Archiv für Oktober 2010

Roland Koch wird Chef von Bilfinger Berger: Der SPIEGEL in der Pose des Jubelmediums

Freitag, 29. Oktober 2010

Anm.: Nach Veröffentlichung dieses SPIEGELblog-Beitrags hat SPIEGEL Online seinen hier kritisierten Artikel entsprechend unserer Kritik ergänzt. Das heißt, es wurde nachträglich ein Absatz eingefügt, in dem darauf eingegangen wird, dass Koch mit seinem Wechsel zu Bilfinger Berger pratkisch korrumpierend agiert hat.
(Mit Dank an den Kommentarschreiber „egal“)

Was ist es, was unsere Demokratie vor allem kaputt macht? Es sind die überall grassierenden Interessenkonflikte, insbesondere auch bei Politikern. Doch anstatt dieses schonungslos offenzulegen und anzuprangern, präsentiert uns der SPIEGEL die Politgrößen immer wieder gerne als Menschen, die sich allen Ernstes um des Volkes Wohl kümmern würden. (Kritischer) Journalismus sieht anders aus.

SPON blendet den massiven Interessenkonflikt von Koch in seinem aktuellen Hauptaufmacher völlig aus
Gut zu sehen ist diese Art von Jubeljournalismus auch beim aktuell Hauptaufmacher von SPIEGEL Online, der die Schlagzeile „Bilfiger Berger: Koch ist endlich König“ trägt (siehe auch Screenshot). Allein die Überschrift ist CDU-Parteizeitschriften-verdächtig. Davon abgesehen dreht sich der Artikel um die Frage: „Kann Koch Konzernchef?“ Eine Frage, die v.a. für den Konzern selber interessant ist, nicht aber wirklich für die Allgemeinheit, dessen „Anwalt“ ein Medium wie der SPIEGEL eigtl. sein sollte.

Um so blamabler ist es, dass dieser SPON-Beitrag den eigentlich brisanten Aspekt völlig ausblendet: nämlich dass Koch mit seinem Wechsel zu Bilfinger Berger pratkisch korrumpierend agiert. So „kämpfte er als Politiker für die dritte Landebahn des Frankfurter Flughafens – ein Projekt, von dem sein neuer Arbeitgeber profitierte. Sein Gehalt soll Schätzungen zufolge 1,5 Mio. € betragen“, schreibt im Gegensatz dazu etwa die Süddeutsche zum Thema. Überschrift dort: „Politiker in der Wirtschaft – das große Abkassieren“ – was für ein Kontrast zu der Jubel-Headline bei SPON

In einem zuvor erschienen Artikel geht SPON zwar kurz auf diesen Skandal ein. Doch weder in der Headline noch im Vorspann wird er beim Namen genannt. Man muss sich erst duch den langen Lauftext wühlen, um zu erfahren, was Koch hier eigentlich verzapft. Dies zeigt, wo beim SPIEGEL die Prioritäten sitzen: Man will offenbar die Spitzenpolitiker wie Merkel, Koch & Co. so weit es geht schonen…

„Die fabelhaften Guttenbergs“? Wie der SPIEGEL sich endgültig zum Yellow-Press-Magazin macht

Montag, 18. Oktober 2010

„Guttenberg als möglicher Nachfolger von Kanzlerin Merkel? U-u-uäähhhh, bitte nicht!“
NDR-Sendung EXTRA 3, „abgehakt“

Der SPIEGEL agiert wie ein „unterwürfiges Sturmgeschütz“
Die FAZ über die Guttenberg-Berichterstattung des SPIEGEL

Wer noch mindestens einen Funken kritischen Geist in sich trägt, musste sich beim Anblick des aktuellen SPIEGEL-Titels „Die fabelhaften Guttenbergs – Paarlauf ins Kanzleramt“ die Augen reiben (siehe Screenshot). Wer als Printmedium so sehr die Distanz zu einem Politiker aufgibt wie der SPIEGEL mit dieser Cover-Story, kann dazu nur noch sagen: Yellow-Press-Niveau – und für ein Nachrichtenmagazin, das sich selbst immer noch gerne „Sturmgeschütz der Demokratie“ nennt, doch ein ziemlich tiefer Fall.

