SPIEGEL-Umfrage unter jungen Deutschen: Suggestivfrage plus blumige Auswahl an Antworten – wie aus der PR-Abteilung der Obama-Administration

  19. Juni 2009, von T. Engelbrecht

(Mit Dank an Hans-Jörg Schulz)

Erst vor wenigen Wochen deckte die Organisation LobbyControl auf, dass auch SPIEGEL Online die PR der Deuschen Bahn kritiklos an seine Leser weitergetragen hatte (SPIEGELblog berichtete). Dabei ging es etwa um eine Umfrage, die gezielt nach den Vorteilen einer möglichen Bahnprivatisierung fragte – aber nicht nach möglichen Nachteilen. Die Umfrage schaffte es unter dem Titel „Deutsche hoffen auf besseren Service“ auf SPIEGEL Online, und ein Hinweis auf die einseitige Fragestellung fand nicht statt.

Nun hat der SPIEGEL in seiner aktuellen Titelgeschichte „SPIEGEL-Umfrage: Wir Krisenkinder – wie junge Deutsche ihre Zukunft sehen“ (siehe Screenshot) selber den befragten jungen Menschen eine solche vorgefertigte Meinung direkt in den Mund gelegt. So lautet Frage 23 (auf S. 61 der aktuellen Print-Ausgabe): „Wird Barack Obama die Welt zum Besseren verändern?“. Dabei ist nicht nur diese Frage suggestiv positiv, auch hat man bzw. frau nur zwei Antwortmöglichkeiten: „ein wenig“ und „stark, sehr stark“ (siehe zweiten Scrennshot). Dass man oder frau der Meinung sein könnte, die Welt könnte sich durch den US-Präsidenten eher zum Schlechten entwickeln oder einfach in dem prekären Zustand bleiben, wie sie ist, kam den Machern des Quiz (den Redakteuren Mathieu von Rohr und Christoph Titz) also entweder überhaupt nicht in den Sinn – oder wurde von ihnen bewusst weggelassen.

Obamania des SPIEGEL bei der Quiz-Erstellung ist für journalistisches Medium im Grunde unwürdig
Wie peinlich diese orwellsche Frage-Antwort-Technik ist, ist der Redaktion unterdessen offenbar selber aufgefallen. So erschien die suggestiv-positive Frage mit der blumigen Auswahl an Antworten zunächst auch genau so auf SPIEGEL Online (siehe dritten Screenshot). Doch mittlerweile wurde leicht nachgebessert. Jetzt hat man bei SPIEGEL Online auch die Möglichkeit, „eher gar nicht“ zu antworten auf die Frage, ob Barack Obama die Welt zum Besseren verändern werde.

Der SPIEGEL schwelgte bei der Erstellung seines Quiz also offenbar immer noch in der für Journalisten eigentlich unwürdigen Obamania (siehe auch SPIEGELblog-Bericht „100 Tage Obama: Wie SPIEGEL Online die PR des Smiley-Präsidenten einfach weiterträgt – und überfällige Kritik unter den Tisch fallen lässt“). Unwürdig deshalb, weil es reichlich Gründe gibt, davon auszugehen, dass auch Obama einer der unzähligen Politiker ist, die mehr oder minder Marionetten sind von im Hintergrund die Strippen ziehenden Machtcliquen (vor allem Konzernlenker). Und diesen Marionetten-Politikern sollten Journalisten besonders konsequent kritisch gegenübertreten.

Bemerkenswert in diesem Zsh. etwa das Buch „What Every American Shouls Know About Who’s really running the World“ der US-Journalistin Melissa Rossi – ein Buch, das SPIEGELblog den Obama- oder überhaupt Politiker-Fans unter den SPIEGEL-Redakteuren ausdrücklich ans Herz legen möchte.

Begründeter Verdacht: Barack Obama wandelt auf den Pfaden der Neokons – nur mit einem Smiley-Face
Wie kritisch gerade auch Obama zu sehen ist, beschrieb etwa Peter Phillips für Project Censored bereits im Februar dieses Jahres: „The Barack Obama administration is continuing the neo-conservative agenda of US military domination of the world – albeit with perhaps a kinder-gentler face.“

Auch stellt sich Obama seit Monaten gegen die überfällige Wahrheitskommission („Truth Commission“) zur Aufklärung der vielen möglichen Verbrechen der Bush-Regierung (SPIEGELblog berichtete, siehe auch Artikel des TIME Magazine „Obama Still Opposed to Truth Commission on Torture“). Ein klarer Ausweis dafür, wie eng Obama mit den korrupten Machtcliquen verwoben ist.

