspricht einer Subventionierung des Atomstroms von 4,3 Cent pro Kilowattstunde (kWh) Strom”, so Greenpeace. “Mit 126,6 Mrd. €… haben die Steuerzahler/innen die Atomenergie in Form von Finanzhilfen und Steuervergünstigungen unterstützt. Weitere 76,9 Mrd. € Vorteile entstehen den Unternehmen durch staatlichen Regelungen bei den Rückstellungen und dem Emissionshandel… Hinzu kommen zukünftige Förderungen von 99,9 Mrd. €, die bereits absehbar sind.”

Doch damit nicht genug. Die Zuwendungen für die Atomkraft, so Greenpeace, lägen noch weitaus höher, wenn die Betreiber der AKW zudem für eine vollständige Haftpflichtversicherung im Fall eines nuklearen Unfalls aufkommen müssten. Würden bei Atomkraftwerken also die gleichen Haftungsregeln wie in anderen Wirtschaftsbereichen gelten, wäre Atomstrom um bis zu 2,70 €(!) – also 270 Cent – pro Kilowattstunde teurer und damit weder bezahlbar noch wettbewerbsfähig – und vor allem um ein zigfaches teuerer als etwa Solarstrom.

Dies alles verschweigt SPIEGEL Online in seinem Artikel.

Steuermilliarden für Asse – auch kein Thema in dem SPON-Artikel
Vergessen wir dabei nicht, dass allein die Schließung des lecken Atommüllagers Asse mehrere Milliarden Euro verschlingen wird – an Steuergeldern wohlgemerkt, weil die Bundesregierung die Atomindustrie vollständig von den Kosten der Asse-Sanierung freizustellen gedenkt.

Und wie steht es um die Folgen des Uranabbaus, der für den Betrieb von Atomkraftwerken notwendig ist? Hierfür müssen sogar Menschen mit ihrer Gesundheit  und sogar ihrem Leben bezahlen -, um einen weiteren von “100 guten Gründen gegen Atomkraft” [9] zu nennen.

Gleichzeitig ist sich der SPIEGEL wohlgemerkt nicht zu schade, mit „platter Polemik“ [10] gegen Solarstrom zu wettern, wie Greenpeace aufgezeigt hat (siehe dazu auch SPIEGELblog-Bericht „Teure Solarförderung? Wie der SPIEGEL Christoph Schmidt vom RWI und letztlich der Atomlobby eine “kuschelige” PR-Plattform bietet“ [11]).