Archiv für Oktober 2009

Neurodermitis-Salbe: SPIEGEL Online geht Pharmabranche abermals auf den Leim

Donnerstag, 29. Oktober 2009

(Mit Dank an Michael)

Der SPIEGEL wird seiner journalistischen Wächterfunktion bei der Pharmabranche einfach nicht gerecht. So hat SPIEGEL Online abermals ein Pharmaprodukt – eine angeblich „wirksame Salbe gegen Neurodermitis und Schuppenflecht“ – völlig haltlos hochgejubelt. Am 21. Oktober schreibt die uns bereits bekannte Autorin Heike Le Ker in dem Beitrag „Verschmähte Neurodermitis-Creme kommt auf den Markt“:

„Seit Jahren weigern sich Medikamentenhersteller, eine wirksame Salbe gegen Neurodermitis und Schuppenflechte zu vermarkten – jetzt hat eine TV-Dokumentation dieses Pharma-Versagen angeprangert. Mit Erfolg: Schon in wenigen Wochen kommt die Creme in deutsche Apotheken.“

Doch Pustekuchen. „Die Geschichte stimmt so nicht“, wie dieselbe Heike Le Ker einige Tage später in der Story „Die merkwürdige Geschichte der Wundersalbe“ schreibt (siehe Screenshot). Im Vorspann dieses Beitrags heißt es nun:

„Hat die Pharmaindustrie wirklich jahrzehntelang den Verkauf einer Salbe verhindert, die Millionen Neurodermitis-Opfern helfen könnte?… War alles nur ein PR-Coup?“

Ein möglicher PR-Coup, den auch SPIEGEL Online mal wieder nicht durchschaut hat. Dass man besonders auf das, was die Pharmabranche hinausposaunt, nicht blind vertrauen sollte, hat man beim SPIEGEL offenbar immer noch nicht begriffen.

Schweinegrippe: SPIEGEL Online macht sich erneut zum Sprachrohr von Big Pharma

Dienstag, 27. Oktober 2009

Der SPIEGEL kann es nicht lassen, sich zum Sprachrohr von Big Pharma zu machen. Zuletzt berichteten wir darüber, wie SPIEGEL Online beim Thema HIV-Impfstoff Big Pharma auf den Leim ging. Und aktuell gibt das Online-Portal in einem seiner Hauptaufmacher eins zu eins die Warnung der EU-Kommission an sein Millionenpublikum weiter: „EU-Kommission warnt vor aggressiver Schweinegrippe“ (siehe Screenshot). Eine absurde Schlagzeile, wenn man bedenkt, dass man derlei Warnungen wahrlich nicht so ohne Weiteres für bare Münze nehmen darf. Denn Pharmaindustrie und Politik sind eng und damit auf sehr heikle Weise verwoben, wie nicht nur die Frontal-21-Dokumentation „Das Pharmakartell“ (siehe rechte Spalte mit den Links) eindrucksvoll gezeigt hat, sondern auch die vor kurzem ausgestrahlte ARTE-Doku zur Schweinegrippe „Profiteure der Angst“.

Durch solche reißerischen Schlagzeilen werden auch die ganz wenigen Berichte im SPIEGEL, die sich kritisch mit dem Thema Schweinegrippeimpfung auseinandersetzen, schlichtweg ad absurdum geführt. So konnte man im SPIEGEL vom 19. Oktober den Beitrag „Immun gegen die Impfung“ lesen, in dem immerhin das brisante Fazit gezogen wird, die Deutschen könnten „Versuchskaninchen in einem gigantischen Pharmaexperiment“ sein. Warum aber begibt man sich dann beim Nachrichtenmagazin immer wieder auf BILD-Niveau* und gießt fleißig Öl in das Schweinegrippe-Panikfeuer, das letztlich nur einer Gruppierung zugute kommt: der Pharma- bzw. Impfindustrie?

Wie sehr sich die SPIEGEL-Journalisten in Sachen Schweinegrippe zum Sprachrohr der Impfindustrie macht, hat SPIEGELblog bereits Ende August skizziert.