Dabei könnte man zunächst denken, die Zeilen auf dem Cover seien irgendwie ironisch oder doppeldeutig gemeint. Doch wenn man sich den Artikel dazu im Heft selber anschaut, so erweist sich dieser Gedanke als falsch. Gleich zu Beginn heißt es da, „Der Bürgerkönig“ werde als „Adliger zur großen Hoffnung der Deutschen“. Doch dies ist Humbug. Es gibt sie nämlich noch, die Menschen in diesem Lande, die immer noch wissen, dass nur die eigene Parteizentrale einen Politiker derart hochjubeln darf – nicht aber ein journalistisches Medium. Und für die ist Guttenberg nicht „die große Hoffnung“ – im Gegenteil.

Zumal Guttenberg nicht weniger ist als Verteidigungsminister. Und man muss nicht einmal zu denjenigen gehören, die den Afghanistan-Krieg als üblen Angriffskrieg verurteilen, um Guttenberg kritisch zu begegnen. Erinnern wir uns nur: „Guttenberg konnte immer noch nicht überzeugend erklären, warum er das Bombardement von Kunduz neu bewertet und den Generalinspekteur entlassen hat. Nun steht er im Verdacht, nicht aufrichtig zu sein.“ Genau so schrieb es der SPIEGEL Ende 2009. Doch dies scheint längst vergessen in den Köpfen der Yellow-Press-Journalisten des SPIEGEL.

Absurd auch der Satz, der ebenfalls den Vorspann des SPIEGEL-Artikels schmückt: „Nun bewegt auch noch Guttenbergs Gattin die Herzen.“ Auweia. Klingt ebenfalls wie aus der BUNTEN abgeschrieben.

Die aktuelle SPIEGEL-Titelgeschichte ist übrigens bei weitem nicht die erste, in der das Magazin in einer Weise über Guttenberg berichtet, dass man denken könnte, hier seien CSU-Parteimitglieder als Schreiber am Werk gewesen. Als was hat der SPIEGEL Guttenberg nicht alles schon allen Ernstes bezeichnet: als „Lichtgestalt“, als „Shootingstar“ und „Darling des Volkes“ oder gar als „Superhelden à la Batman“. SPIEGELblog hat bereits mehrfach darüber berichtet – und wahrscheinlich müssen wir noch öfter darüber berichten…

Krieg in Afghanistan: Wie der SPIEGEL die Propaganda der US-Streitkräfte kritiklos an sein Millionenpublikum weiterträgt

Mittwoch, 13. Oktober 2010

Investigativer Journalismus scheint für den SPIEGEL an vielen Stellen ein Fremdwort zu sein. So etwa auch beim Thema Afghanistan-Krieg. Trägt das Nachrichtenmagazin doch letztlich einfach die Propaganda der US-Streitkräfte an seine Millionen Leser weiter, wonach in Afghanistan ein Krieg geführt wird mit dem Ziel, die bösen Taliban auszumerzen und so letztlich den Weltfrieden zu sichern.

Doch diese Propaganda ist offenbar irreführend – oder ist zumindest hinterfragenswert. Doch nicht einmal hinterfragt man beim SPIEGEL substanziell irgendetwas.

Im Gegensatz zum SPIEGEL sagt etwa Michel Chossudovsky: Die USA steuern den „globalen Terror“
Gut zu sehen ist dies z.B. an dem aktuellen Aufmacher-Artikel auf SPIEGEL Online „Krieg in Nordafghanistan: US-Spezialeinheiten töten Taliban-Anführer in Kunduz“. Demnach haben „US-Einheiten bei Kunduz gezielt einen Kommandeur der Taliban getötet. Insgesamt schalteten die USA in Nordafghanistan schon 18 Anführer der Radikalen aus.“

Auch zitiert SPIEGEL Online einen Sprecher der US-Streitkräfte mit den knackigen Worten: „Jeder Anführer, den wir vom Kampffeld entfernen, erhöht die Sicherheit für die Einwohner.“ Zugleich kündigte er an, so SPON, dass die Koalitionskräfte ihre Jagd auf die Taliban-Spitze weiterführen werden.

