Der Mord an Libanons Ex-Premier Rafik al-Hariri: Ein Paradebeispiel dafür, wie der SPIEGEL aus haltlosen Spekulationen Artikel bastelt

  25. Mai 2009, von T. Engelbrecht

(Mit Dank an Johannes M.)

Den Massenmedien geht es heutzutage immer mehr um die pure Sensation – um der Steigerung der Einschaltquoten und der Auflagen willen. Das fatale daran: Die Fakten bleiben dabei allzu oft auf der Strecke. Dies gilt auch für den SPIEGEL, auch wenn sich das Nachrichtenmagazin selber mit Vorliebe ob seiner investigtiven Recherchen lobt. Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist der Bericht des SPIEGEL über den Mord an Rafik al-Hariri, Ex-Premierminister des Libanon. Bereits Ende Oktober 2005 griff SPIEGEL-Autor Erich Follath das Thema in seinem Artikel „Bye, Bye, Hariri!“ auf (siehe Screenshot). Gleich zu Beginn des Vorspanns schreibt Follath:

„Der Untersuchungsbericht des Uno-Ermittlers Mehlis belastet Syrien schwer, in den Mord am Ex-Premier [Hariri] des Zedernstaats [Libanon] verwickelt zu sein.“

Jetzt ist davon keine Rede mehr. Am 23. Mai 2009 bringt SPIEGEL Online den Beitrag, der wohlgemerkt ebenfalls von Erich Follath verfasst wurde: „Breakthrough in Tribunal Investigation: New Evidence Points to Hezbollah in Hariri Murder“, in dem es heißt: „Intensive investigations in Lebanon are all pointing to Hezbollah and not Syria“ (Anm.: Im aktuellen SPIEGEL-Heft auf den Seiten 102 bis 106 findet sich der Artikel auch auf Deutsch).  Mit anderen Worten: Follaths Artikel von Ende Oktober 2005, in dem noch mit dem Finger auf Syrien gezeigt wurde, basierte auf nichts anderem als haltlosen Spekulationen. Und ohne ein Wort über seine Recherchepanne zu verlieren, zeigt Follath nun in seinem aktuellen Artikel mit dem Zeigefinger auf die Hisbollah. Das Problem: Auch hier kann Follath für seine steile These keinerlei harte Beweise präsentieren.

„So far none of Lebanon’s political parties is taking Der Spiegel’s story as credible“
Franklin Lamb von der Sabra Shatila Foundation in Beirut, der die beiden Artikel von SPIEGEL-Autor Follath analysiert hat, schreibt in seinem Artikel „‚Hezbollah Did It!‘ Der SPIEGEL Tries Again“ für Counterpunch.org: „No evidence is offered by Der SPIEGEL for any of its ‚revelations‘ such as Hezbollah members who supposedly trained in Iran, bought phones, ‚two men who report only to their superior‘ (who else would they report to?) etc.“

Und Lamb weiter: „So far none of Lebanon’s political parties is taking Der Spiegel’s story as credible. MP Walid Jumblatt, Druze leader of the Progressive Socialist Party currently allied with the pro-US March 14th majority, commenting on the Der SPIEGEL article,  warned in a Sunday speech… that the article is ‚the game of nations that could, God forbid, derail justice and use it for things that we don’t believe in’… Hezbollah Media Relations Office issued a statement on Sunday in which it dismissed allegations published by Der Spiegel and broadcast by Al-Arabiyya Channel saying that it is nothing less than ‚police fabrications‘.“

 

8 Kommentare zu “Der Mord an Libanons Ex-Premier Rafik al-Hariri: Ein Paradebeispiel dafür, wie der SPIEGEL aus haltlosen Spekulationen Artikel bastelt”

  1. superguppi sagt:

    Man sollte besser fragen: Wem nützt es?

  2. SPIEGEL = non-investigativ sagt:

    @ superguppi

    Absolut! Die SZ z.B. schreibt dazu:

    „Stutzig macht, dass die Berichte über die angeblichen Ermittlungsergebnisse in eine Zeit fallen, in der sich das Schicksal des Libanon ein weiteres Mal entscheidet: In zwei Wochen wird gewählt.