* Am 21. Oktober zum Beispiel macht BILD mit der Superpanik-Schlagzeile auf: „Schweinegrippe: Professor befürchtet in Deutschland 35.000 Tote!“

Angeblich wirksamer HIV-Impfstoff: Wie SPIEGEL Online Big Pharma mal wieder auf den Leim ging

Freitag, 16. Oktober 2009

(Mit Dank an Georg)

Typisch auch für den SPIEGEL: Man nimmt einfach eine Pressemitteilung von Forschern und gibt diese ungeprüft an die Leserschaft weiter. So geschehen etwa auf SPIEGEL Online am 24. September bei der Meldung: „Neue Kombi-Impfung kann vor HIV schützen“ (siehe ersten Screenshot). Das klingt fantastisch, und im Vorspann schreibt SPIEGEL-Online-Autorin Heike Le Ker, die im Oktober 2008 bereits den Gebärmutterhalskrebsimpfstoff fälschlicherweise als „hochwirksam“ hochgejubelt hatte (SPIEGELblog berichtete), weiter:

„Durchbruch bei der Suche nach effektiver Immunisierung gegen HIV? Thailändische Forscher haben beim bisher größten Impfstofftest immerhin eine geringe Schutzfunktion festgestellt. Ihre Strategie: Sie kombinierten zwei alte, wenig wirksame Arzneien.“

Klingt alles super, doch jetzt stellt sich heraus, wie etwa die Süddeutsche und auch das Wall Street Journal berichten, dass die Studienergebnisse, auf die sich Heike Le Ker für ihre Jubelstory berief, eine PR-Luftblase oder gar Mogelpackung waren. So „haben Wissenschaftler, die nicht an der Studie beteiligt waren, inzwischen Einblick in die Daten bekommen“, so die Süddeutsche. „Sie kritisieren nun, der Impfschutz liege allenfalls bei 26 Prozent, wenn man die Daten statistisch korrekt auswerte. Damit läge das Ergebnis unterhalb der in Medizinstudien üblichen Signifikanzschwelle. Dass sich die geimpften Versuchsteilnehmer weniger häufig infiziert hatten, könnte mithin reiner Zufall sein.“

Kurzum: Was SPIEGEL Online mit siner Headline am 24. September suggierte, nämlich dass „eine neue Kombi-Impfung vor HIV schützen kann“, ist selbst aus Sicht der etablierten Medizin wissenschaftlich nicht haltbar.

Pikant ist dabei vor allem auch, dass die Studiendaten, die Heike Le Ker zu ihrer Jubelstory veranlasste, auf einer Pressekonferenz verkündet wurden, ohne dass andere Forscher die Daten vorab begutachten konnten – und dennoch hat Heike Le Ker ihre Jubelstory ungeprüft an ein Millionenpublikum weitergereicht. Dass in der etablierten Forschung massiv manipuliert und geschummelt wird, scheint der Autorin immer noch nicht bewusst zu sein (siehe dazu meinen Artikel „Warum Journalisten auch den angesehenen Wissenschaftszeitschriften nicht blindlings vertrauen sollten“ für die Medienfachzeitschrift message).

Und nicht einmal konnte sich SPIEGEL Online bis dato dazu durchringen, so wie die Süddeutsche oder das Wall Street Journal, über die Kritik an den Veröffentlichungen Ende September zu berichten. Nach dem Motto: Jubeln tun wir gerne für Big Pharma, doch Kritik verschweigen wir.

Luc Montagnier: „Aus Profitgründen fokussiert man sich auf Medikamente und Impfstoffe – dabei sollte man sich lieber um den Aufbau der Immunsysteme kümmern“
PS: Selbst Luc Montagnier, der vergangenes Jahr für seine angebliche Entdeckung von HIV den Nobelpreis erhielt, kritisiert aktuell in einem Interview mit Brent Leung, Macher der mehrfach preisgekrönten Dokumentation „House of Numbers: The HIV/AIDS Story is Being Rewritten“, dass sich Big Pharma und die Politik aus Profitgründen viel zu sehr auf die Suche nach Medikamenten und Impfstoffen fokussiert (siehe zweiten Screenshot). Stattdessen, so Montagnier, solle man sich lieber um den Aufbau des Immunsystems der Betroffenen kümmern – doch dies werde total beseite geschoben. Der SPIEGEL bildet hier keine Ausnahme.

Die Doku „House of Numbers“ wird am 5. November in Hamburg beim Radar Filmfestival zu sehen sein.

