Archiv für März 2011

Warum der SPIEGEL zu Unrecht behauptet, dass „Deutschland vom Euro profitiert“

Freitag, 25. März 2011

In einer mehrteiligen Serie hat SPIEGEL Online aktuell regelrechte Propaganda für die europäische Einheitswährung, den Euro, betrieben. Einer der Beiträge trägt die wohlklingende Überschrift „Wie Deutschland vom Euro profitiert“ (siehe auch Screenshot). Doch so wunderschön diese Botschaft auf den ersten Blick auch klingen mag, sie ist schlichtweg nicht nachvollziehbar.

SPON setzt „Deutschland“ mit „Firmenchefs“ gleich – und übersieht, dass die Beschäftigten selbst im Boomjahr 2007 keine Reallohnzuwächse für sich verbuchen konnten
So schreibt SPIEGEL Online: „Natürlich wird auch in der EU Geld verschwendet. Aber ein beträchtlicher Teil der Gemeinschaftsausgaben hat geholfen, aus unterentwickelten Volkswirtschaften wohlhabendere zu machen. Von diesem Aufholprozess profitiert Deutschland gleich doppelt: Hiesige Firmen verkaufen mehr Waren dorthin… Die gemeinsame Währung hat zu einem regelrechten deutschen Exportboom geführt. Mini-Wachstum, sattes Exportplus – unser Wohlstand hängt immer stärker vom Handel ab.“

Quelle: nachdenkseiten.de

Doch verschweigt SPIEGEL Online dabei, dass der Aufschwung bei der Masse der deutschen Bevölkerung gar nicht ankommt, sondern bei den Superreichen hängenbleibt. So konnten die Beschäftigen selbst im Boomjahr 2007 keine Reallohnzuwächse für sich verbuchen. Schlimmer noch: Die Realllöhne sind in den vergangenen zehn Jahren gesunken (siehe Grafik).

Was also nützt in diesem Zsh. der Masse der Deutschen der Euro? Der SPIEGEL setzt offenbar „Deutschland“ mit „Firmenchefs von größern bis ganz großen Unternehmen“ gleich – doch Deutschland hat 80 Millionen Einwohner, von denen nur die allerwenigsten Firmenchefs sind…

Joachim Jahnke schreibt dazu auf seinem Infoportal Deutschland & Globalisierung:

„Der Exportboom ist auf dem Rücken einer real negativen Entwicklung der Arbeitseinkommen und einer miserablen Binnenkonjunktur entstanden. Doch die ist als Teil der Gesamtwirtschaftsleistung viel wichtiger als der Export. SPIEGEL Online erwähnt zwar das Mini-Wachstum, nicht aber den Zusammenhang mit der Lohnbremse und der Binnenkonjunktur.

Lesen Sie hier den vollständigen Kommentar von Joachim Jahnke.

SPIEGEL meldet „Turbo-Ausstieg würde 230 Milliarden Euro kosten“ – und gibt sich damit nur als Sprachrohr der Atomlobby

Freitag, 18. März 2011

AKTUALISIERUNG: SPIEGEL Online hat ein Einsehen und bestätigt am 7. April diesen SPIEGELblog-Bericht. So heißt in dem SPON-Artikel „Greenpeace hält Atomausstieg bis 2015 für realistisch“: „[Die] Energieexperten [von Greenpeace] haben eine Studie vorgelegt, wonach Deutschland bereits 2015 komplett aus der Atomkraft aussteigen kann – ohne dass dadurch… höhere Energiekosten entstünden.“

In dieselbe Kerbe schlägt eine Studie der Versicherungsforen Leipzig. Demnach „ist Atomstrom eigentlich unbezahlbar“, wie etwa die Frankfurter Rundschau dazu am 12. Mai schreibt. Und auch SPON selber hat darüber am 11. Mai berichtet.


„Atomausstieg macht Strom nicht knapp und teurer.“
Greenpeace-Experte Roland Hipp, Sept. 2009

„Schätzungen zur Höhe des geldwerten Vorteils der Atomkraftwerksbetreiber gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen durch eine fehlende ausreichende Haftpflichtversicherung reichen bis zu 11.413 Mrd. €. Damit wäre Atomstrom um bis zu 2,70 € pro kWh teurer und damit weder bezahlbar noch wettbewerbsfähig.“
Greenpeace-Studie „Subventionierung der Atomenergie“

Die Dramatik im japanischen AKW Fukushima ist kaum zu überbieten. Da frisst sogar so mancher eingefleischte Atomkraft-Befürworter Kreide und gibt sich kritisch gegenüber dieser Energieform. Auch der SPIEGEL agiert hier nicht ganz sauber. Man erinnere sich nur daran, dass SPIEGEL-Redakteur Jan Fleischhauer noch vor kurzem unbedingt „einmal ein gutes Wort über Atomkraft“ loswerden wollte.

