Umstrittene Nazi-Produkte im SPIEGEL-Shop

  13. Mai 2009, von T. Engelbrecht

Auf Sueddeutsche.de lesen wir heute den Beitrag von Willi Winkler „Umstrittene [Nazi-]Produkte im SPIEGEL-Shop: Goebbels erzählte mir“ (siehe Screenshot). Dort lesen wir:

„Auch wenn [beim SPIEGEL] ein Redakteur gerade wortreich sein coming out als Konservativer gefeiert hat, ist der heutige SPIEGEL alles andere als ein rechtsradikales Blatt. Dank der Finanzkrise scheint er sich sogar vom neoliberalen Rausch zu erholen, in den sich die Redaktion in den letzten Jahren der Ära Aust gestürzt hatte. Doch manchmal braucht es nur ein, zwei Klicks, und die Vergangenheit ist wieder da.“

Wer nämlich den Namen „Wilfred von Oven“ in die „hochgemut als ‚Lexikon der nächsten Generation‘ beworbene Datenbank“ eingebe, erhält auch einen Hinweis auf ein Buch, das der ehemalige Pressereferent des Propagandaministers Goebbels übersetzt hat: „Denn der Hass stirbt…“ von Léon Degrelle (siehe ebenfalls Screenshot). Dieses Buch kann über den SPIEGEL-Shop zum Preis von 16,95 € bezogen werden. Abonnenten werden sogar die üblichen Versandkosten in Höhe von 3,- Euro erlassen.

„Bloß peinlich“
SPIEGEL-Leser wissen ja angeblich mehr, und das ist in diesem Fall gar nicht falsch. „Denn“, so Winkler, „im vergangenen Jahr konnten sie einiges über den ‚missverstandenen Idealisten‘ Degrelle im Blatt lesen (Heft 16/2008)… 1994 starb der ‚große Visionär‘ (Klappentext) mit 87 Jahren, ‚reuelos, mit der Vergangenheit prahlend, eingemauert in sein Gespinst aus Lügen und falschen Heldenposen‘ (nochmal Der SPIEGEL).“

Warum aber offeriert der SPIEGEL über seine Online-Ausgabe altnazistische Rechtfertigungsliteratur?

„Die ‚Shopsuche'“, so Winkler, „generiert auf Basis der eingegebenen Suchbegriffe ‚relevante Bücher‘ – Titel, die weiterführen, oder, wie Degrelles Memoiren, eher wieder zurück. Ähnliche Ergebnisse bringen Suchanfragen nach Nazi-Helden wie Hans-Ulrich Rudel oder Hanna Reitsch. Das Problem ist im Verlag bekannt, aber man will ‚keine Zensur ausüben‘ und im übrigen verstehe man sich als ‚Händler‘.“

Nun, die Glaubwürdigkeit des SPIEGEL werde, so Winkler, unter diesem Link ins rechte Lager nicht leiden, es sei bloß peinlich. „Denn wie das so ist mit der Vergangenheit: sie will einfach nicht vergehen. Wilfred von Oven, der 2008 im gesegneten Alter von 96 Jahren in Buenos Aires starb, ist ein Wiedergänger aus grauer Vorzeit. 1950 meldete er sich mit einem Leserbrief beim SPIEGEL. Neben einem Bild, das ihn in Wehrmachtsuniform zeigte, erläuterte er unter der Überschrift ‚Goebbels erzählte mir‘, warum der Putsch Stauffenbergs scheitern musste.

„Zufallsgenerierter Link auf das Werk der Altnazis Degrelle und Oven wirkt fast wie eine späte Wiedergutmachung“
Oven hatte begehrte Insider-Kenntnisse aus dem ‚Dritten Reich‘ zu bieten, und dem SPIEGEL war dieser Kontakt zu den inzwischen in den Untergrund abgedrängten alten Nazis nicht unwillkommen. Oven zog es bald fort nach Südamerika, ein am 24. April 1951 ausgestellter Presseausweis mit der Unterschrift des Herausgebers Rudolf Augstein war ihm gelegentlich noch nützlich.

In Buenos Aires verkehrte Oven mit Adolf Eichmann und weiteren Gestalten aus Deutschlands abenteuerlichster Zeit, ließ aber den Kontakt nach Hause nie abreißen. Wenn der Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Urlaub machte, belieferte Oven die Heimatredaktion mit seinen Geschichten. Nur der SPIEGEL vergaß seinen alten Mitarbeiter und gemeindete Oven 1981 in ‚deutschtümelnden oder exildeutschen Landsmannskolonien‘ ein, in denen die deutschen Neonazis Widerhall fänden, ‚oder in Argentinien, wo der frühere Goebbels-Referent Wilfred v. Oven (Der 20. Juli – erlebt im Hause Goebbels) eine [Ausgabe der rechtnationalen Monatszeitschrift] ‚Plata-Ruf‘ ediert“. Schnöde unterblieb der Hinweis, dass die SPIEGEL-Leser den 20. Juli drei Jahrzehnte zuvor in der Exklusiv-Version Ovens erleben durften. Da wirkt der zufallsgenerierte Link auf das Werk von Degrelle und Oven doch fast wie eine späte Wiedergutmachung.“