Sarrazins Äußerungen über Migranten: SPIEGEL-Seher kennen mehr – Vorurteile

Mittwoch, 14. Oktober 2009

(Mit Dank an Brigitta)

Man dachte, Thilo Sarrazins Äußerungen über Migranten in Deutschland wären an Dreistigkeit und völkischem Chauvinismus nicht zu überbieten (von echten Nazis einmal abgesehen). Der frühere Berliner SPD-Finanzsenator hatte in einem Interview mit der Zeitschrift Lettre International Türken und Araber kritisiert und unter anderem erklärt: „Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert.“ Die Lösung des Problems könne nur heißen: kein Zuzug.

Der SPIEGEL blendet mal wieder Systemkritik aus – und bedient stattdessen auf billige Weise Vorurteile
Doch dann kam SPIEGEL TV mit einem langen Bericht (siehe Screenshots) und sprang damit dem Hobby-Rassisten Sarrazin letztlich beiseite. Dem geneigten RTL-Publikum wurde ein Beitrag gezeigt, der kein Vorurteil über Ausländer unbeachtet ließ.

Sicher, Integration kann letztlich nur funktionieren, wenn sich beide Seite bewegen: Der Staat, indem er die Rahmenbedingungen schafft, und die Migranten, indem sie sich zumindest bis zu einem gewissen Grad auf die Kultur des betreffenden Landes einlassen wollen. Versäumnisse liegen auf BEIDEN Seiten vor, ohne Frage. Das Problem des SPIEGEL-TV-Beitrags liegt nun darin, dass er die krassen Versäumnisse der Integrationspolitik in Deutschland während der vergangenen 50 Jahre komplett ausblendet; statt dessen fokussiert man sich ausschließlich auf die Menschen mit einem türkischen bzw. arabischen Hintergrund – und das auf eine Weise, bei der jedes noch so billige Vorurteil bedient wird.

Hier zeigt sich wieder einmal, dass es den SPIEGEL-Redakteuren nicht um sachliche journalistische Aufklärung geht, sondern darum, in BILD-Manier Krawall zu schlagen und damit Einschaltquote (oder Auflage) zu machen. Dabei wird wie so oft auch hier tunlichst vermieden, Kritik am System zu üben. Der SPIEGEL kommt also mal wieder staatstragend daher. Staatstragender Journalismus ist aber kein Journalismus, sondern PR im Sinne der Regierenden.

Der Blog bleib-passiv.de hat zu dem SPIEGEL-TV-Beitrag ein gepfeffertes und damit sehr lesenswertes Stück verfasst:

Berlins ehemaliger Finanzsenator (SPD) und jetziges Bundesbank-Vorstandsmitglied, Thilo Sarrazin, hat schon häufiger mit kruden Aussagen für Aufregung gesorgt. Doch diesmal brach ein völkischer Zorn aus ihm heraus, der eher den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt, als dass er zur Volksbelustigung zu gebrauchen wäre. In einem Gespräch mit der Zeitschrift Lettre International„gab er u.a folgendes zum Besten: „Jeder, der bei uns etwas kann und anstrebt, ist willkommen; der Rest soll woanders hingehen.“ Für ihn sind vor allem große Teile der arabischen und türkischen Einwanderer weder „integrationswillig“ noch „integrationsfähig“. „Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert.“ All das mündete in seiner Forderung, die die NPD kaum besser formulieren könnte: „Generell kein Zuzug mehr außer für Hochqualifizierte und perspektivisch keine Transferleistungen für Einwanderer.“

Spiegel TV oder besser: Junge Freiheit TV
Der Beitrag, der sich offiziell mit der Frage beschäftigte, ob Sarrazins Aussagen eine „unschöne Wahrheit oder unerträglicher Rassismus“ seien, wird schon voller Hohn eingeleitet: „Die Liste seiner Vorwürfe war politisch dermaßen unkorrekt, dass es den Gutmenschen in unserem Land ganz schlecht wurde!“ Schon mit dieser Aussage positioniert sich Spiegel TV eindeutig, denn der Begriff „Gutmenschen“ wird überwiegend im extrem rechten Lager benutzt und vor allem dann, wenn es darum geht, Menschen mit Courage, die sich gegen Rassismus engagieren, zu diskreditieren. Sucht man in einer populären Suchmaschine nach eben jenem Begriff, erscheint nicht zufällig als erster Fund (nach Wikipedia) die Plattform „Politically Incorrect“ der Neuen Rechten. Mit „Deutschlandpolitik“ und „Geisteswelt“ befinden sich noch 2 weitere Seiten unter den ersten 10 Suchergebnissen, die getrost in die Ecke zwischen Konservativen und Neonazis eingeordnet werden können.