Die Botschaft des SPIEGEL wird auch hier klar: Die US-Kräfte sind die Guten, die Taliban die Bösen – und je mehr Taliban ausgemerzt werden, desto besser ist es für die Sicherheit in dem Land und letztlich auch auf der ganzen Welt.

Doch das ist – salopp formuliert – Kokolores. So jedenfalls sieht es (nicht nur) der kanadische Wirtschaftswissenschaftler Michel Chossudovsky. In seinem Beitrag „9/11 ANALYSIS: From Ronald Reagan and the Soviet-Afghan War to George W Bush and September 11, 2001“ zeigt er auf, wie die USA den „globalen Terror“ von Pakistan und vom Mittleren Osten aus steuern. Die zentralen Aussagen seiner Analyse, die auf Englisch auf Global Research erschienen ist (siehe auch Screenshot) und in übersetzter Form auf Hintergrund.de, lauten:

# Osama bin Laden, das von den USA aufgebaute Schreckgespenst, wurde zu Beginn des US-gesponserten Dschihad von der CIA rekrutiert. Er war damals 22 Jahre alt und wurde in einem von der CIA finanzierten Trainingscamp zum Guerillakämpfer ausgebildet.

# Die Architekten der während der Reagan-Administration gestarteten verdeckten Operation zur Unterstützung des „islamistischen Fundamentalismus“ spielten nach den Anschlägen am 11. September 2001 auch eine Schlüsselrolle beim Anzetteln des „Globalen Krieges gegen den Terrorismus“.

# Präsident Ronald Reagan traf 1985 im Weißen Haus mit den Anführern des islamischen Dschihad zusammen.

# Unter der Reagan-Adminstration begann die US-Außenpolitik die „islamistischen Freiheitskämpfer“ vorbehaltlos und uneingeschränkt zu unterstützen. Heute werden die „Freiheitskämpfer“ als „islamistische Terroristen“ etikettiert.

# In der Sprache der Paschtunen wird das Wort „Taliban“ als Bezeichnung für Studenten oder Absolventen der Madrasas – der Koranschulen – verwendet, die mit Unterstützung der CIA von wahhabitischen Missionaren aus Saudi-Arabien errichtet wurden.

# In den Jahren vor dem Sowjetisch-Afghanischen Krieg war die schulische Erziehung größtenteils weltlich geprägt. Die verdeckte US-Operation zerstörte diese weltlich ausgerichtete Ausbildung. Die Anzahl der von der CIA finanzierten Koranschulen oder Madrasas wuchs von 2.500 im Jahr 1980 auf mehr als 39.000.

Die Vermutung liegt nahe, dass die USA v.a. auch wg. der Rohstoffe in Afghanistan sind
PS: Dass der SPIEGEL immer noch blind die Propaganda der US-Streitkräfte an sein Millionenpublikum weiterträgt, verwundert um so mehr, wenn man bedenkt, dass das Nachrichtenmagazin selber erst vor kurzem darüber berichtet hat, dass „in Afghanistan riesige Rohstoffvorkommen liegen“. Demnach meldeten die USA im Junii „den Fund neuer Vorräte, die angeblich eine Billion Dollar wert sind. Doch das Land tut sich schwer, seine Schätze zu heben – ein Poker mit korrupten Politikern, Kriegsfürsten und ausländischen Konzernen hat begonnen.“

Man muss also kein Superjournalist sein, um zumindest dem Gedanken nachzugehen, ob die USA tatsächlich wg. der Rohstoffvorkommen in Afghanistan sind, und nicht, um den Weltfrieden zu sichern.

