Archiv für Dezember 2014

Blamable Berichterstattung zur CIA-Folter: „In Dunkelkammern erfolterte Aussagen werden bei Leitmedien wie dem SPIEGEL zu unumstößlichen Tatsachen“

Freitag, 12. Dezember 2014

„‚Keine unabhängige Stelle, kein unabhängiges Gericht‘ habe die zur Verfügung stehenden ‚angeblichen oder tatsächlichen Beweise überprüft und nachprüfbar in einem rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Verfahren festgestellt, wer für die Anschläge von 9/11 verantwortlich war‘, wie Bundesverwaltungsrichter Dieter Deiseroth bereits vor fünf Jahren erklärte. Das schreie geradezu nach Aufklärung, so der Richter. Demnach ist die Beweislage äußerst dünn, was die Täterschaft der inhaftierten mutmaßlichen 9/11-Drahtzieher angeht, um nicht zu sagen, sie wurde nie von der US-Regierung erbracht. Dennoch wird die offizielle 9/11-Version und deren offenkundige Manipulation seitens der US-Administration in den Leitmedien [wie dem SPIEGEL] auch nach Veröffentlichung des ‚Folterberichts‘ nicht hinterfragt.“
Sebastian Range, Was der ‚CIA-Folterbericht‘ sonst noch sagt“, hintergrund.de, 11. Dez. 2014

mmm; Foto: DPA

Anstatt den von brutalster Folter gekennzeichneten Umgang der US-Behörden mit Terrorverdächtigen als Taten eines Unrechtsstaates zu brandmarken und dies endlich auch mal zum Anlass zu nehmen, die von keinerlei Fakten gedeckte offizielle Version zu 9/11 dezidiert zu hinterfragen, verklärt Sebastian Fischer, US-Korrespondent des SPIEGEL, in einem Kommentar auf SPIEGEL Online (siehe Bild oben) lieber die Ergebnisse des CIA-Folterberichts zu einem Ausdruck der amerkanischen Demokratiefähigkeit – da lassen die PR-Manager der Republikaner regelrecht grüßen…; Foto: DPA

Wie bereits im vorigen SPIEGELblog-Beitrag über die CIA-Folter erwähnt, hat SPIEGEL Online bis dato weit ausführlicher als andere Nachrichtenportale wie bild.de, focus.de oder abendblatt.de über die CIA-Folter berichtet. Das ist durchaus löblich, geht es doch bei dieser Thematik um nicht weniger als um die Zerstörung von Grundwerten, für deren Erreichen Hunderte, wenn nicht gar Tausende Jahre gekämpft und in unglaublichem Ausmaß geblutet wurde.

Dennoch bleibt man bei genauer Betrachtung auch bei der SPON-Berichterstattung über die CIA-Greueltaten fassunglos zurück, denn die „in Dunkelkammern erfolterten Aussagen werden bei Leitmedien wie dem SPIEGEL zu unumstößlichen Tatsachen“, wie hintergrund.de in seiner Analyse „Was der ‚CIA-Folterbericht‘ sonst noch sagt“ zu Recht schlussfolgert.

In dieser Analyse heißt es:

Weil der [2004 präsentierte „9/11-Untersuchungsbericht insgesamt auf über hundert von der CIA produzierten Verhör-Protokollen beruht“ und somit letzlich keinerlei stichhaltige Fakten aufweist, seien „‚die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der 9/11-Untersuchungskommission zu hinterfragen‘, wie Bundesverwaltungsrichter Dieter Deiseroth bereits vor fünf Jahren erklärte. ‚Keine unabhängige Stelle, kein unabhängiges Gericht‘ habe die zur Verfügung stehenden ‚angeblichen oder tatsächlichen Beweise überprüft und nachprüfbar in einem rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Verfahren festgestellt, wer für die Anschläge von 9/11 verantwortlich war‘. Das schreie geradezu nach Aufklärung, so der Richter.