In dieser Form eingeleitet wundert es nicht, dass der Beitrag systematisch alle Klischees abarbeitet, die über Migranten, türkischer oder arabischer Herkunft, im Umlauf sind.

1. Fundamentalistische Muslime tragen Kopftücher
Gezeigt wird eine Hochzeit, bei der die Frau verhüllt ist. Für Spiegel TV steht sie „ganz in der Tradition fundamentalistischer Muslime“. Dass tatsächlich nur die Tradition ein Beweggrund sein könnte, ohne dass eine Nähe zu muslimischen Fundamentalisten konstruiert werden muss, die allgemein mit Attentätern assoziiert werden, scheint außerhalb der Vorstellungskraft der Beitragsautoren zu liegen.

2. Bei Muslimen gibt es keine Gleichberechtigung
Zitat Spiegel TV: „Beim Thema Gleichberechtigung ist der Ehemann Lichtjahre von der deutschen Kultur entfernt.“ Darauf das Zitat des Mannes: „Sie darf ihren Senf dazu abgeben und ich auch.“ Soweit scheint er aber einer Gesellschaft, die sowohl Ehegattensplitting als auch Eva Hermann hervorgebracht hat, noch voraus zu sein. (mehr …)

Der SPIEGEL übersieht: Nicht nur der Friedensnobelpreis für Obama ist absurd

Samstag, 10. Oktober 2009

Die Verleihung des Friedensnobelpreises an den US-Präsidenten Barack Obama erntet von den Medien Hohn und Spott, was auch von SPIEGEL Online zur Top-Schlagzeile gemacht wird (siehe Screenshot). Dabei übersieht das Nachrichtenportal (genau wie die meisten anderen Mainstreammedien) jedoch, dass auch andere Nobelpreisverleihungen ihre absurden Aspekte aufweisen.

SPIEGEL Online trägt PR-Botschaften der Pharmabranche mal wieder kritiklos an die Leser weiter
Dies trifft vor allem auf den Medizinnobelpreis zu, mit dem dieses Jahr die drei US-Wissenschaftler Elizabeth Blackburn, Carol W. Greider und Jack W. Szostak geehrt werden. „Sie fanden das Enzym Telomerase, das beim Entstehen von Krebs eine Schlüsselrolle spielt“, so SPIEGEL Online. Klingt super, doch ist diese Aussage schlicht haltlos.

Zwar sind Krebszellen in der Tat daran interessiert, sich unbegrenzt teilen zu können – und das geht nur mit stabilen Telomeren, die mit Hilfe von Telomerase ständig wieder aufgefüllt werden. Doch die Idee, die Telomerase mit Medikamenten einfach zu blockieren und dadurch den Krebsprozess stoppen zu können, klingt zwar schön, ist aber reines Wunschdenken. Dazu der renommierte Genomforscher George Gabor L. Miklos:

„It might work for diploid cells when there is a human disease that is inherited and simple…. but it is unlikely to ever work in a genomically heterogeneous population of cancer cells. Knocking out or treating just one component in a network of 20,000 genes (and many more gene products), is always going to be a problem in a population of cells that are aneuploid, highly variable and even within a single tumour, are surviving in different levels of oxygen and nutrients, depending on the tumour site.“

Medizinnobelpreis 2009: „It’s more American hype to feed the voracious cancer beast“
Um so unverständlicher ist es also, dass SPIEGEL Online mal wieder einfach die PR-Botschaften der Pharmabranche kritiklos an seine Leser weiterträgt. So schreibt SPIEGEL Online: „Forscher und Pharmaindustrie hoffen, mit neuen Wirkstoffen die Telomerase-Aktivität in Tumorzellen zu vermindern. Dann wäre der schützende Mechanismus außer Kraft gesetzt, die Krebszelle würde genau wie eine normale Körperzelle altern und nach einer bestimmten Anzahl an Zellteilungen sterben. Dieses Ziel verfolgt beispielsweise die kalifornische Firma Geron. Sie hat einen Telomerase-Inhibitor entwickelt, der derzeit in einer Reihe von klinischen Studien untersucht wird.“

Mainstreammedien wie der SPIEGEL täten also besser daran, nicht permanent haltlose Spekulationen von Pharmafirmen ungeprüft an ihre Leser weiterzutragen.

