Gustl Mollath: Jetzt ist der Fall auch für den SPIEGEL „womöglich einer der größten Justizskandale Bayerns“ – doch Ende 2012 behauptete die SPIEGEL-Redakteurin Beate Lakotta noch das Gegenteil, nämlich dass „der Justizskandal doch keiner ist“

  06. August 2013, von T. Engelbrecht

„Beate Lakotta vom SPIEGEL haben wir natürlich auch in die Sendung eingeladen, doch sie ist unserer Einladung nicht gefolgt.“
Reinhold Beckman in der Talksendung „Zu Unrecht in der Psychiatrie – Gustl Mollath ist frei“ vom 15. August 2013 (siehe hier ab Minute 33:50), an der neben Gustl Mollath auch dessen Anwalt Gerhard Strate, die Psychiaterin Hanna Ziegert und der Journalist Uwe Ritzer von der Süddeutschen Zeitung teilnahmen.

„Wer sich mit den derzeit bekannten Fakten und Hintergründen des gesamten Falls [Gustl Mollath] befasst hat, merkt sehr schnell, dass sich der Artikel von Beate Lakotta nicht um eine ausgewogene Darstellung aller relevanten Umstände bemüht.“
Der Jurist Thomas Stadler in seinem Blog-Beitrag „Fall Mollath: Alles nur heiße Luft?“ über den Artikel „Warum der Justizskandal [Mollath] doch keiner ist“ von der SPIEGEL-Journalistin Beate Lakotta, 14. Dez. 2012

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Rechercheschwach: Jetzt spricht plötzlich auch der SPIEGEL im Fall Mollath von einem Riesenskandal – vor Monaten wollte die SPIEGEL-Redakteurin Beate Lakotta davon hingegen nichts wissen; Bild: DPA

Recherchestärke? Scheint nicht die Sache des SPIEGEL zu sein. Das zeigt sich mal wieder ganz aktuell am Beispiel von Gustl Mollath. Vor vielen Jahren will Mollath, verheiratet mit einer Bankerin, von Schiebereien mit Schwarzgeld erfahren haben, in die seine Frau verwickelt gewesen sein soll. Daraufhin wendet er sich an die Justiz, will den Skandal aufdecken, doch stattdessen erklärt man ihn für verrückt. Nach jahrelangem Zwangsaufenthalt in der Psychiatrie ist Mollath nun seit heute (6. Aug. 2013) durch eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg ein freier Mann.

Dazu schreibt SPIEGEL Online nun in seinem aktuellen Hauptaufmacher „Justizaffäre in Bayern: Mollaths zweite Chance“ (siehe auch Screenshot), „die Entscheidung des OLG ist eine so überraschende wie spektakuläre Wende in einem Fall, der womöglich einer der größten Justizskandale Bayerns ist“.

Da reibt sich der aufmerksame Beobachter die Augen, denn Ende 2012 klang das noch ganz anders. Seinerzeit schrieb Beate Lakotta im SPIEGEL regelrecht gegen die Berichterstattung von Report Mainz und die Süddeutsche Zeitung, die schon damals einen Riesensjustizskandal gewittert hatten, an. So brachte u.a. SPIEGEL Online am 13. Dezember 2012 zum Fall Gustl Mollath doch tatsächlich einen Artikel von Beate Lakotta mit der Headline „Warum der Justizskandal doch keiner ist“.

„Heiße Luft“ hat nur eine Person produziert: SPIEGEL-Redakteurin Beate Lakotta
Im Vorspann von Lakottas Beitrags heißt es allen Ernstes: „Sitzt Gustl Mollath seit Jahren zu Unrecht in der Psychiatrie? Sein Fall wurde zum Justizskandal erklärt, Mahnwachen werden für den ‚deutschen Mandela‘ abgehalten – doch am Ende könnte von all dem nicht viel mehr bleiben als heiße Luft. Denn viele Ungereimtheiten sind gar keine.“