    Die Hisbollah rechnet mit sattem Stimmenzuwachs, mit größerer Mitsprache in der Regierung. Noch mehr Macht für die libanesischen Parteigänger Teherans im Libanon – das wollen weder die Amerikaner noch die Israelis noch die Europäer. DIE ENTHÜLLUNGEN SIND GEZIELT ZU DIESEM ZEITPUNKT LANCIERT WORDEN. Über ihren Wahrheitsgehalt sagt dies nichts aus. Der Hisbollah allerdings werden sie so oder so schaden.“

    Siehe http://www.sueddeutsche.de/politik/86/469640/text/

  3. c.sydow sagt:

    Meine Einschätzung zur Glaubwürdigkeit des Berichts und seinen möglichen Folgen für die libanesische Innenpolitik kann man hier nachlesen:

    http://alsharq.blogspot.com/2009/05/hizbollah-hariri-und-der-spiegel-scoop.html

  4. Johphil sagt:

    Zum weiterlesen:

    http://news.yahoo.com/s/afp/20090525/wl_afp/lebanonuntribunalharirihezbollah

    http://news.yahoo.com/s/afp/20090525/wl_mideast_afp/lebanonuntribunalhariri

    http://www.jpost.com/servlet/Satellite?cid=1243259517461&pagename=JPost%2FJPArticle%2FShowFull

    http://www.csmonitor.com/2009/0525/p06s07-wome.html

    MfG,

    Johphil

  5. andi sagt:

    Alles bereits vor 6 Monaten publiziert?

    Wie es scheint, sind die Informationen des Speigels nicht neu: Auf Al-Manar TV ist ein Artikel zu lesen, der besagt, dass alle Aussagen des besagten Spiegelartikels (inklusive der Mobilnummernstory) bereits vor 6 Monaten auf einer syrischen Oppositionsseite veröffentlicht wurden.

    Um ehrlich zu sein: Ich habs nicht nachrecherchiert. Natürlich ist Al-Manar auch nicht gerade die neutralste Quelle. Allerdings schon spannend und legt die Vermutung nahe: Hier wird Wahlkampf (oder vielleicht „Vorherrschaftskampf im Nahen Osten“?) betrieben.

    Hier der Artikel:
    http://www.almanar.com.lb/NewsSite/NewsDetails.aspx?id=87143&language=en

  6. Jonboy sagt:

    Hier der beste Artike den ich dazu gefunden habe!!!!

    http://alles-schallundrauch.blogspot.com/2009/05/gibt-es-ein-schlimmeres-schmierblatt.html

  7. Marco sagt:

    Dass Syrien hinter dem Anschlag steckt, ist doch keine Enthüllung des SPIEGEL, sondern das Ergebnis jahrelanger Arbeit internationaler Ermittler. Schon der Bericht von Dietrich Mehlis kam 2005 zu der Einschätzung, ohne „Zustimmung ranghoher syrischer Sicherheitskräfte und ohne die Mitwisserschaft ihrer Partner in den libanesischen Diensten“ sei die Anschlagsplanung nicht möglich gewesen. So viel zum Thema haltlose Spekulationen.

    Dass ihr einen Mann wie Franklin Lamb, der für seine anti-israelischen Umtriebe bekannt ist, dagegen als glaubwürdige Quelle erachtet, spricht Bände.

  8. SPIEGELblog sagt:

    @ Marco

    Sie scheinen das Ganze nicht wirklich verstanden zu haben. Denn Sie schreiben: „Dass Syrien hinter dem Anschlag steckt, ist doch keine Enthüllung des SPIEGEL, sondern das Ergebnis jahrelanger Arbeit internationaler Ermittler.“ Doch Syrien steckt ja offenbar gar nicht hinter dem Anschlag, jedenfalls gibt es dafür keine handfesten Beweise. Selbst der SPIEGEL schreibt ja nun, wie auch im Blogbeitrag erwähnt: „Intensive investigations in Lebanon are all pointing to Hezbollah and NOT SYRIA“. Sprich, der SPIEGEL hat 2005 einen ellenlangen Artikel aufgrund HALTLOSER SPEKULATIONEN gezimmert. Und dasselbe geschieht offenbar jetzt, denn harte Fakten dafür, dass die Hisbollah das Attentat auf Hariri verübt hat, sucht man in dem SPIEGEL-Artikel vergeblich.

    Im Übrigen lohnt es nicht, mit diffamierenden und letztlich nichtssagenden Schlagworten wie „anti-israelischen Umtriebe“ um sich zu schmeißen. Worum es geht, sind die Fakten. Und die kennen kein „anti-israelisch“, „anti-libanesisch“ etc.

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