Dazu passt auch der SPON-Beitrag „‚German Atom-Angst‘: Die spinnen, die Deutschen!“, der bestätigt, dass das Nachrichtenmagazin immer wieder die Gelegenheit nutzt, wie ein PR-Botschafter der Atomlobby aufzutreten.

Oder nehmen wir den aktuellen Beitrag auf SPIEGEL Online „Turbo-Ausstieg [aus der Atomkraft] würde 230 Milliarden Euro kosten“ (siehe auch Screenshot). Damit macht sich das Nachrichtenportal letztlich nur zum Sprachrohr der Atomlobby, weil es mit dieser knackigen Headline einem Millionenpublikum eine Botschaft hinwirft, die (1) eine haltlose(!) Angst vor einem schnellen Atomausstieg schürt und (2) dabei auch noch wesentliche Fakten verschweigt.

SPON benennt nicht die wahren Kosten der Atomkraft – und damit auch nicht das ungeheure Einsparpotenzial, das mit dem Abschalten der AKWs verbunden ist
Zunächst einmal ist festzuhalten. Die Kaufkraft der Bürger wird vor allem dadurch geschmälert, dass die Stromkonzerne – dank der konzernfreundlichen Politik der Bundesregierungen sowie Medien, die der Regierung diese Politik nicht „um die Ohren haut“ – unverschämt hohe Gewinne einfahren. Ein dicker Batzen dieser Milliardengewinne gehört also eigentlich uns Steuerzahlern. Denn die Gewinne würden ja nicht bei RWE&Co. in dem exorbitanten Ausmaß landen, wenn die von den Steuerzahlern finanzierten Politiker eine Energiepolitik betrieben hätten, die im Sinne der Steuerzahler und nicht der Großkonzerne ist.

Und was die Atomenergie betrifft, so hat Greenpeace in einer Studie ausgerechnet, dass der deutsche Staat die Atomenergie zusätzlich zu den Stromkosten seit 1950 mit mindestens 203,7 Mrd. € gefördert hat. “Das entspricht einer Subventionierung des Atomstroms von 4,3 Cent pro Kilowattstunde (kWh) Strom”, so Greenpeace. “Mit 126,6 Mrd. €… haben die Steuerzahler/innen die Atomenergie in Form von Finanzhilfen und Steuervergünstigungen unterstützt. Weitere 76,9 Mrd. € Vorteile entstehen den Unternehmen durch staatlichen Regelungen bei den Rückstellungen und dem Emissionshandel… Hinzu kommen zukünftige Förderungen von 99,9 Mrd. €, die bereits absehbar sind.”

Doch damit nicht genug. Die Zuwendungen für die Atomkraft, so Greenpeace, lägen noch weitaus höher, wenn die Betreiber der AKW zudem für eine vollständige Haftpflichtversicherung im Fall eines nuklearen Unfalls aufkommen müssten. Würden bei Atomkraftwerken also die gleichen Haftungsregeln wie in anderen Wirtschaftsbereichen gelten, wäre Atomstrom um bis zu 2,70 €(!) – also 270 Cent – pro Kilowattstunde teurer und damit weder bezahlbar noch wettbewerbsfähig – und vor allem um ein zigfaches teuerer als etwa Solarstrom.

Dies alles verschweigt SPIEGEL Online in seinem Artikel.

Steuermilliarden für Asse – auch kein Thema in dem SPON-Artikel
Vergessen wir dabei nicht, dass allein die Schließung des lecken Atommüllagers Asse mehrere Milliarden Euro verschlingen wird – an Steuergeldern wohlgemerkt, weil die Bundesregierung die Atomindustrie vollständig von den Kosten der Asse-Sanierung freizustellen gedenkt.

Und wie steht es um die Folgen des Uranabbaus, der für den Betrieb von Atomkraftwerken notwendig ist? Hierfür müssen sogar Menschen mit ihrer Gesundheit  und sogar ihrem Leben bezahlen -, um einen weiteren von “100 guten Gründen gegen Atomkraft” zu nennen.

