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SPIEGEL TV Reportage „Kämpfen für Buddha“ macht irreführende Werbung für einen falschen Shaolin-Tempel, in dem der Abt kein Abt und die Meister keine Meister sind

Freitag, 17. Februar 2012

(Mit Dank an Marcus B.)

SPIEGEL-TV-Reportag “Kämpfen für Buddha”; Bildquelle: SPIEGEL TV
SPIEGEL-TV-Reportag “Kämpfen für Buddha”; Bildquelle: SPIEGEL TV

Kürzlich sah ich auf SPIEGEL Online eine Reportage, deren Recherchen sich über mehrere Jahre erstreckten. Es geht um einen deutschen namens Julian Jacobi, der WuShu (Show Kung Fu) lernt. Die SPIEGEL-TV-Redakteure begleiteten ihn auf seiner „Entwicklung zum Shaolin“. Herr Jacobi wurde vollmundig gar als „deutscher Bruce Lee“ und als „deutscher Shaolin“ betitelt.

In der Reportage „Kämpfen für Buddha – Julians harter Weg zum Shaolin-Mönch“ (siehe auch Screenshot) heißt es:

„Acht Stunden Training täglich, kein Alkohol, keine Mädchen, eine karge Unterkunft – es herrschen strenge Regeln im Shaolin-Kloster in Kaiserlautern. Julian [Jacobi] träumt davon, Kung-Fu in Perfektion zu lernen und bewirbt sich bei Europas einziger Ausbildungsstätte für Kampfmönche.“

Klingt spannend, doch die Reportage entpuppt sich bei näherer Betrachtung als regelrechte PR-Kampagne, die fern der Fakten berichtet.

Die zentralen Kritikpunkte:

– Eine kulturelle Einrichtung eines fremden Landes wird falsch dargestellt
– Es wird Werbung gemacht für ein Plagiat (falscher Shaolin Tempel in Otterberg bei Kaiserslautern), das weder spirituell noch kampfkünstlerisch Shaolin repräsentiert
– Viele begeisterte Kampfkünstler werden so vom falschen Schein des Plagiats angezogen
– Das echte Shaolin in China wird zu Unrecht diffamiert als kommerzielle Einrichtung ohne Substanz
– Der Muttertempel und der offizielle Ableger von Shaolin in Deutschland erleiden einen finanziellen Schaden durch die Schüler, die im Irrglauben in Kaiserslautern trainieren und dafür teuer bezahlen

Selbst Wikipedia und die Süddeutsche Zeitung berichten über den „Shaolin-Schwindel“
Dass SPIEGEL TV mit seiner Reportage den Zuschauern einen Bären aufbindet, indem nicht erwähnt wird, dass es sich hier um ein falsches Kloster handelt, in dem der Abt kein Abt ist und die Meister keine Meister, geht auch aus dem Abmahnschreiben des Muttertempels in China hervor. Dieses richtet sich gegen den Leiter der der deutschen Einrichtung, der behauptet, ein Ableger des Songshan Shaolin Tempels zu sein und im Auftrag des Muttertempels zu handeln. Er behauptet sogar, im Namen des Muttertempels Novizen auszubilden.

Sogar in Wikipedia wird darüber aufgeklärt, und auch die Süddeutsche Zeitung machte einen großen Artikel darüber („Der Shaolin-Schwindel“).

Was Julian Jacobi dort in Otterberg gelernt hat, war Wushu Akrobatik, was mit Shaolin Kung Fu wenig bis gar nichts zu tun hat. Auch ist der selbsternannte Abt des Shaolin Tempels in Otterberg, Herr Monroe
Coulombe alias Shi Heng Zong, weder Kampfsportler irgendeines Systems noch Abt. Er hält Buddhistische Seminare ab und spricht selbst nach eigenen Angaben nur minimalst Chinesisch. Doch wie begreift man die Philosophie eines fremden Landes ohne der Sprache mächtig zu sein?

Was also bei der SPIEGEL-TV-Reportage herauskam, war ein Werbefilm über Kampfkünstler, die sich zu unrecht einen Namen aneignen und der wie ein Magnet auf Kunden bzw. Schüler wirkt. Man stelle sich die Situation einmal umgekehrt vor:

Die Chinesen machen einen falschen Franziskaner Orden auf, in dem nur chinesisch gesprochen und die Bierbrauerei soweit entfremdet wird, dass dabei wässrige Brühe herauskommt. Das Bier füllen sie dann ab in Flaschen und verkaufen es als Klosterbier der Franziskaner Mönche mit dem original deutschen Etikett. Darüber berichten nun chinesische Medien und stellen einen Novizen des Ordens in Dokus dar. Dieser Novize geht dann erst in China zu einem zweiten falschen Bierbrauer und danach sogar nach Deutschland. Dort geht er in die Budweiser Fabrik und beschwert sich öffentlich, dass das Bier in Deutschland nur Chemie sei und mit dem Reinheitsgebot nichts zu tun habe. Absurd? Ja – und genau das ist bei SPIEGEL TV passiert…

In der zweiten Doku von SPIEGEL TV zum Thema ging der Kung-Fu-Schüler erst nach Berlin. Knapp vorbei ist auch danaben. Ging er nämlich nicht in den offiziellen Ableger von Shaolin, sondern wieder zu einer inoffiziellen Schule. Danach verschlug es ihn nach China – aber nein, nicht in den Shaolin-Tempel, sondern in ein Wushu-Internat, das vergleichbar ist mit einem deutschen Sport-Internat. Dort suchte er die Philosophie und das geistige Wachstum offensichtlich vergebens. Mit vielen Rückblenden versehen auf den falschen Tempel in Kaiserslautern, war das eine großartige Werbe- und PR Kampagne für ein Plagiat.