Ebenfalls brisant: „Barack Obamas Landwirtschaftsminister Tom Vilsack gilt als großer Freund der Gentechnik im Allgemeinen – und von Monsanto im Speziellen“, siehe www.regenwald.org.

Nicht weniger prekär: der Einfluss der Wallstreet-Bosse auf die Obama-Administration (der sogar noch größer sein soll als auf die Bush-Regierung), siehe SPIEGELblog-Bericht „Wovon soll die Schweinepest-Idiotie ablenken – zum Beispiel vom korrumpierenden Einfluss der Wall-Street-Bosse auf die US-Politik?“.

Auch Obamas Grundsatzrede zur islamischen Welt am 4. Juni in Kairo, die von SPIEGEL Online im Chor mit den meisten Mainstreammedien unkritisch hochgejubelt wurde, könnte man mit ein wenig skeptischem Journalistengeist sehr kritisch sehen – so wie es etwa Noam Chomsky, Professor für Linguistik am Massachusetts Institute of Technology (MIT), getan hat in seinem Artikel „The Grim Picture of Obama’s Middle East“ (übersetzte Version „Obama und der Nahe Osten – ein düsteres Bild“ findet sich auf www.hintergrund.de).

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen…

 

5 Kommentare zu “SPIEGEL-Umfrage unter jungen Deutschen: Suggestivfrage plus blumige Auswahl an Antworten – wie aus der PR-Abteilung der Obama-Administration”

  1. Spiegelblog.net hat meinen Hinweis aufgegriffen « sagt:

    […] Die ganze Story gibt’s beim Spiegelblog… […]

  2. Schlüssellochgucker sagt:

    ot:

    Der Spiegel schreibt – sowie eigentlich alle Mainstream Journalisten – immer so, dass sich im Grunde nichts ändern soll. Klar, ein paar Stellschräubchen soll man ändern, hier und da ein paar kleine Aufreger. Im Grunde genommen gehts es darum, dass die Leute, die sich im bestehenden System fein eingerichtet haben -materiell und mental – auch weiterhin so leben können wie bisher.

    Und manchmal denke ich: richtig so. Gerade den unpolitischen hedonistischen Unterschichten Pöbel muss man doch eigentlich ausnehmen und verarschen.

  3. Peace for the whole planet sagt:

    @Schlüssellochgucker

    Das Problem ist, dass die seit Jahrzehnten von den Eliten betriebene (und von Medien wie dem Spiegel gestützte) Politik nicht nur den, wie Sie schreiben, „unpolitischen hedonistischen Unterschichten-Pöbel“ ausnimmt und verarscht, sondern ein Großteil der Weltbevölkerung. Und zu der gehören Abermillionen Menschen, die nicht einmal die Chance haben, politisch aktiv zu werden, weil ihnen Dinge wie Bildung oder Essen fehlen.

    Hinzu kommen die unzähligen Tier- und Pflanzenarten, die unter der Dampfwalze des blinden wirtschaftlichen Wachstumswahns zerquetscht werden. Und Tiere und Pflanzen können weiß Gott nicht politisch aktiv werden.

    Von daher denke ich immer mehr: Nicht richtig so!

  4. 6 vor 9: Sprecher, Obama, Heidemann » medienlese.com sagt:

    […] zu treffende Witze über ihre Lage macht (siehe auch meedia.de, Dirk Manthey). Aber keine Bange: Nach dieser Spiegel-Umfrage “wird Barack Obama die Welt zum Besseren verändern”, die Frage ist nur, ob “ein […]

  5. Obamas Zurückhaltung um den iranischen Protest stößt auf harsches Echo « thepresidential.de sagt:

    […] Außerdem verschafft uns Georg Watzlawek tägliche neue Eindrücke von der Lage im Iran. Eine SPIEGEL-Umfrage unter jungen Menschen beruhigt und zeigt, dass sich die Deutschen sicher sind, dass Obama die Welt […]

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