Interessant in diesem Zsh. auch der Bericht „Afghanistan, Inc.: A CorpWatch Investigative Report – Contractors in Afghanistan are making big money for bad work“.

Stuttgart 21: Die Position der Polizeispitze ist dem SPIEGEL sofort eine Schlagzeile wert – über die von kritischen Polizisten, Eltern und Demonstranten geht man dagegen hinweg

Freitag, 08. Oktober 2010

Am 5. Oktober kam SPIEGEL Online mit der knackigen Schlagzeile „Stuttgart-21-Protest: Polizei gibt Demonstranten Schuld an Eskalation“ (siehe auch Screenshot). Doch diese Headline ist gleich aus mehreren Gründen journalistisch unsauber. So gibt das Nachrichtenportal lang und breit die Position der Polizei, kundgetan auf einer Pressekonferenz, in Bezug auf die Schuld für die Eskalation wider, ohne dass man auch nur eine einzige Gegenstimme zu Wort kommen lässt.

Kritische Polizisten verurteilen Polizeigewalt als „vollkommen unterirdisch“ – doch SPON berichtet nicht darüber
SPIEGEL Online hielt es in diesem Zsh. nicht einmal für nötig, Stimmen aus den Reihen der Polizei selber zu zitieren. Dabei hatte etwa die Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten in einer Presseerklärung vom 2. Oktober von einer „Eskalation durch die Polizei“ gesprochen. Das Vorgehen ihrer Kollegen kritisierten sie letrztlich als – so wörtlich – „vollkommen unterirdisch“.

Auch Stuttgarter Eltern sprechen von „Polizei-Provokateuren“ und forderten gestern einen unabhängigen Untersuchungsausschuss zur Eskalation beim Aufeinandertreffen von Demonstranten und Staatsgewalt. Eine verständliche bzw. legitime Forderung. Doch auch darüber findet sich kein Sterbenswörtchen auf SPIEGEL Online.

Und wenn die Demonstranten selber eine Pressekonferenz einberufen, so hält es der SPIEGEL offenbar auch nicht für nötig, dort aufzutauchen, geschweige denn darüber zu berichten.

So hatten die Stuttgarter Schülerinnen und Schüler der “Jugendoffensive gegen Stuttgart 21″, Stuttgarter Eltern sowie die Parkschützer für heute 14 Uhr “aus aktuellem Anlass und aufgrund anhaltender Lügen über die Ereignisse vom 30.9.2010 duch Ministerpräsident Mappus, Innenminister Rech und Polizeipräsident Stumpf” zu einer Pressekonferenz ins Stuttgarter DGB-Haus geladen. Doch einen Bericht über diese PK sucht man auf SPIEGEL Online vergebens. Und nicht nur das: Selbst der Begriff „Jugendoffensive gegen Stuttgart 21“ wurde von dem Nachrichtenportal bis dato noch nie verwendet (jedenfalls ergibt die Suche auf SPON dazu keinen Treffer).

PS: Nachdem dieser SPIEGELblog-Beitrag erschienen ist, brachte SPIEGEL Online den recht kurzen(!) Artikel „Einsatz gegen Stuttgart-21-Demonstranten Polizist der Körperverletzung verdächtigt“.  Darin wird dann auch – zum ersten Mal überhaupt auf SPON – die „Jugendoffensive gegen Stuttgart 21“ erwähnt. Der SPIEGELblog-Beitrag scheint also eine Wirkung gehabt zu haben, allerdings wohl auch nur eine kleine Wirkung.

Denn: Dass es eine PK der Jugendoffensive gegeben hat, erfährt man von SPON gar nicht. Auch hat SPON aus den Infos dieser PK keinen eigenen Beitrag gemacht – aus der PK der Polzei hingegen, wie erwähnt, schon (siehe oben).