Miklos: „Telomerase was described nearly 25 years ago… and the Geron Corporation has been working on it for quite a while as have various Big Pharma… but no drugs. So what can I say… it’s more American hype to feed the voracious cancer beast. By the way, at least 20% of tumours don’t have the telomerase turned back on… so it’s not a general phenomenon.“

Medizinnobelpreise zur Zementierung von Dogmen – und Medien wie der SPIEGEL schnallen es nicht
Und Miklos fügt zu Recht hinzu: „Congratulations to the scientists. I think the Nobel Committee is starting to find it hard to award prizes for truly innovative research.“

So konnte das Nobelpreiskomitee den Medizinnobelpreis 2008 für Luc Montagnier und Harald zur Hausen, der auch von SPIEGEL mit keinerlei Kritik bedacht wurde, wissenschaftlich nicht begründen (siehe dazu den Kommentar von Dr. med. Claus Köhnlein und mir sowie die Analysen der Biophysikerin Eleni Papadopulos und des Mediziners Val Turner aus Australien). Dies erhärtet den Verdacht, wie Dr. Köhnlein und ich auch in unserem Kommentar darlegen, dass mit der Vergabe von so manchem Medizinnobelpreis aus unbelegten Hypothesen Dogmen gezimmert werden sollen – so wie schon früher etwa bei Carleton Gajdusek und Stanley Prusiner geschehen.

Mega-Drogenfund in der Karibik: Wie SPIEGEL TV um der Dramatisierung willen die Unwahrheit erzählt

Donnerstag, 01. Oktober 2009

(Mit Dank an Christian D.)

Gleich zu Beginn des Berichts „Kokain in der Karibik: Royal Navy schießt scharf“ von SPIEGEL TV, zu sehen auf SPIEGEL Online, heißt es:

„Nur mithilfe gezielter [Maschinengewehr-)Schüsse konnte die britische Fregatte HMS Iron Duke in der Karibik einen alten [mit Drogen beladenen] Fischkutter zum Stoppen zwingen.“ Zu sehen ist dabei folgendes: Aus dem Blickwinkel eines Helikopters der British Royal Navy (Kriegsmarine Großbritanniens) wird mit einem großkalibrigen Schnellfeuergewehr ein kleinerer Fischkutter (MV Cristal) beschossen, bei dem die einschlagenden Projektile Explosionen und Rauch erzeugen. Nach diesem kriegsähnlichen Feuerbeschuss, so SPIEGEL TV, hätten die Soldaten das Schiff  durchsucht und dabei hinter einer Betonwand 5,5 t Kokain gefunden.

Die Royal Navy, die BBC und Sky News erzählen die Story entscheidend anders als der SPIEGEL
Doch so reißerisch diese Darstellung der Ereignisse, so falsch ist sie. In Wahrheit nämlich sah es so aus: Der Fischkutter mit den Drogen wurde gestoppt und einen Tag lang durchsucht. Dabei fand man 5,5 t Kokain mit einem Marktwert von ca. 260 Mio. €. Nachdem die Maschine des Motorschiffes Cristal nicht wieder flott gemacht werden konnte, wurde das Schiff durch gezielten Beschuss von einem Helikopter aus versenkt.

Genau so steht es auch im offiziellen Bericht der Royal Navy „Drug Smugglers Hit By Royal Navy In Massive Cocaine Seizure“: „The narcotics and detainees were subsequently transferred to the HMS Iron Duke under the custody of the US Coast Guard Law Enforcement Detachment. The MV Cristal, in a poor state of repair and having suffered repeated equipment failure, lost all power and could not be restarted. She was destroyed by gunfire to prevent her being a hazard to nearby shipping.“

Und auch die britische BBC erzählt es entscheidend anders als der SPIEGEL in ihrem Videobeitrag „Navy seizes cocaine ‚worth £240m'“: „The final moments of the MV Cristal after her crew had been taken off and her drug’s cargo had been confiscated“ (Hervorhebung durch SPIEGELblog).

Man kann sich also nur wundern, dass der SPIEGEL die Boulevardisierung mit derart reißerischen Verdrehungen vorantreibt. Selbst das Flagschiff der britischen Yellow-Press, Sky News, ließ sich in seinem Bericht „Royal Navy In Record £240m Cocaine Bust“ nicht zu einer überdramatisierten bzw. Falschdarstellung der Ereignisse hinreißen…