Von dieser „heißen Luft“ will man beim SPIEGEL jetzt natürlich nichts mehr wissen. Heiße Luft hat ja auch nur eine Person produziert: Die SPIEGEL-Redakteurin Beate Lakotta selbst, die gemäß Wikipedia im Übrigen auch nicht scheut, Preise von Pharmariesen wie Eli Lilly und Bayer Healthcare entgegenzunehmen. Denn dass der Fall Mollath KEIN Justizskandal ist, wie Frau Lakotta vollmundig behauptet, ist nun wirklich faktisch nicht zu belegen. Wir von SPIEGElblog schrieben daher schon am 14. Dezember 2012 dazu: „SPIEGEL Online greift im ‚Fall Mollath‘ die Süddeutsche Zeitung an – liegt faktisch aber daneben.“

Ebenfalls am 14. Dezember 2012 zeigt der Fachanwalt Thomas Stadler mit seinem Blog-Beitrag „Fall Mollath: Alles nur heiße Luft?“  dezidiert auf, wie haltlos die Behauptung von Beate Lakotta ist. Stadlers Blog-Beitrag beginnt mit folgenden Worten:

„Auf SPON ist unlängst ein Artikel von Beate Lakotta erschienen, der versucht zu erklären, warum der Justitzskandal um Gustl Mollath doch keiner ist.

Die Autorin lässt dabei allerdings wesentliche Aspekte unberücksichtigt, verfälscht andere Punkte und stützt ihre Schlussfolgerung letztlich darauf, dass sich einige Spekulationen nicht bewahrheitet hätten, was sie dann natürlich ausführlich darstellt. Wer sich mit den derzeit bekannten Fakten und Hintergründen des gesamten Falls befasst hat, merkt allerdings sehr schnell, dass sich der Artikel von Beate Lakotta nicht um eine ausgewogenen Darstellung aller relevanten Umstände bemüht.

Aus diesem Grunde sollen hier die Verzerrungen und Unrichtigkeiten des Textes anhand einiger zentraler Aussagen einmal aufgearbeitet und dargestellt werden…“

 

10 Kommentare zu “Gustl Mollath: Jetzt ist der Fall auch für den SPIEGEL „womöglich einer der größten Justizskandale Bayerns“ – doch Ende 2012 behauptete die SPIEGEL-Redakteurin Beate Lakotta noch das Gegenteil, nämlich dass „der Justizskandal doch keiner ist“”

  1. Bernd sagt:

    Hier findet man weitere Infos zu der grauenhaften Berichterstattung:

    http://www.newsandbuy.de/Mollath_Presse.htm

    Als ich die Artikel auf SPON gelesen habe, konnte ich es fast kaum glauben. Wie kann man solche Artikel schreiben? Sehen sich die Authoren selbst als Journalisten?

    Die Krise der Medien hat kaum etwas mit dem Internet zu tun.
    Es ist vor allem eine Krise journalistischer Qualität.

  2. Too much information - Papierkorb - Lesezeichen vom 7. August 2013 sagt:

    […] SPIEGELblog | Gustl Mollath: Jetzt ist der Fall auch für den SPIEGEL “womöglich eine… – – doch Ende 2012 behauptete das Magazin noch das Gegenteil, nämlich dass “der Justizskandal doch keiner ist” senden an: Facebook, G+.oder Twitter | Kurz-URL  […]

  3. Helmut sagt:

    Seit über 30 Jahre bin ich Spiegelabonnent. Nachdem ich von dem dilettantischen Spiegelbericht heute bei Beckmann erfahren habe, werde ich mein abbo fristlos kündigen. Herr augstein hat solche journalistische dillentanten nicht verdient. Wenn er es wüsste würde er sich im Grabe umdrehen. Ich kann nur empfehlen feuert diesen unfähigen Schreiberling, bevor er Seriosität dieses Magazins ruiniert.