Zudem werden die Argumente der Jugendoffensive nur kurz und knapp „abgefrühstückt“, also ohne dass sie im Detail weiter analysiert werden. Dabei ist es höchst brisant, was die Jugendoffensive da von sich gibt. SPON scheint aber kein wirkliches Interesse daran zu haben, die Anwürfe der Jugendoffensive auch nur im Geringsten zu verifizieren oder zu falsifizieren.

Erschwerend kommt hinzu, dass der letzte Absatz in dem SPON-Kurzartikel völlig deplaziert wirkt – es sei denn, man geht davon aus, dass SPON als Sprachrohr der Stuttgart-21-Befürworter fungieren will.

So heißt es in diesem letzten Absatz, „Innenminister Heribert Rech (CDU) sagte seinerseits, er habe nach der Polizeiaktion vom 30. September Morddrohungen erhalten… Auch Bahnchef Rüdiger Grube hatte Berichten zufolge in den vergangenen Tagen ähnliche Drohungen erhalten.“ Doch was hat dies mit den Anwürfen der Jugendoffensive zu tun, die ja im Absatz direkt davor stehen? Und überhaupt: Was hat dies mit dem eigentlichen Thema des Beitrags zu tun, dessen Überschrift, wie erwähnt, lautet: „Einsatz gegen Stuttgart-21-Demonstranten Polizist der Körperverletzung verdächtigt“?

Stuttgart 21: SPIEGEL macht sich einseitig zum Sprachrohr der Befürworter des Milliardenprojekts

Montag, 04. Oktober 2010

Die Protagonisten des milliardenteuren Bahnhofsprojekts Stuttgart 21 geraten immer mehr in Bedrängnis und Erklärungsnot. Und der SPIEGEL hat nichts besseres zu tun, als den Befürwortern in ihrer prekären Lage beizuspringen und auf seinem Onlineportal den völlig einseitigen Hauptaufmacher „Proteste gegen Milliardenprojekt: Stuttgarts OB Schuster wirft Bahnhofskritikern Panikmache vor“ zu bringen (siehe auch Screenshot). Da haben wir es wieder, was Oliver Gehrs in seinem Buch “Der SPIEGEL-Komplex” auf S. 12 so treffend beschreibt: dass sich der SPIEGEL v.a. seit der Beginn der Ära Aust besonders gerne auf die Seite der „Topmanager aus Wirtschaft und Politik“ schlägt.

SPON listet ellenlang schwere Anwürfe gegen die Kritiker sowie die Pro-Argumente der Befürworter auf, ohne dies auch nur im Geringsten kritisch einzusortieren
Mit kritischem Journalismus hat dies nichts zu tun. Dabei liest sich das erste Zweidrittel des SPON-Artikel wie eine Pressemitteilung aus der CDU-Partizentrale. Da wird nicht nur ein Anwurf gegen die Kritiker von Stuttgart 21 nach dem anderen aufgezählt („Die Gegner schüren Ängste“, „Die Demonstranten sind ‚wohlstandsverwöhnt'“ etc.); auch dürfen Befürworter wie Oberbürgermeister Wolfgang Schuster und Bundesverkehrsminister Ramsauer lang und breit ihre Argumente ins Feld führen. Und dies alles, ohne dass SPON dies auch nur im Geringsten wirksam kritisch einsortiert.

Zwar werden am Ende des Beitrags auch noch mal die Befürworter ins Spiel gebracht. Doch hat dies nicht wirklich eine Wirkung. Alleine die Zwischenüberschrift – „Neue Massenproteste sind geplant“ -, mit der der Abschnitt über die Gegner eingeleitet wird, ist absolut neutral gehalten und steht damit im krassen Widerspruch zu Überschrift, Vorspann und den ersten Absätzen des Artikels, die allesamt deftig daherkommen und klar zugunsten der Befürworter ausfallen.