Kurz nach Willi Winklers Beitrg meldet sich übrigens SPIEGEL Online zu Wort mit dem Beitrag „Warum man im SPIEGEL-Shop Nazi-Bücher findet – und woanders auch“. Darin schreibt man: „Wer will, gelangt mit ein, zwei Klicks zum ‚Süddeutsche Zeitung Shop‘. Mal eben den Namen eingeben – und siehe, auch hier wird die ‚altnazistische Rechtfertigungsliteratur‘ (Winkler) angeboten: (‚Denn der Hass stirbt…‘ von Leon Degrelle). Für 16.95 Euro.“

Der Unterschied ist offenbar nur, dass die Süddeutsche keine so „innige“ Geschichte mit den Altnazis verbindet. Und genau dieser Aspekt ist ja der zentrale Kritikpunkt von Willi Winklers Beitrag.

Hier noch der Hinweis der Süddeutschen „in eigener Sache“, dass „der Hinweis auf den SZ-Shop in der Berichterstattung fehlte“: http://www.sueddeutsche.de/j56383/2888979/In-eigener-Sache.html.

 

5 Kommentare zu “Umstrittene Nazi-Produkte im SPIEGEL-Shop”

  1. Umstrittene Nazi-Produkte im SPIEGEL-Shop >> SPIEGEL, SPIEGEL , Goebbels, Spiegelblog, Oven”, ‘Lexikon, “Wilfred, Vergangenheit >> Womblog [Worte oder mehr] sagt:

    […] Wer nämlich den Namen “Wilfred von Oven” in die “hochgemut als ‘Lexikon der nächsten Generation’ beworbene Datenbank” eingebe, erhält auch einen Hinweis auf ein Buch, das der ehemalige Pressereferent des Propagandaministers Goebbels übersetzt hat: “Denn der Hass stirbt…” von Léon Degrelle. weiterlesen auf dem Spiegelblog […]

  2. Jens Daniel sagt:

    Auch wenn der „spiegelBLOG“ es im letzten Satz noch versucht hinzudrehen, peinliche Sache das, von Willi Winkler. Da hätte ein ordentlicher Journalist doch einfach mal auf seiner eigenen Seite die Gegenprobe erklicken können. Nun, ganz so dumm ist Herr Winkler ja wohl nicht. Wird er schon auch gemacht haben. Ein Klick auf sueddeutsche.de, schon ist man im Shop und bei den vielen braunen Büchern. Libri bleibt halt Libri, ob auf SPON, oder auf sueddeutsche.de. Das hat Herr Winkler schnell mal verschwiegen. Hätte der Geschichte ja auch die laue Luft aus dem Segel genommen, gell? Qualitätsjournalismus, oder Bild“-Methoden?

  3. SPIEGELblog sagt:

    @Jens Daniel

    Wieso peinliche Sache von Willi Winkler? Wie gesagt, der Unterschied zwischen sueddeutsche.de und spiegel.de ist offenbar, dass die Süddeutsche keine so “innige” Geschichte mit den Altnazis verbindet. Und genau dieser Aspekt ist ja der ZENTRALE Kritikpunkt von Willi Winklers Beitrag.

  4. Gähn sagt:

    Löblich, daß Ihr hier die Lügen der Massenmedien brandmarkt – aber bei der hysterischen Verfolgung von Meinungsverbrechen seid ihr noch korrektrer, noch deutscher als die notorischen Vergangenheitsbewältiger von Spiegel & Co.

    Warum Bücher verbieten? Ist ja noch wirksamer als selbige zu verbrennen. Keine Angst vor der anderen Seite des Meinungsspektrums. Laßt die Leute alles lesen und traut ihnen eine eigene Meinung zu. Wird das Meinungssprektrum erst eingeschränkt, trifft es einen früh oder spät selber. Keine Grund zur Freunde, wenn die Bombe zuerst im Nachbardorf fällt. – Und deswegen braucht Ihr nicht den Shop nach bösen Büchern durchkämmen. Wenn die wirklich so doof sind, dann kauft sie keiner – werden sie doch gekauft, muß was dran sein.

  5. Joachim Petrick sagt:

    ergänzte Fassung:
    Lockten Rudolf Augstein, siehe Joachim Fest Albert Speer, manchen Altnazi in die Günter Wallraff Pol- Position:
    “Wilfred von Oven zog es bald fort nach Südamerika, ein am 24. April 1951 ausgestellter Presseausweis mit der Unterschrift des Herausgebers Rudolf Augstein war ihm gelegentlich noch nützlich”.
    um diesen, halb zog es ihn, halb sank er hin, demokratisch halbwegs verstrickt, alten Kameraden zu entfremden?
    Im Fall des Wilfred von Oven ist der “Wallraff” Schuss aus dem Gemüt & Geistes Geblüt” Sturmgeschütz der Demokratie” Rudolf Augstein wohl nach hnten losgegangen!, oder?
    JP

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