Demnach ist die Beweislage äußerst dünn, was die Täterschaft der inhaftierten mutmaßlichen 9/11-Drahtzieher angeht, um nicht zu sagen, sie wurde nie von der US-Regierung erbracht. Dennoch wird die offizielle 9/11-Version und deren offenkundige Manipulation seitens der US-Administration in den Leitmedien auch nach Veröffentlichung des ‚Folterberichts‘ nicht hinterfragt. So heißt es bei SPIEGEL Online lapidar, die Rolle von Abu Zubaydah und Ramzi Bin al-Shibh sei  ‚überschätzt‘ und ‚überbewertet‘ worden. Zweifel am offiziellen 9/11-Narrativ werden am Ende des Artikel beseitigt: ‚2006 wird Khalid Sheikh Mohammed nach Guantanamo Bay überführt. Erst dort gesteht er seine Beteiligung an den 9/11-Anschlägen.‘

Ein ‚Geständnis‘, das wohlgemerkt vor einem von der Öffentlichkeit abgeschirmten Militärtribunal im Mai 2007 erfolgt sein soll (‚Ich war verantwortlich für die 9/11-Operation, von A bis Z‘), und somit Jahre, nachdem seine ‚Geständnisse‘ im offiziellen Untersuchungsbericht hundertfach als Beweisgrundlage herangezogen worden waren. Zu dem Zeitpunkt hatte Sheikh Mohammed jahrelange Tortur, Isolation und Gehirnwäsche hinter sich – man drohte ihm sogar, seine minderjährigen Kinder zu foltern.

Während Generalbundesanwalt Harald Range am Donnerstag durch Folter erpresste Geständnisse für tabu erklärte, die in Strafverfahren nicht berücksichtigt werden dürften, gelten für das Hamburger Nachrichtenmagazin [DER SPIEGEL] und andere Leitmedien bezüglich des 11. September keine solchen Berührungsverbote. In Dunkelkammern erfolterte Aussagen werden bei ihnen zu unumstößlichen Tatsachen.

Wer daran zweifelt, wird schnell mal als ‚antiamerikanischer Verschwörungstheoretiker‘ gebrandmarkt. Vor einiger Zeit galten auch noch jene als solche, die den US-Diensten die nun bewiesene Folter-Praxis in diesem Ausmaß vorwarfen. Birgt der Umgang der US-Behörden mit Terrorverdächtigen auch alle Kennzeichen eines Unrechtsstaates in sich, so gilt etwa dem SPIEGEL diese nun mit dem ‚Folterbericht‘ gewonnene Erkenntnis geradezu als Ausdruck der US-amerikanischen Demokratiefähigkeit:

‚Und die Veröffentlichung enthält auch eine Botschaft für die Gegner Amerikas: Die USA machen Fehler, furchtbare bisweilen; aber sie haben die Kraft, sich dazu zu bekennen und daraus zu lernen. Transparenz hat einer Demokratie noch nie geschadet‘, schreibt Sebastian Fischer, US-Korrespondent des Blattes, der vom Herausgeber der Nachdenkseiten und ehemaligen Planungschef im Bundeskanzleramt, Albrecht Müller, bereits im Zuge der Russland-Berichterstattung des SPIEGEL als ‚typischer PR-Journalist‘ gewürdigt wurde.“

CIA-Folter: SPIEGEL Online berichtet, dass Gul Rahman nach den an ihm verübten Foltereien „der einzige Häftling ist, der ums Leben kam“ – doch in Wahrheit starben viele Menschen durch die bestialischen CIA-Torturen

Freitag, 12. Dezember 2014

„Der Bericht über die CIA-Folterpraktiken…, der mehr als 500 insgesamt stark zensierte Seiten umfasst, weist im Detail nach, was im Grundsatz bereits lange bekannt ist: dass die CIA… auch tödliche Folter gegen eine Vielzahl an Verdächtigen angewandt hat…. Auch der Deutsche Murat Kurnaz.., der bereits Ende 2001 in ein Internierungslager im afghanischen Kandahar verschleppt worden war, …hing dort fünf Tage lang an der Decke eines unbeheizten Flugzeugschuppens – und musste mit ansehen, wie ein Mitgefangener durch diese Foltermethode ums Leben kam und ein zweiter von US-Militärs zu Tode geprügelt wurde.“
german-foreign-policy.com, „Mitwisser und Profiteure“, 11. Dez. 2014

In seinem Beitrag „US-Folterbericht: So bestialisch quälte die CIA ihre Gefangenen“ schreibt SPIEGEL Online fälschlicherweise, dass Gul Rahman „der einzige Häftling ist, der ums Leben kam“; Foto: Getty Images

Eines muss man dem SPIEGEL bei seiner Berichterstattung über die CIA-Foltereien zugute halten: Im Gegensatz zu Nachrichtenportalen wie bild.de, focus.de, abendblatt.de oder mopo.de berichtet SPIEGEL Online wenigstens auf seiner Startseite ausgiebig und an prominenter Stelle über die endgültigen Belege dafür, dass sich die mächtigste Nation der Welt endgültig ins tief mittelalterliche Zeiten zurückgebeamt hat!