  4. Aufmerksamer Beobachter sagt:

    Man kann ja gegen die Berichterstattung von Frau Lakotta im Fall Mollath sagen, was man will (dazu unten noch zwei, drei Sätze):
    Aber wer sich „verwundert“ die Augen reibt, wenn auf SPIEGEL ONLINE eine andere Einschätzung zu finden ist als im Artikel einer SPIEGEL-Autorin, ist kein „aufmerksamer Beobachter“, sondern ein Ignorant – jedenfalls hat er von der Funktionsweise von (und speziell dieser) Medien keine Ahnung, und sollte sich dringend das nötige Hintergrundwissen besorgen, bevor er sich hier (oder anderswo) medienkritisch äußert. Nur um den Punkt ganz deutlich zu machen: Binnenpluralismus, dass es also innerhalb eines Mediums verschiedene Ansichten zu einem Thema gibt, und diese auch in der Berichterstattung erkennbar werden, ist KEINE journalistische Untugend oder sonstwie kritikwürdig (und noch nicht einmal besonders ungewöhnlich) sondern im Gegenteil, bezogen auf die Aufgaben der Medien (und der Presse) etwas Übliches und Positives. Und wo es sich sogar um zwei unterschiedliche Medien (und Unternehmen!) handelt, wie bei SPIEGEL und SPIEGEL ONLINE, kann man noch nicht einmal damit argumentieren, dass der Leser verunsichert wird, wenn er in ein und demselben Medium unterschiedliche Auffassungen wiederfindet – es ist nicht ein und dasselbe Medium, und der mündige Leser wird nicht verunsichert, sondern freut sich darüber.
    Und zur Sache selbst: Wenn man bedenkt, dass die Opfer-Perspektive im Fall Mollath in der Berichterstattung anderer Leitmedien ganz überwiegend ausgeblendet wird, ist es hilfreich, darüber wenigstens im SPIEGEL zu lesen. Dass die Berichterstattung von Frau Lakotta deshalb auch etwas einseitig wirken kann, geschenkt – aber offensichtlich geht es ihr eben primär darum, der (mindestens genauso einseitigen) Berichterstattung anderer Medien einen Kontrapunkt entgegenzusetzen. Dass der mündige Leser sich deshalb möglichst umfassend informieren sollte, ist klar – um so schöner, dass er andere Positionen als die von Frau Lakotta sogar unter der Marke „SPIEGEL“ (bei SPIEGEL ONLINE) findet.

  5. SPIEGELblog sagt:

    @ Aufmerksamer Beobachter

    Aufgabe eines seriösen Journalismus kann es ja wohl kaum sein, wie Sie uns hier weismachen möchten, “primär einen Kontrapunkt” zu setzen. Vielmehr muss es primär darum gehen, zielstrebig zu den Fakten vorzudringen und über diese zu berichten. Und faktisch liegt Frau Lakotta, wie erwähnt, in wesentlichen Punkten nachweislich daneben, u.a. mit ihrer Behauptung, der Justizskandal sei gar keiner.

    Exakt dies ist unser Kritikpunkt.

    Der erwähnte Fachanwalt Thomas Stadler, der den Artikel von Lakotta “Warum der Justizskandal keiner ist” auseinanderpflückt, spricht in diesem Zsh. davon, dass Frau Lakotta gewisse “Punkte verfälscht”.

    Seriöser Journalismus sieht wirklich anders aus.