Und wer liest gerade Online-Artikel schon wirklich zu Ende? Oft genug werden nur Überschrift, Vorspann und Beginn des Artikels gescannt…

Bravo SPIEGEL Online! Gut, dass es dich gibt. So brauchen wir uns vor Machtmissbrauch in diesem Lande nicht zu fürchten…

Wie kritischer Journalimus aussehen kann, zeigen andere Medien:

# Frontal21-Bericht „Milliardengrab Stuttgart 21“

# Artikel auf taz.de „Gutachten zu Stuttgart 21: Das Milliardengrab der Bahn“

Dass auch aus Stuttgart 21 sehr wohl ein richtiges Milliardengrab werden könnte, sofern es denn komplett durchgezogen wird, kann man sich übrigens leicht ausmalen. Dafür braucht man sich nur andere Großprojekte wie z.B. die Elbphilharmonie in Hamburg anzuschauen. Auch bei diesen ist am Ende alles viel, viel teurer geworden als ursprünglich vorausgesagt. Und wer muss am Ende alleine dafür „bluten“? Der Steuerzahler! Und wer profitiert? Nicht etwa der Steuerzahler oder die Gesellschaft im Ganzen, indem Arm und Reich dadurch wieder ein Stück zusammenrücken, sondern die beauftragten Großkonzerne…

Wulff-Rede zum Tag der Einheit: SPIEGEL legt dem Präsidenten falsche Worte in den Mund

Sonntag, 03. Oktober 2010

(Mit Dank an Till B.)

Heute konnte man auf SPIEGEL Online im Hauptaufmacher zur Rede des Präsidenten Christian Wulff die Headline lesen: „Ich bin auch der Präsident der Muslime“ (siehe auch Screenshot). Es wird also direkter Bezug auf die Rede genommen und mit Anführungsstrichen der Bundespräsident zitiert. Allerdings sagt der Bundespräsident in dieser Rede gar nicht diesen Satz in dieser Weise: Sowohl in der Abschrift als auch in Sendungen wie der ZDF Mediathek sagt er bezugehmend auf Briefe, die ihm von in Deutschland lebenden Muslimen geschickt wurden:

„Wenn mir deutsche Musliminnen und Muslime schreiben: ‚Sie sind unser Präsident‘ – dann antworte ich aus vollem Herzen: Ja, natürlich bin ich Ihr Präsident! Und zwar mit der Leidenschaft und Überzeugung, mit der ich der Präsident aller Menschen bin, die hier in Deutschland leben.“

Damit sagt er aber nicht (und schon gar nicht explizit), dass er der Präsident ALLER hier lebenden Muslime ist. Diese Interpretation konnte man im SPON-Forum auch schon mehrfach lesen.

Wäre es nur eine „normale“ Überschrift, so wäre sie vielleicht reißerisch. Da die Headline aber in Anführungsstriche gesetzt ist, suggeriert SPON, dass es sich hier um ein Zitat aus der Rede des Bundespräsidenten Wulff handelt. Mit anderen Worten: das Nachrichtenportal legt dem obersten deutschen Staatsmann einfach Worte in den Mund, was weder Respekt vor dem Amt vermuten lässt, noch mit der journalistischen Wahrheitpflicht und dem Aufklärunggedankens der Bürger in Einklang zu bringen ist.

Ikea macht 2,5 Milliarden Euro Gewinn – und der SPIEGEL jubelt nur mit

Freitag, 01. Oktober 2010

Dass die große Mehrheit finanziell auf der Stelle tritt, während Konzerne Milliardengewinne scheffeln, ist bedauerlicherweise mittlerweile der Normalfall. Ist die Politik doch letztlich nur noch der verlängerte Arm dieser Großunternehmen, wie auch Ex-Greenpeace-Chef Thilo Bode gestern Abend in der BR-Sendung Capriccio sagte. Um so tragischer, dass selbst Medien wie der SPIEGEL, die sich allen Ernstes selber als „Sturmgeschütz der Demokratie“ betiteln, oft genug nichts anderes tun als als Sprachrohr dieser Großkonzerne zu agieren.