Gleichzeitig ist sich der SPIEGEL wohlgemerkt nicht zu schade, mit „platter Polemik“ gegen Solarstrom zu wettern, wie Greenpeace aufgezeigt hat (siehe dazu auch SPIEGELblog-Bericht „Teure Solarförderung? Wie der SPIEGEL Christoph Schmidt vom RWI und letztlich der Atomlobby eine “kuschelige” PR-Plattform bietet“).

Titelstory „Bild – Die Brandstifter“: SPIEGEL zitiert nur das Lob der taz in seinem „Rückspiegel“ – die Kritik hingegen spart man komplett aus

Montag, 07. März 2011

(Mit Dank an Dominik J.)

Der SPIEGEL-Titel „BILD – Die Brandstifter“ wurde zum Teil scharf kritisiert (siehe SPIEGELblog-Beitrag SPIEGEL-Cover “BILD – Die Brandstifter” erntet harsche Kritik – und einen Plagiatsvorwurf“). Wie wohltuend würde es da wirken, wenn ausgerechnet die taz lobende Worte über die Titel-Story verlieren würde. Und in der Tat hat sich die taz dazu geäußert, und zwar in dem Artikel „Der SPIEGEL sieht BILD wieder kritisch: Boulevard des Bösen“ (siehe Screenshot). Eine Passage daraus hat der SPIEGEL auch sogleich in seiner aktuellen Print-Ausgabe zitiert, und zwar auf der letzten Seite in der Rubrik „Rückspiegel“. Da heißt es u.a.:

taz-Kritik verdeutlicht: Auch der SPIEGEL kann ein Brandstifter sein
„Vorbei die Zeiten, als sich zwischen den Hamburgern vom SPIEGEL und den neu-Berlinern von BILD unter ihrem langjährigen Chefredakteur Stefan Aust so manche Blattlinien kreuzten. Gemeinsam verkämpfte man sich erfolglos gegen die Rechtschreibreform, propagierte den Politikverdruss der breiten Masse und schrieb Angela Merkel hoch. Unter seinen neuen Chefredakteuren Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron wird der SPIEGEL wieder spürbar linker. Welcome back.“

Allerdings hat der SPIEGEL nur die lobende Passage aus dem taz-Artikel abgedruckt, den Abschnitt mit der vehementen Kritik der taz wird hingegen komplett ausgespart. Zum Beispiel schreibt die taz gleich im Anschluss an das „Welcome back“:

„Natürlich fällt nach so langer Abstinenz das eine oder andere noch schwer: BILD den Sarrazin-Durchmarsch vorzuhalten, den der SPIEGEL auf seine Weise anfangs mindestens ebenso verlogen inszenierte, als er erst einen unkommentierten Vorabdruck brachte, um in den Folgewochen ‚Haltet den Dieb!‘ zu rufen – geschenkt.“

Und genau diese Beispiele zeigen, dass eben auch der SPIEGEL ein Brandstifter sein kann – und nicht nur die BILD

Die vom SPIEGEL zitierte lobende Passage aus dem taz-Artikel ist inhaltlich nicht einmal nachvollziehbar
Erschwerend kommt hinzu, dass die lobende Passage aus dem taz-Artikel zum Teil nicht einmal wirklich nachvollziehbar ist – etwa wenn es heißt, in der Aust-Ära hätten SPIEGEL und BILD „Angela Merkel noch gemeinsam hochgeschrieben“, unter Mascolo und Blumencron sei dies also nicht mehr so gewesen. Doch diese Sätze von taz-Redakteur Steffen Grimberg sind Augenwischerei, denn auch seidem Mascolo und Blumencron das Zepter beim SPIEGEL in der Hand (seit Anfang 2008), wurde Merkel vom selbsternannten „Sturmgeschütz der Demokratie“ hochgeschrieben. Noch Ende 2009 berichtete SPIEGELblog, wie der SPIEGEL Deutschland zum “guten, alten Merkelland, das so schonend ist für die Nerven seiner Bewohner”, verklärt (oder siehe auch den SPIEGELblog-Beitrag „Der SPIEGEL: Hofberichterstattung für Angela Merkel, die Zweite“, ebenfalls von Ende 2009).

Das „Welcome back“, das die taz ihren Lesern so griffig anbietet und das der SPIEGEL werbewirksam aufgreift, scheint also nach wie vor verfrüht.