Bild.de z.B. hält es – peinlicherweise – etwa für wichtiger, über „die neue Super-Laserwaffe der US-Navy“ oder „Bernd Fritz, der 1988 einen TV-Skandal bei ‚Wetten, dass..?‘ auslöste“, zu berichten. Und nur wenn man auf der bild.de-Startseite ganz weit runterscrollt, findet man das Artikelchen „Folterbericht des US-Geheimdienstes: CIA-Chef gesteht Fehler ein“.

Da ist man geradezu geneigt, sich zu wünschen, dass die bild.de-Schreiberlinge selbst mal in die Fänge der CIA geraten und alles durchmachen müssen, was die Gefolterten so alles erleiden mussten. Dann sähe die Themengewichtung auf der Startseite von bild.de garantiert ganz anders aus…

Doch auch SPIEGEL Online ist nicht frei davon, Dinge herunterzuspielen bzw. falsch darzustellen. So heißt es in dem Artikel „US-Folterbericht: So bestialisch quälte die CIA ihre Gefangenen“, dass „Gul Rahman versehentlich festgenommen wurde“ und nach den an ihm verübten Foltereien „der einzige Häftling ist, der ums Leben kam“.

Doch das ist falsch. So steht z.B. bei german-foreign-policy.com in dem Beitrag „Mitwisser und Profiteure“ folgendes zu lesen:

„Weltweites Entsetzen hat die Veröffentlichung des Berichts über die CIA-Folterpraktiken im ‚Anti-Terror-Krieg‘ hervorgerufen, den der Geheimdienstausschuss des US-Senats am Dienstag offiziell vorgelegt hat.* Der Bericht, der mehr als 500 insgesamt stark zensierte Seiten umfasst, weist im Detail nach, was im Grundsatz bereits lange bekannt ist: dass die CIA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 brutale, auch tödliche Folter gegen eine Vielzahl an Verdächtigen angewandt hat.

In dem US-Senatbericht wird ebenfalls erwähnt, dass Gefangene in geheimen US-Haftzentren an die Decke gekettet wurden. Dies ist auch dem Deutschen Murat Kurnaz widerfahren, der bereits Ende 2001 in ein Internierungslager im afghanischen Kandahar verschleppt worden war. Kurnaz hing dort fünf Tage lang an der Decke eines unbeheizten Flugzeugschuppens – und musste mit ansehen, wie ein Mitgefangener durch diese Foltermethode ums Leben kam und ein zweiter von US-Militärs zu Tode geprügelt wurde.“

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* Senate Select Committee on Intelligence: Committee Study of the Central Intelligence Agency’s Detention and Interrogation Program. Declassification Revisions December 3, 2014

Der SPIEGEL liegt falsch, wenn er Pressestellen von Unis und Institutionen die Hauptschuld für haltlose sensationsheischende Medizin-Berichterstattung gibt – denn die Haupt- oder gar alleinige Schuld tragen autoritätshörige Journalisten

Donnerstag, 11. Dezember 2014

(Mit Dank an Georg)

döljasf ; Foto: DPA

In seinem Beitrag „Pressestellen übertreiben häufiger als Journalisten“ macht SPIEGEL Online erneut den Kardinalfehler, der darin besteht, einer Quelle – in diesem Fall einer Studie aus dem British Medical Journal – blindlings zu vertrauen und deren Resultate ungeprüft an die Leserschaft weiter zu reichen; Foto: DPA

„Durchbruch im Kampf gegen Demenz geschafft!“ oder auch „Bahnbrechende Krebstherapie!“ – derlei Schlagzeilen kennen wir aus den Medien zur Genüge. Und in der Tat „wird in der Medizinberichterstattung regelmäßig übertrieben“, wie Holger Dambeck, Wissenschaftsredakteur bei SPIEGEL Online, in seinem Artikel „Medizin-Berichterstattung: Pressestellen übertreiben häufiger als Journalisten“ korrekterweise schreibt (siehe auch Screenshot links). Doch bei der Ergründung der Ursachen für dieses Phänomen liegt Dambeck schlicht falsch.

So beruft sich Dambeck auf eine im British Medical Journal abgedruckte Forschungsarbeit, derzufolge „ein Teil der Verantwortung für unseriöse Medizin-Berichterstattung“ nicht bei den Journalisten selber liege. „Das Hauptproblem“ seien vielmehr „Pressemitteilungen der Universitäten und Institute, in denen übertrieben werde oder wichtige Hinweise und Einschränkungen fehlten“. Doch das ist, mit Verlaub, schlichter Humbug.