SPIEGEL Online vergisst aufzuzeigen, auf wie üble Weise der Billigheimer offenbar zu seinem  Milliardengewinn kommt
So geschehen auch heute auf SPIEGEL Online, das mit seinem Kurzartikel „2,5 Milliarden Euro Gewinn: Billy, Pax und Köttbullar machen Ikea froh“ eine reine Jubelmeldung an sein Millionenpublikum weiterreichte (siehe auch Screenshot). Dies Meldung wurde wohlgemerkt von dem SPON-Redakteur Sven Böll auf Basis von zwei Agenturmeldungen verfasst. Da fragt man sich: Was hat dieser Redakteur eigentlich an journalistischer Arbeit – die primär darin bestehen sollte, Informationen kritisch einzusortieren – geleistet?

Zunächst hätte sich Böll schlicht fragen müssen: Ist das alles, was mir Ikea da auftischt? Und die Antwort hätte lauten müssen: nein! So hat Ikea seine ganze Konzernstruktur bewusst extrem verschachtelt – mit dem Ergebnis, dass der Billigheimer am Ende nur noch wenig Steuern zahlen muss.

Auf diese Weise ist es natürlich besonders leicht, Megaprofite einzufahren. Dies ist ein Skandal sondergleichen, denn während die Politik bei den „Normalsterblichen“ alles rausholt, um die Löcher im Haushaltssäckel zu stopfen, lässt man Großkonzerne wie Ikea einfach gewähren.

ver.di-Experte Dierk Hirschel: Ikea betreibt „organisierte Steuerflucht“
Wie übel Ikea vorgeht, hat z.B. die ZDF-Sendung Frontal21 kürzlich berichtet. Demnach machte die nicht etwa im Mutterland Schweden, sondern in den Niederlanden ansässige IKEA-Muttergesellschaft, die Ingka Holding, allein im Jahr 2008 einen Gewinn von 2,28 Mrd. €. Der von Firmengründer Ingvar Kamprad kontrollierte Möbelkonzern hat auf diesen Milliarden-Gewinn aber lediglich 19,3 Prozent Steuern bezahlt. Hier würden massiv Steuerschlupflöcher genutzt, so der ver.di-Experte Dierk Hirschel. „Wenn ordnungsgemäß versteuert würde, müssten zwischen 30 und 35 Prozent gezahlt werden. so der Wirtschaftexperte, der Ikea vorwirft, „organisierte Steuerflucht“ zu betreiben.

Ex-Ikea-Manager Johan Stenbo: Ikea hält seinen Betrieb auch mit Kinderarbeit, Steuerflucht, Tierquälerei und Umweltschweinereien am Laufen
Interessant auch, was etwa die Sendung BR-alpha unter Berufung auf Aussagen des ehemaligen Ikea-Managers Johan Stenbo vor kurzem zu berichten hatte. Demnach wird „die gut geölte Ikea-Maschine auch mit Kinderarbeit, Steuerflucht, Tierquälerei und Umweltschweinereien am Laufen gehalten“.

Zu den Umweltschweinereien zählt etwa, wie sich der Konzern sein Billigholz für seine Möbel beschafft. Laut Stenbo greift Ikea zum erheblichen Teil auf Holz zurück, das illegal geschlagen ist und dabei auch aus Urwäldern (v.a. Asiens) stammt. Vieles spricht dafür, dass dies stimmt. Denn selbst der Hinweis von Ikea, sein Holz sei ja zertifiziert, führt ins Leere.

Denn selbst wenn das stimmen würde, so würde dies praktisch nichts bedeuten. Denn Studien haben nachgewiesen, dass diese Zertifikate oft genug das Papier nicht wert sind, auf dem sie abgedruckt sind. Dies gilt v.a. für Holz aus Entwicklungsländern, wo die grassierende Korruption alles möglich macht.

Wohlemerkt ist selbst so ein angesehenes Zertifikat wie das FSC-Siegel mit größter Vorsicht zu genießen, wie nicht nur die Organisation Retten den Regenwald mehrfach aufgezeigt hat.