  6. Aufmerksamer Beobachter sagt:

    Danke für die Antwort.
    Interessant finde ich, dass Sie nun eine Formulierung meines Beitrags herausgreifen, auf den eigentlichen Kritikpunkt aber gar nicht eingehen.
    Trotzdem will ich kurz darauf antworten: Warum sollte das nicht „seriöser“ Journalismus sein? Wer definiert das? Sie??
    Ist ein Text schon deshalb „unseriös“, weil man auch anderer Auffassung sein kann? Schon mal etwas von „Subjektivität“ gehört? Von bewertenden, Stellung beziehenden, kommentierenden Texten? Halten Sie auch Leitartikel, Kommentare, Korrespondenteberichte, Analysen, Portraits, Essays etc. pp. von vornherein für unseriös?
    Letztlich (das wäre schon vorhin ein weiterer Punkt gewesen) muss man doch sehen, dass es hier um zwei völlig verschiedene Textgattungen geht. Bei SPIEGEL ONLINE handelt es sich um einen – am Kriterium der Objektivität – ausgerichteten Bericht (darauf deuten schon die Formalia hin). Ebenso offenkundig ist ein Autoren-Stück im SPIÉGEL aber (jedenfalls wesentlich stärker) subjektiv geprägt (im Grunde sind das alle SPIEGEL-Geschichten, Autoren-Stücke in der Regel aber ganz besonders).
    Und daran gemessen kann man meinetwegen ja immer noch sagen, dass man den einen oder anderen Gesichtspunkt bei Frau Lakotta vermisst hat, oder ihr sogar Fehler vorwerfen (auch subjektive Stücke sollten natürlich bezüglich der Tatsachen korrekt sein). Das war und ist gar nicht mein Punkt.
    Nur sollte man sich nicht wundern (und schon gar nicht dem SPIEGEL vorwerfen), dass ein Autoren-Stück im SPIEGEL etwas anderes ist als ein Bericht bei SPIEGEL ONLINE. Das ist mein Punkt. Einem (erkennbar) subjektiv geprägten Text kann man jedenfalls nicht vorwerfen, er sei nicht genauso objektiv wie ein der Objektivität verpflichteter Bericht. Wer das tut, zeigt nur, dass er von Journalismus und Medien (zu) wenig Ahnung hat.

  7. SPIEGELblog sagt:

    @ Aufmerksamer Beobachter

    Der Artikel „Warum der Justizskandal keiner ist“ von Beate Lakotta ist ja nicht einmal als kommentierende Text (Leitartikel, Kommentar) gekennzeichnet, von daher sehe ich nicht, dass er als ein solcher gelten könnte.

    Unabhänging davon sollte auch ein Kommentar primär darum bemüht sein, nicht irgendetwas zu schreiben, sondern nur das, was faktisch auch belegbar ist. Und faktisch liegt Frau Lakotta, wie erwähnt, nunmal in wesentlichen Punkten nachweislich daneben, u.a. mit ihrer Behauptung, der Justizskandal sei gar keiner.

  8. como13 sagt:

    aufmerksamer Beobachter?
    ehrlich gesagt finde ich ihre Darstellung, und genau so die Berichterstattung von Frau Lakotta, etwas befremdlich.
    Erstens: wer ist den nun in der Opferrolle? Frau Lakotta sugeriert dass dies eindeutig Mollaths Ehemalige ist. Die Faktenlage schaut da doch sehr anders aus. Zumindest ist Frau Petra Maske keineswegs glaubwuerdig.
    Zweitens: Subjektive Sicht. Die nimmt sich Frau Lakotta als Mittel zum Zweck. Anders kann Sie ja auch nicht gegen die Faktenlage schreiben. So sind die anderen Medienberichte zwar zum Teil auch einseitig, oder vielleicht eher auf das Wesentliche, den Justizskandal, fokusiert, doch kann man hier kaum von sugestiven Stil oder Subjektivitaet reden. Der BGH hat die bisherige Rectsprechung den Richren ja um die Ohren gehauhen.
    Frau Lakotta ist voellig falsch gelegen, und dies in so elimentaren Grundrechten wie die Freihet. Es sollte auch mal angesprochen werden, dass es fuer Mollaths damaliges Verhalten sehr wohl auch Erklareungen gibt , die medizinisch kaum mit ‚Wahn‘ im Zusammenhang stehen.

  9. RA Edmund Schönenberger sagt:

    Fälle wie jener von Gustl Mollath gibt es in der Schweiz zuhauf:
    http://www.psychex.ch/doku/MJ.pdf
    RA Edmund Schönenberger

  10. Too much information - Papierkorb - Lesezeichen vom 6. August 2013 sagt:

    […] SPIEGELblog | Gustl Mollath: Jetzt ist der Fall auch für den SPIEGEL “womöglich eine… – – doch Ende 2012 behauptete das Magazin noch das Gegenteil, nämlich dass “der Justizskandal doch keiner ist” […]

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