Die primäre Aufgabe von Journalisten besteht ja darin, Quellen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen – von daher KANN eine Pressemitteilung gar nicht die Hauptschuld daran tragen, dass Medizin-Berichterstattung haltlos übertrieben ist
Denn es ist ja gerade die Aufgabe von Journalisten, keiner(!) Quelle – und seien es auch Pressemitteilungen von anerkannten Universitäten oder sonstigen als seriös geltenden Institutionen – blindlings Glauben zu schenken, sondern alles und jedes auf seine Stichhaltigkeit und faktische Richtigkeit zu überprofen. Eben das kann man ganz besonders von SPIEGEL-Journalisten erwarten!

Folglich kann man gar nicht, wie es Dambeck unter Berufung auf den British-Medical-Journal-Artikel tut, einer Pressemitteilung die Hauptschuld für unseriöse Medizin-Berichterstattung anlasten, da es ja eben die primäre Aufgabe von Journalisten ist, derlei Quellen auf ihre Seriösität zu überprüfen. Wurde dies unterlassen, kann ohne Frage haltlos übertriebene Medizin-Berichterstattung dabei herauskommen – doch dann lag der Fehler ganz klar beim autoritätshörigen Journalisten, der es versäumt hat, eine kritische Überprüfung dieser Pressemitteilung vorzunehmen.

Und so hat Dambeck auch bei seinem jetzigen Artikel genau diesen Kardinalfehler gemacht: Er hat einer Quelle – in diesem Fall einer Studie aus dem British Medical Journal – blindlings geglaubt und die Resultate dieser Quelle ohne eine entsprechende kritische Überprüfung an seine Leserschaft weitergereicht.

Der SPIEGEL ist sich selbst für so abstruse Schlagzeilen wie „Erhöhtes Brustkrebsrisiko bei Linkshänderinnen“ nicht zu schade
Kurzum: Auch den SPIEGEL-Journalisten fehlt es – wie schon so oft von SPIEGELblog kritisiert und dargelegt – einfach an kritischem Geist, wenn es um sensationsheischenden Input von Medizinprofessoren und anderen ach so vertrauenswürdigen Personen und Institutionen geht.

Nehmen wir nur mal die Schlagzeile, die SPIEGEL Online im Herbst 2005 brachte: „Erhöhtes Brustkrebsrisiko bei Linkshänderinnen“. Problematisch ist diese Aussage genau deshalb, weil sie etwas als Tatsache hinstellt, was letztlich Kaffeesatzleserei ist – wie der kritische Leser auch schnell feststellt. Doch nicht allen Lesern dürfte dies aufgefallen sein, da viele – völlig zu recht – davon ausgehen, dass SPIEGEL Online seine „Wächterfunktion“ wahrgenommen und in dieser Eigenschaft seine an die Leser weitergereichten Aussagen faktisch überprüft hat. Doch leider wurde dies auch in diesem Fall versäumt – und so wird mit der klaren Aussage in der Überschrift, wonach Linkshänderinnen ein erhöhtes Brustkresrisiko tragen sollen, eine Wissenschaftlichkeit suggeriert, die gar nicht existent ist. Dadurch werden viele Leser (und v.a. Linkshänderinnen und deren Anghörige) verunsichert, obgleich die Botschaft völlig haltlos ist.

Erschwerend kommt bei diesem Artikel hinzu, dass als Grund für das angeblich erhöhte Krebsrisiko von Linkshänderinnen angeführt wird, diese würden „vor der Geburt in der Gebärmutter stärker mit dem weiblichen Geschlechtshormon Östrogen in Berührung kommen“. Doch dass dieser Umstand das Krebsrisiko erhöht, ist wissenschaftlich keinesfalls belegt, sondern reine Vermutung. Und nicht zuletzt macht der SPIEGEL in diesem Beitrag natürliche Prozesse (dass man Linkshänder/in ist) für die Krebsentstehung verantwortlich, obwohl wissenschaftlich nicht belegt werden kann, dass uns Krebs in die Wiege gelegt ist. Vielmehr diktieren Lebensstil und Lebensumstände die Krebsentstehung (siehe dazu z.B. mein Buch „Die Zukunft der Krebsmedizin“).

Artikel zum Thema:

# Torsten Engelbrecht: „Der Brustkrebs, die Hoffnung und die Gier. Spätestens seitdem sich Angelina Jolie vorbeugend ihre beiden gesunden Brüste hat amputieren lassen, fürchten viele Frauen die Macht der Gene. Doch mit der ist es tatsächlich nicht so weit her, sobald man genauer hinschaut“, Wochenzeitung, 10. Juli 2014